Mit Pflanzenkohle zur «Schwammstadt»

Pflanzenkohle kann dauerhaft CO2 binden, gleichzeitig Wasser speichern und Nährstoffe längerfristig im Wurzelbereich einlagern. Verhilft uns diese dreifache Synergie zu klimafreundlichen Städten? Ein Gewächshausversuch mit Birkensetzlingen zeigt das Potenzial, aber auch die offenen Fragen.

Ein Gastbeitrag von Andreas Schönborn.

Bäume in der Stadt leiden darunter, dass ihr Lebensraum immer mehr eingeschränkt wird. Gründe dafür sind die fortschreitende Bebauung, verdichtete Böden wegen schwerer Fahrzeuge sowie Schadstoffe in Sickerwasser und Luft. Aufgrund dieser schwierigen Bedingungen werden neu gepflanzte Stadtbäume heute kaum mehr als 30 Jahre alt (Roman et al. 2011) – ein Bruchteil der natürlichen Lebenserwartung. Als zentraler Bestandteil der grünen Infrastruktur von Ballungsräumen erfüllen Stadtbäume viele Dienstleistungen für das Ökosystem. Die Bäume beschatten und kühlen nicht nur, sondern bieten darüber hinaus Lebensräume, nehmen Regenwasser auf und entlasten damit die Abwassersysteme. Frühzeitig absterbende Bäume erbringen diese Leistungen nicht mehr ausreichend und bedeuten für die Städte einen grösseren Aufwand.

Abb. 1: Die Skizze zeigt das Konzept für den Einsatz strukturstabiler Baumsubstrate in Städten.

Strukturstabile Baumsubstrate mit Kohle – der Schlüssel für gesunde Stadtbäume?

Eine Möglichkeit, die Gesundheit der Bäume nachhaltig zu fördern und gleichzeitig auch mehr Regenwasser im Wurzelbereich zu speichern, ist der Einsatz von sogenannten strukturstabilen Baumsubstraten (SSB) (Abb. 1). Diese Substrate basieren auf grobkörnigem Schotter, der kaum verdichtbar ist. Bei entsprechender Bauweise lässt sich in den Poren viel Wasser speichern. Davon würde die Wurzelzone der Bäume profitieren, die damit während Trockenperioden mehr Wasser zur Verfügung hat. SSB können auch unterhalb von Strassen eingeplant werden, wenn diese saniert werden müssen (Abb. 1). Ergänzen wir die SSB mit Pflanzenkohle, erhöht die feinporige Struktur der Kohle die Wasserspeicherkapazität nochmals (Abel, et al., 2013). Denn Pflanzenkohle kann ein Mehrfaches ihres Eigengewichts an Wasser speichern. Dies ist schon einige Zeit bekannt und wird besonders in Schweden bereits umgesetzt (Embrén 2016).

Was ist Pyrolysekohle?
Pflanzenkohle wird heute meist aus naturbelassenen Holzschnitzeln in einem Pyrolyseprozess hergestellt. Sie kann Kohlenstoff in Pflanzenkohle langfristig binden, der Atmosphäre entziehen und als negative Emissionstechnologie zum Klimaschutz beitragen. Dass sie auch aus biologischen Abfällen hergestellt werden kann, z. B. aus tierischen und menschlichen Fäkalien, ist eine neue Idee. Pyrolysekohle ist dank der hohen Temperatur während der Herstellung (550˚C) hygienisch unbedenklich. Sie ist, wie ihr Ausgangsmaterial, reich an Nährstoffen und könnte als zusätzlicher Nährstofflieferant für Stadtbäume dienen. Da sich die Pyrolysekohle über lange Zeiträume kaum zersetzt, hat sie das Potenzial, CO2 dauerhaft in städtischen Böden zu binden.
Abb 2: Für den Versuch wurden Birkensetzlinge eingesetzt.

