Endlich Ferien – und prompt wird man krank. Wie Sie die sogenannte Leisure Sickness vermeiden können, erläutert Präventionsexperte Frank Wieber.
von Lucie Machac
Wer kennt es nicht. Da freut man sich schon Wochen im Voraus, in den Ferien endlich auszuspannen, und just am ersten Tag am Strand wird man krank. Kopfweh, Übelkeit, Fieber, das ganze Programm – auch bekannt als Leisure Sickness. «Die Freizeitkrankheit ist ein typisches Symptom unserer Leistungsgesellschaft», sagt Frank Wieber, stellvertretender Forschungsleiter am Institut für Public Health am ZHAW Departement Gesundheit. «Bei Stress schüttet unser Körper Adrenalin und Cortisol aus, damit wir leistungsfähig bleiben.» Hält die hohe Belastung jedoch über Wochen oder gar Monate an, wird das Immunsystem geschwächt. Kommt es in den Ferien dann endlich zum Stressabfall, fühlen wir uns unendlich erschöpft und sind besonders anfällig für Krankheitserreger. «Im Grunde ist die Leisure Sickness eine Vorstufe von Burnout», so Wieber.
Früher litten vor allem Führungspersonen an der Freizeitkrankheit, inzwischen kann sie alle Arbeitnehmenden treffen. «Dies hat einerseits mit der Veränderung der Arbeitswelt zu tun», sagt Wieber.
Effizienz, Verantwortung und Innovation werde heute nicht nur von Kaderleuten oder selbständig Erwerbenden verlangt. «Viele Angestellte funktionieren wie selbständige Unternehmer:innen innerhalb eines Unternehmens, was mit entsprechend hohen Anforderungen verbunden ist.» Anderseits spielen Persönlichkeitseigenschaften eine Rolle. «Besonders gefährdet sind Perfektionist:innen und Personen, die ihre Arbeit nicht delegieren wollen.» Viele von ihnen tendieren laut Wieber ausserdem dazu, ihre Freizeit ähnlich streng zu gestalten wie ihre Arbeit. «Sie bleiben auch beim Wandern oder in den Strandferien bei ihren leistungsorientierten Denkmustern.»
Was also tun? «Wir können nicht auf Kommando entspannen», sagt Frank Wieber. Deshalb sei es wichtig zu lernen, regelmässige Pausen in den Alltag einzubauen. «Es reichen schon kurze Entspannungs- oder Atemübungen. Sich mit Freunden zu treffen, Sport zu treiben oder Musik zu hören.» Klingt einfach, doch gerade in stressigen Zeiten fehlt oft die Energie, neue Alltagsroutinen zu etablieren. In solchen Fällen solle man wenigstens versuchen, in der Woche vor den Ferien nicht bis zur letzten Sekunde durchzuarbeiten. «Damit dies gelingt, hängt aber nicht nur von den Arbeitnehmenden ab. Auch die Vorgesetzten und Unternehmen sind gefragt», gibt der Präventionsexperte zu bedenken.
Heute müssen viele Angestellte nämlich dieselbe Menge an Arbeit erledigen, als wären sie gar nicht weg, was den Vor-und Nachferienstress mitverursacht. Das liesse sich laut Wieber reduzieren, wenn wir vermehrt mit Ferienvertretungen arbeiten, «zum Beispiel, indem wir bestimmte Aufgaben als Tandems bearbeiten und uns so unkompliziert vertreten können». Damit sich Mitarbeitende psychisch und körperlich auf die Erholung einstimmen können, brauche es in Teams mehr Sensibilisierung für die Organisation von Aufgaben, um besser mit Urlaubszeiten, Arbeitsspitzen und Krankheitsphasen umzugehen. «Das kommt nicht nur der Gesundheit der einzelnen Mitarbeitenden zugute, sondern stärkt auch die Resilienz der Organisationen.» //