Gemeinsam Suizide verhindern

Suizidprävention muss in verschiedenen gesellschaftlichen Bereichen ansetzen – darunter auch im Gesundheits-, Bildungs- und Sozialwesen. Ein neues CAS am ZHAW-Departement Gesundheit befähigt Fachpersonen aus diesen Bereichen, Menschen in Krisensituationen zu unterstützen.

von Tobias Hänni

Zuerst die gute Nachricht: Die Suizidrate in der Schweiz ist rückläufig. Zwischen 1998 und 2023 ist sie laut dem Schweizerischen Gesundheitsobservatorium OBSAN von 20,8 auf 11,3 Fälle pro 100’000 Einwohner:innen gesunken. Trotzdem: Nach wie vor nehmen sich hierzulande jeden Tag zwei bis drei Menschen das Leben. Bund und Kantone wollen dies mit dem nationalen Aktionsplan Suizidprävention ändern und die Rate bis 2030 weiter deutlich reduzieren. «Suizidprävention ist eine gesamtgesellschaftliche Aufgabe», heisst es im Aktionsplan. Dieser Ansicht sind auch die Verantwortlichen des neuen CAS Suizidprävention am Departement Gesundheit, das sich an Fachpersonen aus dem Gesundheits-, Sozial- und Bildungswesen richtet. «Der Einbezug von Fachpersonen aus verschiedenen Bereichen ist zentral für eine wirksame Prävention», sagt Tobias Kuhnert, Co-Leiter der neuen Weiterbildung. «Denn Präventionsarbeit muss dort stattfinden, wo sich die Menschen bewegen.» Und sie müsse früh genug ansetzen – früher als beispielsweise psychologische Hilfsangebote, die oft erst bei einer unmittelbaren Suizidgefahr zum Tragen kommen.

Unterstützung vulnerabler Gruppen

Aus diesem Grund deckt die im Auftrag des Bundesamts für Gesundheit entwickelte Weiterbildung mehrere Aufgabenfelder ab: So lernen Teilnehmende nicht nur, Einzelpersonen in einer psychischen Krise zu unterstützen. Sie eignen sich auch Wissen und Kompetenzen an, um die psychische Gesundheit aller Personen zu stärken, mit denen sie in ihrem Berufsfeld arbeiten. Hinzu kommt als dritter Bereich die selektive Suizidprävention: Dabei geht es um die Unterstützung einzelner Gesellschaftsgruppen, die besonders vulnerabel sind und ein erhöhtes Suizidrisiko aufweisen. «Dazu gehören zum Beispiel Asylsuchende oder LGBTQ+-Personen», sagt Tobias Kuhnert. Das CAS zeige auf, wie die Lebenssituation solcher Gruppen mit konkreten Massnahmen verbessert werden könne.
Da suizidale Personen oft in mehreren Lebensbereichen unter Belastung stehen, legt die Weiterbildung ein besonderes Augenmerk auf die interprofessionelle Zusammenarbeit. «Um Menschen in einer Krisensituation ganzheitlich zu betreuen, braucht es das Zusammenspiel verschiedener Berufsgruppen», erläutert Tobias Kuhnert. Im Gesundheitswesen sei eine enge Abstimmung zwischen den Professionen notwendig, um eine kontinuierliche Versorgung sicherzustellen und Reibungsverluste an Schnittstellen zu vermeiden. «Das gilt beispielsweise beim Wechsel von der stationären zur ambulanten Behandlung, der für die Betroffenen eine grosse Belastung darstellen kann.» Das CAS vermittle Teilnehmenden deshalb nicht nur das Wissen für das eigene Arbeitsfeld. «Es zeigt ihnen auch auf, was Präventionsarbeit in anderen Berufen konkret bedeutet», sagt Kuhnert.
Neben der psychischen Gesundheit im Allgemeinen und der Suizidprävention thematisiert die berufsbegleitende Weiterbildung auch die Suizidintervention und die Nachsorge. Das heisst, Teilnehmende eignen sich die Werkzeuge an, um bei akuter Suizidgefahr wirksam intervenieren zu können. Und sie erlangen die Kompetenzen, um nach einem Suizid unter anderem Angehörige und andere betroffene Personen angemessen zu unterstützen.
Vermittelt werden die theoretischen Grundlagen und praktischen Inhalte von Dozierenden, die Expertise zur Suizidprävention in verschiedenen Bereichen mitbringen. «Wir haben einen breiten Pool an internen und externen Fachleuten zusammengestellt», so Kuhnert. Er leitet das CAS gemeinsam mit Stephan Kupferschmid, Chefarzt an der Privatklinik Meiringen, die auf psychische Erkrankungen spezialisiert ist.

Als Expert:in positionieren

Die Weiterbildung an der ZHAW befähigt Fachpersonen, Massnahmen der Suizidprävention planen, umsetzen, evaluieren und weiterentwickeln zu können. Damit schliesst sie laut Tobias Kuhnert eine Angebotslücke in der Schweizer Bildungslandschaft. «Bestehende Angebote dauern meist nur wenige Stunden oder Tage. Das CAS ermöglicht eine vertieftere und umfassendere Auseinandersetzung mit dem Thema.»
Als schweizweit erste Weiterbildung zur Suizidprävention auf Hochschulniveau eröffnet das CAS Teilnehmenden neue berufliche Perspektiven. «Die Stärkung der psychischen Gesundheit hat in den letzten Jahren gesellschaftlich an Gewicht gewonnen. Das bietet Absolvierenden die Möglichkeit, sich im eigenen Betrieb und auf dem Arbeitsmarkt als Expert:innen, Multiplikator:innen und Anlaufstelle zu positionieren.» Vom CAS, dessen erste Durchführung diesen Herbst geplant ist, profitieren Teilnehmende aber auch persönlich, ist Kuhnert überzeugt. «Mit dem Wissen über die psychische Gesundheit und den Umgang mit psychischen Krisen können sie Menschen in ihrem persönlichen Umfeld unterstützen.» //

Vitamin G, S. 32-33


Hilfe in Krisensituationen

Verschiedene Organisationen und Stellen bieten für Menschen in depressiven und suizidalen Krisen Hilfe an. Vertraulich, kostenlos und rund um die Uhr.

– Die Dargebotene Hand
Tel.: 143, 143.ch

– Pro Juventute Beratung + Hilfe 147 für Kinder und Jugendliche
Tel. 147, 147.ch

– Reden kann retten
reden-kann-retten.ch

– Plattform für psychische Gesundheit
wie-gehts-dir.ch

– Für Hinterbliebene
trauernetz.ch


Weitere Informationen


Magazin «Vitamin G – für Health Professionals mit Weitblick»


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