Mit Wissen gegen die Impfskepsis

Sollen sich Schwangere, Säuglinge und Kleinkinder impfen lassen? Diese Frage sorgt nicht nur bei werdenden Eltern, sondern auch bei Fachpersonen immer wieder für Diskussionen. Eine Weiterbildung – speziell für Hebammen – räumt mit Vorbehalten, Mythen und Ängsten auf.

Von Marion Loher

Impfungen sind ein kontroverses Thema. Das hat nicht zuletzt auch die Corona-Pandemie deutlich gezeigt. Insbesondere Impfungen in der Schwangerschaft und bei Kindern lösen bei werdenden Eltern, aber auch in Fachkreisen immer wieder ein gewisses Unbehagen aus. «Manchmal scheint es so, als ob kein anderes Thema mehr Skepsis hervor ruft als das Impfen», sagt Michèle Stahel, Oberärztin in der Klinik für Geburtshilfe des Universitätsspitals Zürich.

Als Grund führt sie einerseits die Impfempfehlungen nationaler und internationalen Organisationen auf, die sich in den vergangenen Jahren stark verändert haben. «Andererseits kennen viele, auch Fachpersonen, die Probleme und Komplikationen von fast ausgerotteten Krankheiten nicht mehr.» Diese hätten dadurch ihren Schrecken verloren. Zudem seien diffuse Ängste und Sorgen über mögliche Nebenwirkungen der Impfungen weit verbreitet. Die Oberärztin betont, wie wichtig jedoch Impfungen vor und während der Schwangerschaft sind. «Bei einer konsequenten Impfstrategie treten viele Probleme gar nicht erst auf», sagt sie. «Es geht um den Schutz der Mutter, des Fötus und des Neugeborenen.» Deshalb sei es zentral, dass die Patientinnen umfassend über die Bedeutung des Impfens Bescheid wüssten.

Beratungskompetenz erweitern

Bei der professionellen Beratung von werdenden Müttern spielen nebst den Gynäkolog:innen insbesondere Hebammen eine wichtige Rolle. Sie sind von Beginn der Schwangerschaft dabei und werden im Laufe der Monate zu einer engen Bezugsperson der Frauen, des Neugeborenen und der Familie. Hebammen sind denn auch Zielpublikum der Weiterbildung «Impfen von Mutter und Kind» des Departements Gesundheit an der ZHAW, die im Mai nächsten Jahres zum zweiten Mal durchgeführt wird. Nicht nur in Zeiten einer Pandemie benötigt das Impfen rund um Schwangerschaft, Mutter- und Elternschaft wie auch das Impfen des Kindes aktuelles evidenzbasiertes Wissen, heisst es seitens ZHAW.

Mit der eintägigen Weiterbildung soll die professionelle Beratungskompetenz der Teilnehmenden erweitert werden. Geleitet wird der Kurs zum einen von der Oberärztin Michèle Stahel und zum anderen von Anita Niederer. Letztere ist Fachärztin für Kinder- und Jugendmedizin sowie Infektiologie am Ostschweizer Kinderspital in St. Gallen und wird am Kurstag vor allem über das Impfen von Säuglingen und Kleinkindern sprechen. Niederer war bereits beim ersten Kurs im Frühling 2022 dabei. «Das Interesse der Kursteilnehmerinnen war sehr gross, die Resonanz positiv», sagt sie, «und es kam immer wieder zu guten, konstruktiven Diskussionen.»

Viel Skepsis bei den Hebammen

Obwohl das Thema Impfen aufgrund der Pandemie in den vergangenen zweieinhalb Jahren intensiv in der Bevölkerung und den Medien diskutiert wurde, war Corona nicht ausschlaggebend für die Initiierung der Weiterbildung «Impfen von Mutter und Kind». «Es war uns schon länger ein Anliegen, spezifisch Fachpersonen aus verschiedenen Bereichen über das Thema aufzuklären, und zwar evidenzbasiert und aus unterschiedlichen Perspektiven», sagt die Fachärztin für Kinderund Jugendmedizin.

Gerade bei den Hebammen habe man gespürt, dass einige doch ziemlich skeptisch gegenüber dem Impfen seien. «Viele Befürchtungen sind historisch gewachsen, viele Vorstellungen basieren auf falschen Informationen, die in der Vergangenheit nie richtig hinterfragt wurden.» Als Beispiel nennt Niederer die Angst, Impfungen, insbesondere die Masern-Mumps-Röteln Impfung, könnten Autismus verursachen. «Das Gerücht hält sich seit Jahren hartnäckig, obwohl es schon von mehreren wissenschaftlichen Studien widerlegt worden ist.»

Niederer ist überzeugt, dass Fachpersonen, die faktenbasiert informiert sind, auch besser beraten können. Hebammen seien diesbezüglich sehr wichtig und wertvoll, da sie ganz nahe dran seien bei den werdenden Müttern und den Neugeborenen – «wahrscheinlich fast näher als wir Kinderärzt:innen oder die Gynäkolog:innen». Die Weiterbildung soll Verständnis dafür schaffen, warum welche Impfung zu einem bestimmten Zeitpunkt empfohlen wird, weshalb manche Empfehlungen angepasst werden – und selbstverständlich werden auch Vorbehalte diskutiert. «Wir wollen verstehen, woher diese Zweifel kommen und wie sie ausgeräumt werden können», so die Expertin.

Impfen während der Schwangerschaft

Auch Michèle Stahel hat in ihrem Berufsalltag immer wieder mit kritischen Schwangeren und skeptischen Fachpersonen zu tun. Sie ist – wie ihre Kursleitungskollegin – überzeugt, dass mit einer auf wissenschaftlichen Fakten basierenden Aufklärung viel Unsicherheit genommen werden kann. «Früher galt es beispielsweise, Impfungen während der Schwangerschaft möglichst zu vermeiden», sagt die Oberärztin in der Klinik für Geburtshilfe am Universitätsspital Zürich. «Heute werden zwei Impfungen während der Schwangerschaft empfohlen, da der Nutzen für Mutter und Kind gegenüber dem Risiko überwiegt.»

Zum einen ist es die Impfung gegen Pertussis (Keuchhusten), die dem Neugeborenen in den ersten Lebenswochen einen Schutz, den sogenannten Nestschutz, bietet. Zum anderen wird Schwangeren nahegelegt, sich gegen die saisonale Grippe zu impfen. «Die werdende Mutter schützt sich so vor einem schweren Verlauf und ihr Ungeborenes vor einer möglichen Erkrankung», sagt Michèle Stahel. Auch dies ist ein Thema, das die Oberärztin an der Weiterbildung «Impfen von Mutter und Kind» ansprechen wird. //

Vitamin G, S. 36-37


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