In der Schweiz ist es für Migrantinnen schwierig, an Informationen zu Schwangerschaft und Geburt zu kommen. Der Verein Mamamundo organisiert deshalb in mehreren Kantonen Geburtsvorbereitungskurse speziell für diese Bevölkerungsgruppe. Es gibt jedoch zwei grosse Herausforderungen, wie eine Studie des Instituts für Hebammenwissenschaft und reproduktive Gesundheit der ZHAW zeigt.
von Marion Loher
Die Vorfreude auf das neue Leben ist bei vielen werdenden Müttern gross. Gleichzeitig stellt die Schwangerschaft die Frauen vor grosse Herausforderungen – auch wenn sie das hiesige Gesundheitssystem kennen und der deutschen Sprache mächtig sind. Was aber geschieht mit all jenen, die aus einem anderen Land in die Schweiz gekommen sind, kein Deutsch verstehen und die hiesige Mentalität und Gebräuche nicht kennen?
Frauen mit Migrationshintergrund sind im schweizerischen Geburtssystem oft mit einem erschwerten Zugang zu Informationen und mit Sprachbarrieren konfrontiert. Dies hat Folgen für die Gesundheit von Mutter und Kind. Studien zeigen, dass die gesundheitliche Situation von schwangeren Migrantinnen gegenüber Schweizer Frauen deutlich schlechter ist. Dies äussert sich in einem höheren Risiko geburtshilflicher Komplikationen in der Schwangerschaft, während der Geburt und im Wochenbett, darunter etwa Notfallkaiserschnitte, Frühgeburten oder postpartale Depressionen.
Diese Situation will der Verein Mamamundo verbessern und bietet Geburtsvorbereitungskurse für Migrantinnen an. Im Jahr 2015 in Bern gegründet, gibt es heute in sechs weiteren Kantonen (Basel, Biel, Luzern, Solothurn, St. Gallen und Zürich) Ableger des Vereins. Die neuen Standorte werden von Mamamundo Bern gecoacht und orientieren sich an dessen Qualitätskriterien. In den Kursen vermitteln Hebammen und interkulturelle Dolmetscher:innen Informationen rund um Schwangerschaft, Geburt und Elternschaft. Ein besonderes Augenmerk wird dabei auf die Förderung der physiologischen Prozesse, die geburtsvorbereitende, entspannende Körperarbeit sowie die emotionale Begleitung gelegt. Die Teilnehmerinnen erfahren zudem, welches die richtigen Anlaufstellen in welchen Situationen sind, und haben die Möglichkeit, Erfahrungen auszutauschen und Fragen zu stellen. In der Regel besuchen die Frauen sechs Kurse während der Schwangerschaft und einen nach der Geburt.
Grosse Wertschätzung bei den Frauen
Das Bedürfnis schwangerer Migrantinnen nach Unterstützung ist vorhanden. Deshalb möchte Mamamundo Bern sein Kursangebot nicht nur innerhalb des Kantons ausdehnen und in weiteren Kantonen einführen, sondern auch die Finanzierung in Bern sicherstellen. Aus diesem Grund hat die Stiftung Gesundheitsförderung Schweiz, die dieses Praxisprojekt finanziert, das Institut für Hebammenwissenschaft und reproduktive Gesundheit der ZHAW mit einer Studie beauftragt. Das Ziel: Die schweizweite Verbreitung und die finanzielle Sicherung im Kanton Bern sowie die Wirksamkeit in der Zielgruppe zu evaluieren. Anfang Juni dieses Jahres sollen die Ergebnisse der Untersuchung vorliegen. Bereits heute gewähren die Studienverantwortliche Susanne Grylka, Leiterin Forschung am Institut für Hebammenforschung und reproduktive Gesundheit, und Piroska Zsindely, wissenschaftliche Mitarbeiterin am Institut, einen ersten Einblick in die Studie.
Die beiden Wissenschaftlerinnen haben in den letzten vier Jahren zahlreiche Jahres- und Geschäftsberichte von Mamamundo studiert, als stille Beobachterinnen an den Kursen in allen sieben Kantonen teilgenommen und viele Gespräche mit Kursteilnehmerinnen und -leiterinnen, mit Dolmetscher:innen, Geldgebenden und weiteren Stakeholdern geführt. In allen Teilstudien habe sich der Nutzen dieser Kurse für die Migrantinnen bestätigt, nimmt Susanne Grylka eine wichtige Erkenntnis vorneweg. «Die Wertschätzung der Frauen war sehr gross. Sie waren interessiert und dankbar.» Eine der Studienteilnehmerinnen habe gesagt, dass der Besuch des Kurses für sie ein grosses Glück gewesen sei, sie viel habe lernen können. Eine andere meinte, sie sei sehr froh gewesen, dass ihr bei der Suche nach einer Hebamme geholfen wurde. «Der Kurs zeigt den Frauen, welche Türe im Spital in den Gebärsaal führt. Und somit zu Personen, die sie im weiteren Prozess unterstützen», fügt Piroska Zsindely an, die bei ihren Kursbesuchen vor allem eins beeindruckt hat: «Das Engagement aller Beteiligten, sei es der Projektleiterin, Geschäftsführerin oder Kursleiterin, ist unglaublich gross.» Sie haben ein gemeinsames Ziel: Sie wollen, dass die Migrantinnen die Informationen, die sie brauchen, auch bekommen. Dass sie gehört und wahrgenommen werden und sich in diesem auch für uns manchmal sehr verwirrenden Gesundheitssystem zurechtfinden.
