Mal forscht sie in Winterthur, mal in Genf, mal arbeitet sie in Ghana, mal in Luzern: Der Beruf hat Christina Schuler viele Türen geöffnet – und überall ist die diplomierte Pflegefachfrau mit ganzem Herzen dabei.
Von Nina Kobelt
Wenn man sich ihren Alltag anschaut, wird einem fast schwindlig. Christina Schulers Leben spielt sich in Genf ab, aber auch in Ghana, dann wieder in Winterthur oder in Luzern. Mal forscht sie hier, mal arbeitet sie dort. Und trotzdem sieht die 38-Jährige überhaupt nicht gestresst aus, im Gegenteil. Unaufgeregt erzählt sie aus ihrem Leben, und schnell merkt man: Christina Schuler ist vor allem eines – glücklich mit all ihren Jobs und Jöblis.
Sie arbeitet derzeit als wissenschaftliche Mitarbeiterin an der ZHAW, zum Ausgleich als Pflegefachfrau am Kinderspital Luzern, in ihrer Freizeit unterstützt sie als ehrenamtliche Mitarbeiterin eine kleine NGO in Ghana. Und: Sie nimmt am Doktoratsprogramm (PhD) in Global Health an der Uni Genf teil.
Angefangen hat alles in Zug: Dort hat Christina Schuler ihre Ausbildung zur diplomierten Pflegefachfrau gemacht. Zwei Jahre arbeitete sie als solche – und «wollte dann mal in ein afrikanisches Land». Sie meldete sich für einen Kulturaustausch an – und landete ein erstes Mal in Ghana. Was sie damals, mit 24, noch nicht wusste: Sie wird immer wieder dorthin zurückkehren. Christina Schuler lacht verschmitzt, als sie erzählt, was es mit dem westafrikanischen Staat auf sich hat: Die Organisation, bei der sie sich gemeldet hatte, bot einen Kulturaustausch mit Uganda, Kenia oder eben Ghana an. «Letzteres hat mich einfach am meisten interessiert», sagt sie. «Woher die Faszination für dieses Land kam, kann ich gar nicht mehr sagen.» Vielleicht war es ja auch umgekehrt und Ghana ist zu ihr gekommen, irgendwie. Sicher ist: Land und Leute haben es ihr leicht gemacht, sich in sie zu verlieben. Und natürlich die Musik. «Ghana hat tolle Musik!»
Unterwegs in Ghana
Nach diesem Aufenthalt war für Schuler klar: «Ich möchte mehr über Länder im globalen Süden erfahren.» Der Wissensdurst bewog sie dazu, sich für den MAS in International Health am Schweizerischen Tropen- und Public-Health-Institut in Basel anzumelden. Die Masterarbeit wollte sie in Ghana machen und fand in Dr. Faith Agbozo eine ghanaische Betreuerin, die sie nun auch bei ihrer Doktorarbeit begleitet. Seit dem MAS arbeitet Schuler in einer kleinen NGO im Westen von Ghana. «Das lokale Team managt die Programme selbst, ich stehe gelegentlich beratend zur Seite.» Mit dem MAS war Schulers Wissensdurst aber noch nicht gestillt, und sie beschloss, einen Master of Science in Pflege an der ZHAW zu absolvieren.
Wenn es ihre Zeit zulässt, reist Christina Schuler nach wie vor nach Westghana, um bei «ihrer» NGO zu arbeiten oder einfach ihre Kolleg:innen zu besuchen. Es ist ein Mutter-Kind-Projekt, bei dem sie mithilft. «Wir möchten, dass Mütter, ihre Familien und die Neugeborenen einen gelungenen Start ins neue Leben erfahren.» Dazu gibt das Team vor Ort Inputs: Welche Ernährung ist wichtig während der Schwangerschaft? Worauf ist zu achten beider Hygiene oder beim Stillen? Worauf bei der Entwicklung des Kindes?
