Von PROF. DR. JULIA DRATVA, Leiterin der Forschungsstelle Gesundheitswissenschaften.
«Rauchen ist ungesund» – diese Aussage erschrickt heutzutage niemanden mehr. Vielleicht tun es die Fakten: Jährlich sterben in der Schweiz etwa 9500 Menschen an den Folgen des Tabakkonsums – das sind rund 14 Prozent aller Todesfälle. Trotzdem ist die Schweiz das einzige europäische Land, das die internationale Tabak Rahmenkonvention von 2003 noch nicht ratifiziert hat.
Das ist umso unverständlicher, weil seit 2017 eine Strategie zu nichtübertragbaren Erkrankungen (NCD) existiert. Ein Grossteil der NCD, zum Beispiel Herz-Kreislauf-Erkrankungen oder Krebs, stehen in direktem Zusammenhang mit Tabakkonsum. Ihre Behandlung verschlingt jedes Jahr 1,7 Milliarden Franken; ganz zu schweigen von den volkswirtschaftlichen Kosten und der Belastung der Angehörigen. Es wäre deshalb im gesellschaftlichen Interesse, Kinder und Jugendliche vom Rauchen abzuhalten – zumal 57 Prozent der Rauchenden als Minderjährige damit angefangen haben.
Als besonders wirksame Massnahmen empfiehlt die Wissenschaft Preiserhöhungen, Verkaufs und Werbeverbote sowie Aufklärung. Diese Massnahmen gilt es gesetzlich so konsequent wie möglich zu verankern. Denn bei halbherziger Umsetzung wird die Tabaklobby immer Schlupflöcher finden. E-Zigaretten sind ein gutes Beispiel dafür. Sie haben ein Suchtpotenzial wie Zigaretten und enthalten Chemikalien, über deren gesundheitliche Wirkung noch zu wenig bekannt ist. Trotzdem wird die EZigarette als gesündere Variante und Ausstiegsmittel angepriesen. Doch sie ist genau das Gegenteil: ein Einstiegsmittel. So setzt die Tabaklobby alles daran, um das Interesse von jungen Nichtrauchern zu wecken.
Schon 2015 hat der Bundesrat dem Parlament ein Tabakproduktegesetz mit Massnahmen zu Kinder und Jugendschutz vorgelegt. Drei Jahre Verwässerungstaktik und Lobbyismus für die Tabakindustrie machten das Gesetz immer zahnloser. Immerhin: Seit diesem Herbst gibt es einen Hoffnungsschimmer. Der Ständerat hat Werbeeinschränkungen und einem nationalen Verkaufsverbot für unter 18Jährige zugestimmt und entschieden, E-Zigaretten wie normale Zigaretten zu behandeln. Ein wichtiger Schritt. Ein umfassender Schutz von Kindern und Jugendlichen vor Tabakkonsum ist damit aber noch nicht erreicht. //
WEITERE INFORMATIONEN
- Volksinitiative «Kinder ohne Tabak»
- Tabakproduktegesetz – Bericht der Arbeitsgemeinschaft Tabakprävention Schweiz
- Entwurf zum Tabakproduktegesetz – Informationen des Bundesamts für Gesundheit