Sozialpädagogin für Asylsuchende

Direkter Berufseinstieg nach dem Bachelor Sprachliche Integration

Zum ersten Mal schliessen in diesem Herbst Studierende das Studium «Sprachliche Integration – Deutsch als Fremd- und Zweitsprache» ab. Eine von ihnen ist Annik Broger, die sich mit ihrem Fachwissen im Bundesasylzentrum Kreuzlingen einbringt und unbegleitete, minderjährige Asylsuchende als Sozialpädagogin begleitet. 

von Joshua Bartholdi

Absolventin-Portrait mit Annik Broger

Als Annik ihr Studium startete, hegte sie den Wunsch, Menschen in der Schweiz zu unterstützen, die ihre Heimat verlassen mussten. Zuvor hatte sie die Lehre als Fachfrau Betreuung in einer Kita absolviert. Dabei kam sie auch mit Kindern und Eltern in Kontakt, die kaum Deutsch konnten. Gerade bei Elterngesprächen führte das zu Schwierigkeiten. Diese Erfahrungen bestärkten sie, den neuen Studiengang «Sprachliche Integration» an der ZHAW in Angriff zu nehmen. Für sie war klar, dass sie nach dem Studium in den pädagogischen Bereich zurückkehren möchte. Als Sozialpädagogin für unbegleitete, minderjährige Asylsuchende (umA) verbindet sie nun ihre beiden Ausbildungen.

Annik war wichtig, dass sie gleich nach dem Studium Fuss in der Berufswelt fasst. Deshalb bewarb sie sich frühzeitig und konnte bereits im Juli – also noch vor dem offiziellen Abschluss des Bachelorstudiums – ihre Stelle bei der Asylorganisation Zürich (AOZ) im Bundesasylzentrum Kreuzlingen antreten. Die Bachelorarbeit nebst einem Vollzeitpensum abzuschliessen, sei zwar anstrengend, aber machbar gewesen, sagt sie. Ausserdem habe sie sich schnell in ihre Rolle und Funktionen eingearbeitet, auch wenn gerade einige Änderungen im Bundesasylzentrum Kreuzlingen anstehen. So werden z.B. seit dem Frühling neuerdings auch unbegleitete Minderjährige untergebracht. Die Mithillfe beim Aufbau der umA-Betreuung gehört zu den Hauptaufgaben von Annik. Als Bezugsperson ist sie für die Betreuung im Alltag, die Terminplanung und die Grundversorgung zuständig. Hinzu kommen administrative Aufgaben, wie z.B. die Dossier- und Fallführung, oder regelmässige persönliche Gespräche mit den meist jungen Männern, wie sie im Rahmen des Bezugspersonensystems vorgesehen sind. Die Planung und Durchführung von Tages- und Freizeitaktivitäten fällt ebenfalls in ihre Verantwortlichkeit. Für sie wie auch für die Jugendlichen zählen die Ausflüge zu den Highlights. Vor Kurzem haben sie beispielsweise den Barfussweg in Appenzell beschritten und sind anschliessend mit der Rodelbahn gefahren. Das sind spezielle Momente, in denen sie sieht, wie viel Spass die Jugendlichen haben und wie dankbar sie sind, ausserhalb des Bundesasylzentrums etwas zu erleben. Sie fügt hinzu: «Es ist auch ein Highlight, dass ich immer wieder neue Wörter lerne, ohne dass ich es beabsichtige, sei es nun Türkisch oder Paschtu.»

Die Bedeutung von Sprache in ihrer Arbeit

Sprache spielt eine wichtige Rolle in der Arbeit von Annik. Es sei nicht immer einfach, sagt sie und erzählt, dass sie mit Englisch meistens zu Recht komme. Oder mit Übersetzungstools wie Google Translate. Das setzt aber die Alphabetisierung in der entsprechenden Sprache voraus. Für einige Sprachen, wie z.B. Englisch und Türkisch, gibt es zwar die Funktion der mündlichen Spracheingabe. Bei Paschtu kommt man jedoch nicht darum herum, den Text manuell einzutippen. Deshalb entstehen gelegentlich auch Missverständnisse, weil Sätze von den digitalen Tools einfach falsch übersetzt werden. So ist es manchmal das Naheliegendste, eine Person aus dem Team zu fragen. «Wir haben ein recht vielseitiges Team im Haus, was Sprachen betrifft», betont Annik. Ausserdem werden seit rund einem Monat Deutschkurse angeboten. Sie ist zwar nicht direkt in die Kurse involviert, beteiligt sich aber an einem Ergänzungsangebot in den Ferien. Darauf angesprochen, wie sich das Studium auf ihre Arbeit auswirkt, hebt sie das Modul Migrationsgeschichte und -recht hervor: «Aufenthaltsbewilligungen, Dublin-Verfahren, F-Status – das sind Begriffe, die ich jetzt im beruflichen Alltag sehr oft höre und brauche und dank dem Studium auch einordnen kann.»

Integration durch Kultur und Zusammenarbeit

Annik erlebt und beschreibt Integration als etwas zutiefst Wechselseitiges. Es gehört für sie dazu, den Jugendlichen die Schweizer Kultur näherzubringen. Deshalb plant sie momentan Workshops zu verschiedenen Themen, sei es zum Leben in der Schweiz, zu Umgangsformen, dem Arbeiten in der Schweiz, zum Schulsystem oder zu Feiertagen. Apropos Feiertage: Den 1. August haben sie im Bundesasylzentrum Kreuzlingen gemeinsam mit Schweizer Volksmusik, Tanz, Schweizerfahnen und dem Film Schellenursli gefeiert. Bei den gemeinsamen Grilladen wiederum lassen die Jugendlichen gerne Musik aus ihrer Heimat auf den mobilen Musikboxen laufen. Sie fordern sich gerne untereinander auf, Lieder aus ihren Ländern zu teilen oder sich gegenseitig Tänze beizubringen. So erklingt mal Musik aus Afghanistan, mal aus Marokko, Algerien oder Somalia.

Was die nächsten Wochen und Monate bringen werden, weiss Annik noch nicht. Im Bundesasylzentrum ist momentan vieles im Aufbau und Umbruch. Sie freut sich auf diese Herausforderungen, für die sie sich durch das Bachelorstudium in Sprachlicher Integration gut vorbereitet und ausgerüstet weiss.



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