Steigende Gesundheitskosten: Die Preise sind unschuldig

Von Michael Stucki und Prof. Dr. Simon Wieser

Die steigenden Gesundheitskosten sind ein Dauerbrenner in Politik und Medien. Als mögliche Kostentreiber werden etwa neue teure Behandlungen, die Alterung der Gesellschaft und die Überbehandlung von Patienten genannt. Wie gross der Beitrag dieser und anderer möglicher Kostentreiber ist, ist aber weitgehend unklar.

Klar – aber vielleicht noch nicht allen bekannt – ist hingegen, dass steigende Preise beim Kostenwachstum keine Rolle spielen. Die Gesundheitsausgaben ergeben sich aus der Multiplikation der Mengen der genutzten Gesundheitsleistungen mit ihren jeweiligen Preisen. Und diese Preise sind in den letzten zehn Jahren nicht gestiegen. Im Gegenteil.

Die Preise steigen nicht, sie sinken
Grafik 1 zeigt dies anhand der Preisentwicklung aller Gesundheitsleistungen in einer Reihe von europäischen Ländern (Quelle: Eurostat). Die Preise sind in Prozent des Niveaus von 2005 dargestellt. Die Schweiz ist das einzige Land, in dem die Preise der Gesundheitsleistungen in den letzten Jahren gesunken sind. Im Jahr 2017 lagen die Preise 4% unter dem Niveau von 2005.

Noch stärker war der Preisrückgang bei den Medikamenten. Zwischen 2005 und 2015 sind die Preise um rund ein Drittel gefallen. Der staatlich kontrollierte Preissetzungsmechanismus hat zu einer Angleichung ans benachbarte Ausland geführt, wo die Preise im selben Zeitraum entweder weniger stark gesunken sind (Frankreich) oder gar deutlich angestiegen sind (Deutschland, Österreich).

Wieso die Preise gesunken sind
Die Preise im Gesundheitswesen sind aus verschiedenen Gründen gesunken. So sind die kantonalen Tarmed-Taxpunktwerte, mit denen ambulante Leistungen der Ärzte und Spitäler abgerechnet werden, seit 2004 leicht gesunken. Gleichzeitig haben die staatliche Regulierung der Medikamentenpreise und auslaufende Patente zu einem deutlichen Rückgang der Preise bereits zugelassener Medikamente geführt.

Aber Achtung. Obwohl die Preise nicht für die steigenden Gesundheitskosten verantwortlich sind, sind sie doch auch für das hohe Niveau der Gesundheitskosten in der Schweiz verantwortlich. Dafür gibt es zwei Gründe:

  • Die Preise der Gesundheitsleistungen und Medikamente liegen in der Schweiz oft deutlich über denen im Ausland.
  • Neue teure Medikamente und Behandlungen werden bei der Berechnung der Preisindizes in den beiden Grafiken nicht berücksichtigt. Preisindizes werden für einen Korb von bereits im Vorjahr vorhandenen Gütern berechnet und berücksichtigen diese neuen teuren Gesundheitsgüter somit nicht.

Wieso die Gesundheitskosten steigen
Da die Preise nicht für die steigenden Gesundheitskosten verantwortlich sind, müssen es allein die steigenden Mengen sein. Für die steigenden Mengen gibt es zwar viele mögliche Erklärungen aber wenig Klarheit, für welchen Anteil des Kostenwachstums die einzelnen Faktoren tatsächlich verantwortlich sind. Es gibt also noch viel Arbeit für die gesundheitsökonomische Forschung.

Michael Stucki ist wissenschaftlicher Mitarbeiter der Fachstelle Gesundheitsökonomische Forschung am WIG.
Prof. Dr. Simon Wieser ist Institutsleiter sowie Leiter der Fachstelle Gesundheitsökonomische Forschung am WIG.


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