In der hier vorgestellten Studie wurden die Auswirkungen von drei verschiedenen Pyrolysekohlen auf das Wachstum und die Gesundheit von einjährigen Birkensetzlingen (Betula pendula) untersucht. Die Kohlen basierten auf Komposttoilettensubstrat (K) und Pferdemist (P). Zusätzlich wurde eine mit Nährstoffen angereicherte, kommerzielle Pflanzenkohle (V) verwendet. Als Basissubstrat diente eine Mischung von Schotter, Sand und Blähschiefer (Saluz, 2017), jeweils versetzt mit 5 bzw. 10 Vol.-% der drei verschiedenen Pyrolysekohlen. Als Kontrollen wurden das kohlefreie SSB-substrat ohne (Cn) bzw. mit (Cp) zusätzlichem Flüssigdünger eingesetzt. Von allen Ansätzen wurden je fünf Töpfe à 20 Liter mit Substrat gefüllt, bepflanzt und randomisiert in einem Folientunnel aufgestellt. (Abb. 2)

«High noon» im Folientunnel

Der Versuch lief von Juni 2018 bis Mai 2019 während 322 Tagen. Untersucht haben wir die Auswaschung, die Gesundheit, das oberirdische Wachstum und das Wurzelwachstum der Birkensetzlinge. Wir haben sie mit dem Kohlegehalt sowie den Nähr- und Schadstoffen im Sickerwasser verglichen. Gegossen wurde jeder Topf zwei Mal pro Woche mit 1,8 Liter Wasser.

Die Bedingungen waren für die Birkensetzlinge im Hitzesommer 2018 aufgrund folgender Punkte sehr hart:

  • hohe Temperaturschwankungen und zeitweiliges Austrocknen
  • eine Wasserspeicherkapazität, die durch den Kohlegehalt bestimmt wurde
  • anfänglich hoher pH-Wert (aufgrund der Kohlen)
  • keine zusätzliche Düngung (ausser durch die Kohlen)
Abb. 3: Der Salzgehalt im Sickerwasser nahm während der ersten vier Monate deutlich ab.

Die Auswertungen ergaben, dass die wichtigsten Pflanzennährstoffe (Stickstoff, Phosphor und Kalium) in allen drei Pyrolysekohlen reichlich vorhanden waren. Die V- und die P-Pyrolysekohle wiesen dabei sehr ähnliche Nährstoffgehalte auf. Die K-Pyrolysekohle (aus Komposttoiletten) enthielt etwas weniger Kalium und deutlich mehr Stickstoff und Phosphor als die beiden anderen. Die K-Kohle hatte auch die höchste Konzentration an wichtigen Nährstoffen (Kalzium, Magnesium, Eisen, Schwefel) und Spurenstoffen (Kupfer, Zink).

Der Salzgehalt im Sickerwasser – gemessen als elektrische Leitfähigkeit – dient als Mass für die Auswaschung von leicht löslichen Nähr- und Spurenstoffen. Die Unterschiede der Ansätze waren zu Beginn gross: die Kontrollansätze Cn und Cp hatten einen zwei bis fünf Mal geringeren Salzgehalt im Sickerwasser als die Ansätze mit Kohle im Substrat. Nach vier Monaten war er in allen Ansätzen fast identisch. Auch der pH-Wert im Sickerwasser war zu Versuchsbeginn sehr basisch (> pH 10) und sank nach wenigen Monaten auf einen pH von ca. 8. Das zeigt, dass in allen Varianten eine Auswaschung von leicht wasserlöslichen Salzen stattfand, die nach wenigen Monaten abgeschlossen war.

Abb. 4: Die Grafik zeigt das Wurzelvolumen in cm3 nach 322 Tagen Stress im Folientunnel.

