Deutsch unterrichten in Jordanien? Während drei Monaten erhielt Jasmin Hirt im Rahmen des Praktikumssemesters im Bachelorstudiengang Sprachliche Integration vielseitige Einblicke ins Deutschlehrerinnen-Dasein an der German Jordanian University (GJU). Zusammen mit einer Co-Lehrerin hat sie dort Deutschunterricht auf Niveau A1 und A2 geleitet. Über ihre Erfahrungen in der fremden Stadt Madaba erzählt die Studentin im Beitrag.
Autorin: Jasmin Hirt, Studentin Bachelor Sprachliche Integration
Mein erster Morgen am German Language Center der German Jordanian University (GJU) in Madaba startet intensiv für mich: Ich unterrichte zuerst eine halbe Stunde im Deutschkurs Niveau A1, anschliessend darf ich im A2-Kurs den ganzen Einleitungsteil übernehmen. Ich stelle den Studierenden eine Frage im ‚Perfekt‘, die sie dann wiederum im Perfekt beantworten müssen, um die Zeiten zu lernen. Ich unterrichte zwar zusammen mit einer Co-Lehrerin, trotzdem bin ich etwas nervös.
Meine Deutsch-Klassen bestehen aus rund zwanzig Studierenden zwischen 18 und 22 Jahren. Sie alle studieren im Hauptfach Logistik, Informatik oder Elektroingenieurwesen und besuchen das obligatorische Nebenfach Deutsch. Das bietet ihnen die Möglichkeit, im letzten Jahr ihres Bachelorstudiums nach Deutschland zu gehen, um dort weiter zu studieren.
Ich kann in Jordanien verschiedene an der ZHAW erlernte Unterrichtsprinzipien, wie beispielsweise die Handlungsorientierung, das entdeckende Lernen und das zielorientierte Lernen im Deutschunterricht ausprobieren. Es stellt sich zudem als hilfreich heraus, dass ich mich im Studium bereits intensiv mit der Unterrichtsplanung sowie dem Zusammenhang von Kultur und Identität auseinandergesetzt habe.
Dank der Möglichkeit, ein Praktikum in Jordanien zu machen, kann ich wertvolle Erfahrungen im Unterrichten sammeln und Tipps von meinen Co-Lehrerinnen erhalten. Dadurch stehe ich nun viel lockerer vor einer Klasse. Die vielen Inputs und Erfahrungen werden meine zukünftige Tätigkeit als Deutschlehrerin nachhaltig prägen.
Ankommen in einer neuen Kultur und Sprache
Nach dem ersten Unterrichtstag nimmt mich meine Co-Lehrerin Ghadeer für die Mittagspause mit ins Lehrer:innenzimmer. Während dem Mittagessen haben wir eine sehr spannende und offene Diskussion über die Unterschiede zwischen Deutschland, der Schweiz und Jordanien, über das Gendern sowie Homosexualität, Transsexualität und Religion. Obwohl für meine Kolleg:innen diese Themen eher fremd sind, können wir ein sehr offenes Gespräch führen.
Nach diesem intensiven Morgen und der spannenden interkulturellen Mittagspause treffe ich meinen Arbeitskollegen Othmane. Er hilft mir bei der Wohnungssuche vor Ort. Die ersten Tage in Jordanien habe ich nämlich in einem Hotel in der Stadt Madaba verbracht. In der ersten Wohnung, die wir anschauen, wohnt zu diesem Zeitpunkt noch ein Freund von Othmane, Yasin. Er fliegt aber für sein Austauschjahr nach München. Beide kommen aus Marokko und leben erst seit circa drei Jahren in Jordanien. Wir stellen uns gegenseitig vor, kommen schnell ins Gespräch und auch der anwesende Vermieter Ahmad wirkt sehr nett. Ich merke bald, dass man hier verhandeln muss, wenn es um den Mietpreis für die Wohnung geht. Nach einer kurzen Diskussion können wir uns aber auf einen fairen Preis einigen.
Trotz der Erschöpfung durch all die neuen Eindrücken möchte ich noch etwas essen. Ich entscheide mich für ein typisches lokales Gericht: «Sandwichet Schawarma» – gewürztes Poulet mit Knoblauchsauce und Yoghurt, mit einem Fladenbrot umwickelt. Die Bestellung mache ich auf Arabisch, worauf ich besonders stolz bin. Hier merke ich plötzlich, wie viel ich im Arabischunterricht im Modul Kontrastsprache des Bachelors Sprachliche Integration gelernt habe. Ab diesem Zeitpunkt nehme ich mir vor, wann immer möglich mit Jordanier:innen Arabisch zu sprechen. Da in Madaba sowieso viele Leute kein Englisch sprechen, ist das die ideale Gelegenheit für mich, mein Arabisch weiterzubringen.
Später werden Yasin und ich von Othmane zu einem «Kunafa» – eine Süssigkeit mit Pistazien und einem speziellen Schmelzkäse – eingeladen als Abschiedsgeschenk für Yasin und Willkommensgeschenk für mich.
Ein unvergesslicher erster Tag eines prägenden Auslandsemesters
Nach dieser kulinarischen Pause fahren wir mit dem Bus zu meiner zukünftigen Wohnung und wir warten fast zwei Stunden auf den Vermieter. Ich bekomme marokkanischen Tee serviert, der nur in Marokko gekauft werden kann und für Yasin und Othmane ungefähr den gleichen Stellenwert hat wie Gold. Endlich kommt dann der Vermieter und ich unterschreibe den Vertrag für meine Wohnung. Yasin und Othmane stehen mir während diesem ganzen Prozess helfend zur Seite – keine Selbstverständlichkeit! Ein langer und intensiver erster Tag in Madaba geht zu Ende.
Während meines Praktikumssemesters in Jordanien bin ich in eine für mich gänzlich neue Kultur eingetaucht. Diese Erfahrung wird mich mein ganzes Leben lang begleiten. Jordanien ist ein schönes Land mit vielen magischen Tälern und sehr hilfsbereiten, herzlichen Menschen. Und ich weiss nun definitiv, dass ich gerne Deutsch unterrichte und in Zukunft zusammen mit Menschen arbeiten möchte.
German Language Center der German Jordanian University (GJU)