Auch für ihr Doktorat, das sie voraussichtlich 2025 abschliesst, hat sie in Ghana ein Projekt gefunden. Frauen und ihre Familien werden dabei von der Schwangerschaft bis kurz nach der Geburt begleitet. «In diesem Projekt geht es darum, dass Familien mit zu kleinen oder kranken Neugeborenen eine ganzheitliche, familienzentrierte Betreuung erhalten und der Übergang zwischen Spital und zu Hause verbessert wird.» Das Gesundheitspersonal wie auch die Eltern seien im Projekt involviert. Im Rahmen der Doktorarbeit entwickeln sie gemeinsam ein Programm, das «zu Ghana passt», so Schuler.
…und in der Schweiz
Parallel dazu arbeitet Christina Schuler als wissenschaftliche Mitarbeiterin an der ZHAW in Winterthur. Sie macht Studienberatungen und ist beim Forschungsprojekt «Die Versorgung von Menschen mit neuro-muskulären Erkrankungen in der Schweiz» dabei: «Ich sammle Daten, koordiniere, solche Sachen», sagt sie. Es sei schwierig, ihre Arbeit in einem Satz zu erklären.
Zudem ist sie Trainee beim Projekt «Family Systems Care Unit», in dem Praxis, Lehre und Forschung miteinander verknüpft werden. Konkret heisst das: Dozierende und Studierende beraten Familien, die durch eine Krankheit herausgefordert werden. «Im Blickfeld haben wir die Stärkung des Familiensystems», erklärt Schuler. Da ist es wieder: Das Thema Familie. Und das Bestreben, eine Situation zu optimieren. Wie sie trotz der vielen Aufgaben noch Zeit findet, als Pflegefachfrau zu arbeiten, kann man an Christina Schulers Augen ablesen. Sie leuchten, wenn sie von der Kinderklinik in Luzern spricht. Auch wenn es nur ungefähr einmal im Monat ist, schätzt sie diese Arbeit «am Bett» enorm. «Ich möchte wissen, was in den Spitälern passiert.»
Zwei, drei Jahre wird Christina Schuler noch mit ihrem Doktorat beschäftigt sein. Konkrete Pläne für die Zeit danach hat sie nicht. Aber eine Vorstellung davon, was sie machen möchte: Die praktische Arbeit mit Menschen und deren enge Verknüpfung mit der Forschung interessieren sie. «Deshalb ja auch das Projekt in Ghana. Vor allem in der Pflege können wir nur miteinander weiterkommen. Wenn alle im stillen Kämmerlein vor sich hin werkeln, bringt das nichts. Zumindest nicht bei meiner Arbeit.»
Türöffner Pflegeberuf
Ohne ihr Team vor Ort in Ghana würde sie es nicht schaffen, sagt Schuler deshalb auch. «Ich lerne von allen Beteiligten dort, und sie profitieren im besten Falle von mir.» Und sie kann das Gelernte ja hier anwenden. Auch als Privatperson. «Wir nehmen viele Dinge so ernst. Ein verpasstes Meeting ist hier ein Weltuntergang. Dank meiner Arbeit in Ghana kann ich besser sagen: Das ist jetzt halt so.» Überhaupt findet sie: «Ich lerne dort mehr, als ich mitbringe.»
Ihre Aus- und Weiterbildungen haben Christina Schuler viele Türen geöffnet. «Allerdings muss man diesen Mehraufwand auch betreiben wollen», sagt sie. «Dann kann man aber überall arbeiten.» Selbstredend liebt Christina Schuler die Arbeit mit anderen Menschen. Doch da ist mehr: «Mich interessieren einerseits das Gesundheitswesen und unsere Gesundheit. Anderseits motiviert mich, dass ich etwa mit meiner Forschung dazu beitragen kann, dass es Familien besser geht, die sonst nicht so viel Unterstützung erhalten.» Christina Schuler findet, der Pflegeberuf sei vielfältiger als andere. In ihrem Fall stimmt das hundertprozentig. //