Welcome to India! Ich teile mit dir meine Erinnerungen an meinen viermonatigen Aufenthalt auf dem indischen Subkontinent. Dort habe ich gemeinsam mit einer Mitstudentin, die wie ich auch an der ZHAW im Master Organisationskommunikation studiert, drei Monate am MICA in Ahmedabad, einer Partnerhochschule der ZHAW, verbracht. Im Anschluss an dieses eindrückliche Auslandstudium haben wir für rund einen Monat den Süden des Landes bereist, bevor wir im Herbst wieder in die Schweiz zurückgekehrt sind.
Von Jasmin Zihlmann, Studentin Masterstudiengang Angewandte Linguistik, Vertiefung Organisationskommunikation
Schwüle Luft schlägt mir entgegen, als ich die klimatisierten Hallen des Flughafens von Ahmedabad verlasse und unserem Fahrer auf den Parkplatz folge. Obwohl es erst morgens um vier Uhr ist, herrscht hier bereits reges Treiben – hupende Autorikschas, streunende Hunde und diverse Händler, die ihre Ware anpreisen, blockieren die Strassen. Ich wische mir den Schweiss von der Stirn und atme diesen neuen Duft ein: ein Gemisch aus Benzin, frittierten Speisen und Räucherstäbchen. Noch etwas schlaftrunken nehme ich alles wahr und lasse es auf mich wirken.
MICA – The School of Ideas
Das Mudra Institut of Communications MICA – auch bekannt als «The School of Ideas» – ist eine Business-Management-Hochschule in Ahmedabad im Staat Gujarat, die sich auf Strategische Kommunikation und Marketing spezialisiert hat. Die Vision der Schule ist es, ExpertInnen im digitalen Marketing und der Kommunikation im Zeitalter der digitalen Transformation auszubilden. MICA sieht Marketing als eine Lebensweise; das heisst Theorie und Praxis werden eng miteinander verknüpft, was sich in der grossen Vielfalt an Unterrichtsfächern zeigt. Ich besuche zum Beispiel:
- Marketing Analytics
- Strategic Communication
- Consumer Insights Mining
- Online User Behaviour
- Imagining India
- Cultural Context of Communication
- Luxury Branding
Kreatives Denken, Design und Problemlösungsstrategien stehen im Zentrum der Lehre des MICA. Die Schule arbeitet mit Forschern und Vordenkern aus den USA zusammen, aber auch mit Industriepartnern, um in der Forschung unterschiedliche Perspektiven zu gewährleisten und den Studierenden einen Einblick ins zukünftige Berufsleben zu geben. Ich und meine Kollegin absolvieren das Post Graduate Diploma in Management-Communications. Das MICA bietet zusätzlich die beiden Studiengänge Fellow Program in Management-Communications sowie Crafting Creative Communication an.
Der Aufnahmeprozess für die Schule ist sehr streng – aus rund 10’000 Bewerbenden werden knapp 300 Studierende anhand von Online-Prüfungen und mündlichen Interviews ausgewählt. Kein Wunder wird es deshalb als Privileg gesehen, hier am MICA studieren zu dürfen. Was auch im Verlauf der Einführungswochen immer wieder betont wird.
Ein Campus inmitten einer grünen Oase
Der MICA Campus befindet sich rund 15 km ausserhalb der Stadt, eingebettet in einer wunderschönen grünen Oase mit einer überwältigenden Flora und Fauna. Fast wie in der Masoala-Halle im Zoo Zürich, nur, dass unser Aufenthalt nicht wenige Stunden dauert, sondern sich über drei Monate hinweg erstreckt. Klimaanlagen, Erfrischungsgetränke mehrmaliges Duschen und Kleiderwechseln gehören hier zur Tagesordnung – obwohl die Temperaturen mit dem Einsetzen der Regenzeit nun etwas sinken und das Alltagsleben allgemein erträglicher wird.
Die Studierenden des MICA wohnen in verschiedensten Hostels auf dem Hochschulgelände und teilen sich jeweils zu zweit ein Zimmer. Dass das jeweilige Hostel zu einem zweiten Zuhause wird, zeigt sich daran, dass Wände kunstvoll bemalt, Ventilatoren gekauft und Musikinstrumente mitgeschleppt werden – ist es für die meisten doch das erste Mal, dass sie von Zuhause wegziehen. Zum Wohlbefinden eines jeden MICAns tragen aber auch die unterschiedlichsten Campuseinrichtungen wie ein hochschuleigener Wäsche- und Zimmerreinigungsservice sowie das leckere Essen in der grossen, aber unglaublich lärmigen Kantine sowie der Chhota, dem charmanten 24/7 Open-Air-Kiosk, bei. Dieser hat bereits nach der ersten Woche aufgrund des dort angebotenen leckeren Fruchtsalates unser Herz erobert – sind Reis und scharfes Linsen-Dal doch nicht unbedingt die Speisen, die unsere westlichen Mägen frühmorgens gewohnt sind.
Das schönste und wohl exotischste Gebäude hier auf dem Campus ist das Auditorium, das anscheinend sogar über die Staatsgrenzen hinweg aufgrund seiner Einzigartigkeit bekannt ist: Die Studierenden sitzen nicht wie sonst üblich auf unbequemen Stühlen, sondern fläzen auf gemütlich arrangierten, farbigen Sitzkissen, auf denen man manchmal Gefahr läuft, sich in Tagträumereien zu verlieren, statt dem Unterricht zu folgen. Dass vor dem Betreten der Aula die Schuhe ausgezogen werden, ist eine Selbstverständlichkeit. Obwohl die Dozierenden keine Schuhe tragen, büssen sie keinesfalls an Seriosität ein. Neben dem regulären Unterricht können sich Studierende für das Musikfestival, den Literaturklub oder in der Studentenband engagieren. Ein vielfältiges Sportangebot bietet ebenfalls eine willkommene Abwechslung zum kopflastigen Studium.