Die Untersuchung hat aber auch gezeigt, dass die Zielgruppe nicht einfach zu erreichen ist und die Verantwortlichen einen grossen Aufwand für die aufsuchende Tätigkeit betreiben. «Das ist mit ein Grund, weshalb die Kosten für die Kurse verhältnismässig hoch sind», sagt die Studienleiterin. Um die Ausgaben decken zu können, betreibt der Verein – und jeder seiner kantonalen Ableger separat – aktives Fundraising. Das ist wiederum mit einem grossen Engagement seitens der Mitarbeitenden verbunden. Und das ist es auch, was Piroska Zsindely nachdenklich stimmt. «Bei diesen Kursen geht es um eine Bevölkerungsgruppe, die diese Unterstützung bitter nötig hat», sagt sie. «Wäre das Angebot in der Regelversorgung drin, könnten die Ressourcen fürs jährliche Fundraising anderweitig eingesetzt werden und die Kurskosten würden deutlich günstiger ausfallen.» Allerdings mussten die Studienautorinnen auch feststellen, dass eine Überführung in die Regelversorgung «an keinem Standort auch nur annähernd kurz bevorsteht».
Standort Winterthur ist im Aufbau
Fundraising ist ein Thema, das auch Moira Trüb und Mirjam Kiener aktuell beschäftigt. Die beiden Absolventinnen des Bachelorstudiengangs Gesundheitsförderung und Prävention bauen den Winterthurer Standort von Mamamundo auf. Ende Oktober 2023 haben die jungen Frauen den dafür nötigen Verein gegründet, den sie seither als Co-Geschäftsleiterinnen führen – zurzeit im Ehrenamt. «Eine unserer grossen Fragen ist tatsächlich, wie wir die Finanzierung der Kurse in den nächsten Jahren sicherstellen können», sagt Moira Trüb, die neben der Arbeit bei Mamamundo als Wissenschaftliche Assistentin am Institut für Public Health der ZHAW tätig ist. Momentan investieren sie und ihre Kollegin iel Zeit, um potenzielle Geldgeber:innen zu finden. «Die erste Zusicherung haben wir bekommen, was natürlich sehr motivierend ist», sagt sie. «Wir hoffen aber, dass wir künftig nicht jedes Jahr 50 Prozent unserer Tätigkeit fürs Fundraising aufwenden müssen.» Diese Zeit würden sie gerne für anderes nutzen, etwa für die Frage, wie Migrantinnen am besten auf das Angebot aufmerksam gemacht werden können. Unterstützung bekommen Moira Trüb und Mirjam Kiener dabei von Studierenden der ZHAW, in deren Räumen die Mamamundo-Kurse durchgeführt werden. Die ersten beiden Geburtsvorbereitungskurse sind bereits fixiert. Sie finden im Herbst 2024 statt und werden von einer Hebamme der ZHAW geleitet. «In der Schweiz sollen alle Frauen, die schwanger sind, dieselben Startbedingungen haben», sagt Moira Trüb. Momentan bestehe hier aber noch eine zu grosse Ungleichheit zwischen Schweizer Frauen und Frauen mit Migrationshintergrund.
«Kein Selbstläufer»
Susanne Grylka und Piroska Zsindely sind in der Schlussphase ihrer Studie. Sie sehen es als grossen Vorteil, wenn die Kurse an einer grösseren Gesundheitsinstitution, die vielleicht sogar ein eigenes Ambulatorium hat, angegliedert sind. «Damit ist die Chance viel grösser, besser und schneller an die Zielgruppe heranzukommen», sagt Studienleiterin Grylka. Zudem könnten Synergien genutzt werden, was gleichzeitig einen positiven Effekt auf die Kosten habe. «Aber», betont sie, «ein Selbstläufer ist das Projekt keinesfalls. » Es werde auch in Zukunft mit viel Aufwand verbunden sein. «Und dafür braucht es weiterhin viele engagierte Personen», fügt Piroska Zsindely hinzu. //