Pyrolysekohle – der Rettungsanker

Birken sind Pionierpflanzen und per se hart im Nehmen. Die Birken in den beiden Kontrollansätzen starben trotzdem weitgehend ab, während alle Ansätze mit Pyrolysekohle die Tortur überlebten. Dies ist ein deutlicher Hinweis darauf, dass sich die Zugabe von Pyrolysekohle positiv auf das Überleben der Birkensetzlinge auswirken. Das Wurzelvolumen war am Ende des Versuchs im Durchschnitt rund drei Mal höher als in den Negativkontrollen (Abb. 4). Die Ansätze mit 5 Vol.-% K-Pyrolysekohle waren dabei am vitalsten (Abb. 5). Diese 5 % Kohle reichten also aus, um die Bedingungen für die Birken in den Töpfen deutlich zu verbessern. Das Höhenzuwachs war hingegen vernachlässigbar gering.

Abb. 5: Die Ansätze mit 5 % Kohle aus Fäkalmaterial wirkten bei Versuchsende am vitalsten.
Abb. 6: In einem Testversuch in der Zürcher Giessereistrasse wird CO2-speicherndes Baumsubstrat eingesetzt. (Bild: www.inkoh.swiss)

Was wissen wir, und was noch nicht?

Die Verwendung von Substraten mit Pyrolysekohle aus tierischen und menschlichen Fäkalien führt zu Beginn zur Auswaschung von Salzen. Trotzdem scheint die geringe Menge von 5 Vol.-% der K-Pyrolysekohle für das Überleben und die Vitalität der Birkensetzlinge den entscheidenden Unterschied gemacht zu haben (Abb. 5). Wir vermuten, dass die Erhöhung der Wasserspeicherkapazität durch die Pyrolysekohle ausschlaggebend war. Die überraschende Vitalität der Birkensetzlinge in den Ansätzen mit 5 % Fäkalienkohle (Abb. 5) deutet darauf hin, dass die Wurzeln auch die in der Kohlestruktur gebundenen Nährstoffe erschliessen können. Kohlehaltige Baumsubstrate, als Teil der Schwammstadt, wie sie z.B. in der Zürcher Giessereistrasse eingebaut wurden (Abb. 6), könnten also in Zukunft dazu beitragen, dass es unseren Stadtbäumen und dem Stadtklima in Zukunft wieder besser geht, inklusive einer langfristigen CO2-Bindung.

Danksagung & Dokumentation

Diese Arbeit wurde finanziert durch das Bundesamt für Umwelt BAFU (UTF 570.28.17). Vielen Dank an Mira Bleuler und Andrea Saluz für die Konzeption und Durchführung dieser Studie sowie an Nikita Krähenbühl und Tal Hertig für die Durchsicht und Unterstützung bei der Datenauswertung. Das Experiment ist ausführlich dokumentiert in Saluz et al, 2022.

Literatur

Abel, S., Peters, A., Trinks, S., Schonsky, H., Facklam, M., & Wessolek, G. (2013). Impact of biochar and hydrochar addition on water retention and water repellency of sandy soil. Geoderma (202-203), S. 183-191.

EBC (2012) ‘European Biochar Certificate (EBC) – Richtlinien für die Zertifizierung von Pflanzenkohle’, Ithaka Institute, Arbaz, Switzerland. http://www.european-biochar.org, Version 9.3G vom 11. April 2021, doi: 10.13140/RG.2.1.4658.7043.

Embrén, B. (2016) ‘Planting Urban Trees with Biochar’, the Biochar Journal, pp. 44–47.

Roman L. A., Scatena F. N. (2011) Street tree survival rates: Meta-analysis of previous studies and application to a field survey in Philadelphia, PA, USA Urban Forestry & Urban Greening 10 (2011) 269– 274

Saluz, A. (2017): Entwicklung eines strukturstabilen Stadtbaumsubstrates mit Pflanzenkohle. Forschungsbereich Urbane Ökosysteme, Forschungsgruppe Pflanzenverwendung der Zürcher Hochschule für Angewandte Wissenschaften ZHAW

Saluz, A.G.; Bleuler, M.; Krähenbühl, N.; Schönborn, A., 2022. Quality and suitability of fecal biochar in structurally stable urban tree substrates. Science of the Total Environment. 838, Part 3(156236). Verfügbar unter: https://doi.org/10.1016/j.scitotenv.2022.156236


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