«Swissness trifft indische Offenheit»
Der grösste Kulturschock, wenn man überhaupt von einem solchen sprechen darf, sind nicht etwa die tropischen Temperaturen oder die scharfen Speisen, sondern schlicht und einfach die Leute des Landes selbst. Selten habe ich Menschen mit solch einer grossen Lebensfreude, beneidenswerten Enthusiasmus für die kleinen und grossen Dinge des Lebens und unerschöpflichen Hilfsbereitschaft kennengelernt. Natürlich profitieren wir hier als Schweizerinnen vom Ausländerbonus und werden deshalb nochmals speziell umsorgt. Ein indisches Sprichwort sagt, dass Gäste wie Götter behandelt werden sollen – und so fühlen wir uns hier auch. Die Studierenden, Dozierenden und Angestellten des Campus tun wirklich alles, um unseren Aufenthalt so angenehm wie möglich zu gestalten.
Da die wenigsten indischen Studierenden bis jetzt das Land verlassen haben, werden wir quasi als Vertreterinnen für ganz Europa wahrgenommen. Das äussert sich in ihren unermüdlichen Fragen über Kultur, Land und Leute sowie an den ihnen bestens bekannten typischen Schweizer Stereotypen. Der landesweit bekannte Bollywood-Streifen DDLJ wurde zum Teil in den Schweizer Bergen gedreht! Nicht zu vergessen sind die heiss begehrten Schweizer Sportidole Roger Federer und Xherdan Shaqiri, welche hier ganz zu unserem Erstaunen in aller Munde sind.
Genauso interessiert wie die indischen MitstudentInnen an unserer Kultur sind, sind sie auch schonungslos darin, uns in die ihre einzuführen und uns mit ihrer reichhaltigen Geschichte, ihren Bräuchen und ihren Umgangsformen vertraut zu machen. Sobald sich die Möglichkeit bietet, sich in irgendeiner Form mitzuteilen – sei dies im Klassenverband, als Tänzer oder Sänger auf der Bühne oder einfach nur durch das Mitfiebern bei einem Cricket-Spiel oder einem Bollywood-Streifen, nutzen sie enthusiastisch die Gelegenheit.
Im Gespräch mit Mitstudierenden überraschte uns auch, dass sie offen mit uns auch über kritische Themen wie das Kastensystem oder Zwangsheiraten gesprochen haben. Und das in den verschiedensten Dialekten: Unsere KollegInnen kamen aus den unterschiedlichsten Landesteilen wie Delhi, Mumbai, Kalkutta, Kerala oder Chennai. Trotz dieser unglaublichen sprachlichen Vielfalt des Landes haben nicht nur wir, sondern sogar auch die Studierenden untereinander Mühe, sich reibungslos zu verständigen. Aber an einer Schule, die sich Kreativität in jeglicher Form der Kommunikation auf die Fahne schreibt, stellt dies mehr eine willkommene Herausforderung als eine unüberwindbare Hürde dar.
MICANs verbessern die Welt
Dank ihrer Art können sich unsere indischen Mitstudierenden sehr gut in der Arbeitswelt behaupten. Ihr starkes Mitteilungsbedürfnis und der Wille, aus der Masse herauszustechen und die Welt zum Positiven zu verändern, rührt wohl daher, dass sie sich als Studierende am MICA als Privilegierte verantwortlich fühlen, die akuten gesellschaftlichen Probleme in ihrem eigenen Land anzugehen und Lösungen zu finden. Dies lässt mich immer wieder nachdenklich stimmen, wenn ich an unsere, im Vergleich doch sehr fortschrittlichen, westlichen Verhältnisse denke, welche uns vieles für selbstverständlich nehmen lassen. Mir hat es jedenfalls einen enormen Motivationsschub verliehen, diese top motivierten Studierenden kennenzulernen, von denen viele bereits eine sehr genaue Vorstellung davon haben, wie sie in Zukunft die Welt verändern möchten.
Um diesem Drang nach Selbstverwirklichung Raum zu geben, lud das MICA während der Einführungswoche Manan Vora von TING, einer Digital- und Kreativagentur ein. Vora erzählte seine Story wie er vom MICAn zum Entrepreneur wurde und was heutzutage gutes Entrepreneurship ausmacht.
Seiner Meinung nach bestehen die wichtigsten Eckpfeiler eines guten Unternehmertums in erster Linie aus:
- Leidenschaft für die eigene Idee
- harte Arbeit
- Vertrauen ins Universum
- der eigenen Überzeugung
- positivem Denken
- und nicht zuletzt guten Freunden
Als Abschluss legte er uns ans Herz, wie wichtig es ist, authentisch zu sein und sich dadurch einen USP (Unique Selling Point) aufzubauen und mit voller Überzeugung für sich selbst und das eigene Geschäftsmodell einzustehen. Es sei aber auch nicht falsch, gerade am Anfang, andere Menschen oder Idole als Inspirationsquelle zu haben, von ihnen zu lernen und inspirieren zu lassen.