Mit elektronischen Geräten ist das Pulsmessen heutzutage ein Kinderspiel. Die manuelle Erfassung ist zwar anspruchsvoller, liefert dafür aber viel mehr Informationen. Wie der Puls mit den Fingern richtig ertastet wird, wissen Uschi Heinrich und Sibylle Truninger.*
Der Puls zeigt die Herzaktion und ist ein Parameter, der in der Praxis bedeutungsvoll ist und oft gemessen wird. Und obwohl er mittlerweile elektronisch erfasst werden kann, ist die manuelle Pulsmessung nach wie vor überlegen. Denn mit ihr kann auch die Qualität des Pulses erfasst werden. Bei einer erwachsenen Person schlägt das Herz zwischen 60 und 100 Mal in der Minute. Bei Ausdauersportlern sind tiefere Werte von 45 bis 50 Schlägen pro Minute normal. Bei Kindern ist die Herzfrequenz dagegen deutlich höher. So ist bei einem wachen Neugeborenen ein Puls von rund 200 Schlägen pro Minute kein Grund zur Sorge. Anders bei einem erwachsenen Menschen: Hat der Ruhepuls über 100 Schläge, so spricht man von Tachykardie. Ursachen können etwa Herzkrankheiten oder Fieber sein. Liegt die Herzfrequenz hingegen unter 60 Schlägen pro Minute, wird von Bradykardie gesprochen. Als krankhafte Ursachen kommen Herzrhythmusstörungen in Frage.
Nicht zu viel Druck ausüben
Gemessen werden kann der Puls an jeder Arterie, die nahe an der Körperoberfläche liegt und gegen festes Gewebe gedrückt werden kann. Meist wird die Arteria radialis am Handgelenk ertastet. Für die Messung wird lediglich eine Uhr mit Sekundenanzeige benötigt. Die Patientin oder der Patient sollte zuvor mindestens zehn Minuten geruht haben und während der Messung nicht sprechen. Mit den drei mittleren Fingern wird am Handgelenk auf der Daumenseite die Arterie lokalisiert, bis der Puls gut gefühlt werden kann. Die Finger sollten leicht, aber mit gutem Kontakt auf der Stelle gehalten werden. Bei zu festem Druck kann der Blutfluss gestört sein, wodurch sich der Messwert verändert. Bei regelmässigem Puls wird 15 Sekunden lang gezählt und das Ergebnis mit vier multipliziert. Die Zählung beginnt dabei bei Null – ansonsten würde durch die Multiplikation ein höherer Wert errechnet, als wenn der Puls 60 Sekunden lang erfasst wird. Bei einem unregelmässigen Puls oder einer Bradykardie wird eine Minute lang ausgezählt.
Ermittelt wird die Frequenz pro Minute, ob der Puls regelmässig oder unregelmässig schlägt und welche Qualität er dabei aufweist: die Spannung – der getastete Druck (hart, weich, sehr weich) – und die Füllung, also die getastete Grösse (gross, klein, fadenförmig).
Übrigens: Die Traditionelle Chinesische Medizin kennt wesentlich mehr Pulse als die westliche Medizin. Es gibt 28 verschiedene Typen, die an drei Stellen und in drei Tiefen an den beiden Handgelenken getastet werden können. Gewaltige Unterschiede beim Puls gibt es in der Tierwelt: So schlägt das Herz eines Blauwals zwei bis sechs Mal in der Minute, das der Spitzmaus über 1000 Mal.
* Uschi Heinrich, MScN, und Sibylle Truninger, MScN, arbeiten als Dozentinnen im Bachelorstudiengang Pflege. Sie unterrichten die Studierenden in verschiedenen Modulen, unter anderem im Skillstraining, in dem auch das Pulsmessen geübt wird.
«Vitamin G», Seite 34
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