Weshalb KMU von HR-Moden Abstand nehmen sollten

Figur mit leeren Hosentaschen

Prof. Dr. Peter Meyer

KMU sind mehrheitlich knapp bei Kasse, genau wie Grossunternehmen mit tiefen Margen. Für beide ist es entscheidend, dass sie die meist hohen Personalkosten möglichst effizient einsetzen. Man sollte meinen, HR sei gerade dazu da, dies zu unterstützen. Leider ist dies aber lange nicht überall der Fall. Vielmehr finden wir in der Praxis Initiativen und Konzepte, die sich in erster Linie aus Modethemen speisen und deren Beitrag zum effizienten Einsatz der Finanzmittel kaum je diskutiert und noch weniger überprüft wird. Typischerweise stammen solche Initiativen und Konzepte ursprünglich aus den HR-Abteilungen von grossen Unternehmen mit üppigen Margen.

Als Beispiel soll hier der War for Talents und die demographische Entwicklung dienen. Beide haben eine Flut von Initiativen im Bereich des Talentmanagement ausgelöst, obwohl es sich bei diesen zwei Trendthemen der letzten 15 Jahre doch um sehr langfristig relevante, potenzielle Probleme handelt. Immerhin steigt gemäss BfS die Zahl der Erwerbstätigen noch mindestens bis ins Jahr 2020 – ohne dass eine einzige Person zuwandert. Da es schwierig ist, auf lange Frist Angebot und vor allem Nachfrage vorherzusagen, ist es meist betriebswirtschaftlich nicht sinnvoll, möglichst früh Aufwand zur Lösung solcher möglicher Probleme zu betreiben. Denn deren Nutzen wird sich erst in weiter Zukunft einstellen und ein solcher Nutzen muss grundsätzlich abgezinst werden. Ein üblicherweise in der Ökonomie vorgeschlagener Zinssatz liegt bei ungefähr 4%. Selbst wenn also ein (allerdings unsicherer) Nutzen durch Massnahmen entstehen sollte, der doppelt so hoch ist wie deren Kosten, ist dieser nach 10 Jahren nur noch wenig höher als diese ursprünglichen Kosten.

Hinzu kommt noch etwas viel bedeutenderes: Das Geld, das für Probleme der ferneren Zukunft ausgegeben wird, fehlt heute für die Lösung dringender Probleme der Gegenwart und der nahen Zukunft. Und wer dringende Probleme nicht löst, lebt im schlimmsten Fall gar nicht lange genug, um die mickrigen Früchte seiner langfristigen Investitionen zu geniessen.

Ein anschauliches Beispiel für die Probleme, die bei der Missachtung solcher Opportunitätskosten entstehen stammt aus der Managementweiterbildung: Nach einer sehr sorgfältigen strategischen Analyse kam eine Gruppe von (ausserordentlich talentierten) HR-Managern unter anderem zum Schluss, dass die dringendste Aufgabe des Unternehmens darin bestand, seine extrem knappe Liquidität zu erhöhen. Für die HR-Strategie schlug dieselbe Gruppe dann u.a. die Einführung eines Talentmanagements vor, das schon im ersten Jahr die gesamte Liquidität des Unternehmens verdampft hätte. HR sollte also die Opportunitätskosten seiner langfristig angelegten Initiativen sehr genau berechnen.

Was hier am Beispiel zweier langlebiger Moden dargestellt wurde, lässt sich aber auch auf andere Themen übertragen. Initiativen im Employer Branding (wir wollen attraktiv sein für die Generation Z – vergessen wir die Generation X), im Performance und Compensation Management oder in der Reorganisation von HR müssen ihren Nutzen genauso abzinsen und Opportunitätskosten berücksichtigen. Voraussetzung ist allerdings, dass ein Nutzen jeweils überhaupt erkennbar ist.

Übrigens: Gute Beispiele finden sich bei KMU viele, sie haben es nur noch nicht geschafft, als Best Practice ernst genommen zu werden.


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