Etwas Wein zum guten Essen, anstossen an der Weihnachtsfeier? Während der Schwangerschaft sollten Frauen auch auf kleine Mengen Alkohol verzichten. Die Wissenschaft konnte bislang zwar keine eindeutig negativen Auswirkungen eines geringen Konsums nachweisen. Genauso wenig kann sie aber eine Obergrenze für einen «sicheren Alkoholkonsum» liefern, weiss Jessica Pehlke*.
Die Informationen, die Frauen in Broschüren, auf Internetseiten und in Beratungsgesprächen erhalten, sind eindeutig: Der Alkoholkonsum sollte mit dem Feststellen der Schwangerschaft eingestellt werden. Beginnen sollte die Abstinenz mit dem Einnisten der befruchteten Eizelle, da der Embryo ab diesem Zeitpunkt über den Blutkreislauf der Mutter versorgt wird. Werden in der Schwangerschaft, zum Beispiel aufgrund einer Suchterkrankung, hohe Mengen an Alkohol getrunken, führt dies, je nach Reifegrad des Kindes, der Alkoholmenge und individueller Disposition zu schweren körperlichen und kognitiven Entwicklungsstörungen. Diese werden unter dem Begriff Fetal Alcohol Spectrum Disorder (FASD) zusammengefasst.
Genauere Zahlen für die Schweiz fehlen, aber laut dem Bundesamt für Gesundheit werden schätzungsweise 20 von 1000 Kindern mit einer FASD geboren. Weiter geht man davon aus, dass die Schweiz weltweit zu den Ländern mit dem höchsten Alkoholkonsum gehört und die Zahl der betroffenen Kinder unterschätzt wird.
EIN FÜNFTEL TRINKT AB UND ZU
Die Evidenzlage für die schädigende Wirkung hohen Alkoholkonsums respektive des Rauschtrinkens ist bekannt und ein Grossteil der schwangeren und stillenden Frauen stellt den Alkoholkonsum in der Schwangerschaft auch gänzlich ein. Verschiedene Erhebungen in der Schweiz zeigen allerdings, dass ungefähr 20 Prozent der Frauen während der Schwangerschaft ab und zu kleinere Mengen an Alkohol zu sich nehmen. Typische Situationen sind besondere Anlässe wie Betriebsfeiern oder das Glas Wein zu einem guten Essen.
Bei diesem moderaten oder geringen Alkoholkonsum ist die Evidenzlage weniger klar. Aktuelle Übersichtsarbeiten können keine eindeutig nachteilige Wirkung eines leichten Alkoholkonsums in der Schwangerschaft belegen. Genauso wenig lässt sich jedoch anhand der Studienlage eine sichere Obergrenze festlegen. Vor diesem Hintergrund wird weiterhin der komplette Verzicht auf Alkohol in der Schwangerschaft «als einzig sicherer Weg» empfohlen. Schwangere Frauen sollten sich deshalb, so die allgemeine Empfehlung, deutlich von dem in der Schweiz sozial anerkannten Genusstrinken abgrenzen. Verstossen Frauen gegen diese Empfehlung, geht dies häufig mit Schuldgefühlen und widersprüchlichen Empfindungen einher, die selten mit Gesundheitsfachpersonen besprochen werden.
Letztlich sind schwangere Frauen gefordert, eine Entscheidung auf Basis einer unklaren Evidenzlage zu treffen – Gesundheitsfachpersonen können ihnen dabei keine Empfehlung für einen «sicheren Alkoholkonsum» geben, den Prozess der informierten Entscheidung durch die Frau aber so gut wie möglich unterstützen. //
* Prof. Dr. Jessica Pehlke leitet die Forschungsstelle Hebammenwissenschaft am Departement Gesundheit. In einem ihrer Forschungsprojekte befasste sie sich unter anderem mit werdenden Eltern und ihrer Wahrnehmung des Alkoholkonsums während Schwangerschaft und Stillzeit.
WEITERE INFORMATIONEN
- ZHAW-Forschungsprojekt «Wahrnehmung werdender Eltern zu Alkoholkonsum»
- Faktenblatt des Bundesamts für Gesundheit: «Alkoholkonsum während der Schwangerschaft in der Schweiz»
- SRF-Beitrag zum Suchtmonitoring 2018: Alkohol in der Schwangerschaft