Anonymisierte Bewerbungen – bessere Personalselektion

50plus Chancen und Risiken auf dem Zürcher Arbeitsmarkt

Hans Willi

Bedenkliches Treiben am Arbeitsmarkt

Neueste Publikationen rütteln die Akteure im Arbeitsmarkt auf. Die differenzierte Studie „50plus, Chancen und Risiken auf dem Zürcher Arbeitsmarkt“ des Amtes für Wirtschaft und Arbeit der Volkswirtschaftsdirektion des Kantons Zürich (September 2016) weist nach, dass ältere Arbeitnehmerinnen und Arbeitnehmer bei der Stellensuche mit erhöhten Schwierigkeiten konfrontiert sind. Die Gründe liegen dabei nur teilweise in veralteten Qualifikationen. Es muss, und das in gewissen Branchen ganz deutlich, von einer eigentlichen Altersdiskriminierung ausgegangen werden. Opfer sind dabei auch gut Qualifizierte mit einem aktuellen Know-how. Und dies trotz angeblichem Fachkräftemangel und der andauernden hitzigen Diskussion über eine Erhöhung des Rentenalters auf 67 Jahre.

Erwiesen ist weiter, dass Arbeitssuchende mit gewissen Endungen im Familiennamen, ebenfalls unabhängig von deren Qualifikation, mit erhöhten Schwierigkeiten auf dem Arbeitsmarkt konfrontiert sind. Diverse Forschungsresultate belegen zudem, dass Frauen und Angehörige ethnischer Minderheiten auf dem Arbeitsmarkt gegen sachlich nicht zu rechtfertigende Benachteiligungen kämpfen müssen.

Anonymisierte Bewerbungen helfen

Die Verhaltensökonomin Iris Bohnet, Professorin an der Harvard Kennedy School und Verwaltungsrätin der Credit Suisse, weist in ihrem Buch „What works Gender Equality by Design“ (Harvard University Press, 2016) nach, dass anonymisierte Lebensläufe oder die Rekrutierung über das Stellen einer Aufgabe statt der Analyse eines Lebenslaufes dazu führen, dass sachlich ungerechtfertigte Barrieren abgebaut werden.

Es geht aber nicht nur um die Vermeidung von Diskriminierung, sondern vor allem auch darum, die Bestqualifizierten im Rahmen von Rekrutierung und Selektion zu identifizieren und zum Eintritt in die Organisation zu motivieren. Diese Bestqualifizierten werden in der Regel auch den höchsten Beitrag an die Wertschöpfung des Unternehmens leisten. Da sollten doch in einer auf Effektivität getrimmten Wirtschaft Geschlecht, Alter und Herkunft eine untergeordnete Rolle spielen.

Kein Abweichen vom Grundsatz der Vertragsfreiheit

Das Plädoyer für die Einführung anonymisierter Bewerbungen soll aber den Grundsatz der Vertragsfreiheit nicht aufweichen. Es darf keine Rechtspflicht erwachsen, die im Rahmen einer anonymisierten Bewerbung identifizierte, bestqualifizierte Person auch anzustellen. Es muss möglich sein, ohne weitere Begründung eine derartige Bewerbung nicht zu berücksichtigen. Die Tatsache jedoch, dass dank anonymisierter Bewerbungen Personen in die engste Wahl kommen, die bei  herkömmlicher Rekrutierung bereits früh ausgesiebt worden wären, erhöht gleichwohl deren Chancen auf eine Anstellung. Letztlich sollte in der Betriebswirtschaft doch der Beitrag zur Wertschöpfung zählen.


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