KI Wie Jugendliche und junge Erwachsene über emotionale Künstliche Intelligenz denken

«Science Fiction Prototyping» – Wie Jugendliche und junge Erwachsene über emotionale Künstliche Intelligenz denken

Könnten sich Jugendliche und junge Erwachsene eine Freundschaft mit emotionaler Künstlicher Intelligenz (KI) vorstellen? Mit dieser Frage beschäftigt sich das Projekt „Immersive Science Fiction Prototyping“. Tabea Jacober und ich, beides Studentinnen im Bachelor Kommunikation, haben dazu Strasseninterviews mit 15- bis 29-Jährigen geführt und analysiert, wie junge Menschen über Freundschaft und KI reden. Erkenntnisse aus den Interviews flossen in ein VR-Szenario ein, das Jugendliche und junge Erwachsene nun im Swiss Science Center Technorama Winterthur testen können.

Ein Projektbericht von Seraina Kaufmann (und Birgitta Borghoff, Leitung Projektseminar)

Das Wissenschaftskommunikationsprojekt „Den Alltag mit emotionaler Künstlicher Intelligenz erleben – Immersive Science Fiction Prototyping für verantwortungsvolle Innovation“ – ein Kooperationsprojekt des Instituts für Wirtschaftsinformatik (IWI) und des Instituts für Angewandte Medienwissenschaft (IAM) der ZHAW – fördert den öffentlichen Dialog zwischen Wissenschaft und Gesellschaft am Beispiel des Themas „Freundschaft mit emotionaler KI“. In einem virtuellen Szenario erleben Jugendliche und junge Erwachsene eine Geschichte, dessen Verlauf sie durch ihre Entscheidungen beeinflussen können. Sie ziehen ein in eine globalisierte, von engem Wohnraum und autonomem Fahren geprägte Schweizer Stadt. In der WG der Zukunft entscheiden die jungen Menschen über ihr Zusammenleben mit emotional intelligenten digitalen Assistenten und erleben hautnah, wie Technologien, die menschliche Emotionen erkennen und interpretieren, ihr Verständnis von Freundschaft verändern. Das Projekt wird vom Schweizerischen Nationalfonds (SNF) ermöglicht. Ziel ist ein aktiver Austausch und gegenseitiges Zuhören zwischen Forschenden und Laienpublika von Jugendlichen und jungen Erwachsenen.

«Science Fiction Prototyping» – Wie junge Menschen über emotionale Künstliche Intelligenz denken

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Die beiden Studentinnen Tabea Jacober (links) und Seraina Kaufmann (rechts) aus dem Bachelor Kommunikation durften bei einem Forschungsprojekt ihrer Dozentin Birgitta Borghoff mitarbeiten.

Tabea Jacober und ich konnten im ProjektPlus „SciFi Prototyping zu Freundschaft mit emotionaler KI“ im Bachelor Kommunikation an diesem spannenden Forschungs- und Entwicklungsprojekt mitarbeiten. Unser Auftrag bestand darin, Haltungen von Jugendlichen und jungen Erwachsenen zum Thema Freundschaft sowie Freundschaft mit KI zu erfassen. Dabei ging es insbesondere um die Frage, ob sich Personen der anvisierten Zielgruppe im Alter von 15 bis 29 Jahren eine Freundschaft mit KI vorstellen könnten.

Daten erheben und auswerten anhand von Strasseninterviews

Wie Jugendliche und junge Erwachsene über emotionale Künstliche Intelligenz denken

Nachdem wir uns ins Thema eingelesen und wichtige Erkenntnisse der bisherigen Forschung in Form von Memos zusammengefasst hatten, entwickelten wir einen Gesprächsleitfaden. Wir begaben uns dann auf die Strassen von Winterthur und Zürich und führten 30 qualitative Interviews mit Jugendlichen und jungen Erwachsenen. Wir befragten Personen der Zielgruppe zu ihren Erwartungen an Freundschaften, zu Erfahrungen mit Online-Freundschaften sowie zur aktuellen und potenziellen Nutzung von KI. Ausserdem wollten wir mehr über die Einstellungen der Zielgruppe gegenüber KI im Allgemeinen und emotionaler KI im Speziellen herausfinden. Die Beschreibung des/der „idealen KI-Freundes/Freundin“ sollte zudem relevante Anhaltspunkte für die Entwicklung eines virtuellen Szenarios durch die Forschenden liefern.

„Am meisten überrascht hat mich bei der jüngsten Zielgruppe deren zum Teil sehr reflektierten Antworten, vor allem im Vergleich zu den älteren Zielgruppen, bei welchen ich eine solche Reflektiertheit eher erwartet habe.” Tabea Jacober, studentische Mitarbeiterin im ProjektPlus

Die Interviews transkribierten wir anschliessend im Wortlaut und kodierten und analysierten die mündlichen Äusserungen als sogenannte «teilnehmerorientierte Diskursrealisationen (TOR)». Dabei arbeiteten wir mit MAXQDA, einem Tool zur qualitativen Datenanalyse.

„Durch das systematische und analytische Arbeiten konnten sich die Studentinnen Methodenkenntnisse im Bereich der empirischen Forschung aneignen, die ihnen auch für die Bachelorarbeit nützlich sein können.“ – Birgitta Borghoff, ProjektPlus-Leitung, Dozentin und Forscherin am IAM

Die beiden Studentinnen aus dem Bachelor Kommunikation, Tabea Jacober (links) und Seraina Kaufmann (Mitte) beim Testen von VR-Brillen gemeinsam mit ihrer Dozentin und Forscherin Birgitta Borghoff (rechts).

Erkenntnisse aus den Strasseninterviews

Durch die Strasseninterviews konnten wir mündliche Aussagen analysieren und die Ergebnisse visualisieren. Dabei eruierten wir erste Tendenzen zur Haltung von Jugendlichen und jungen Erwachsenen zu emotionaler KI. Interessant ist beispielsweise, dass die Gefahren von KI am meisten von den 15- bis 17-Jährigen thematisiert wurden. Ein Grund dafür könnte sein, dass sich diese Zielgruppe stärker mit KI befasst und deshalb grundsätzlich mehr darüber weiss. Zudem zeigt sich, dass die meisten Befragten KI eher vertrauen würden, je menschenähnlicher sie in ihrem Aussehen, Charakter und ihren Fähigkeiten ist. Im Allgemeinen demonstrieren die Interviews, dass noch grosse Hemmungen im Umgang mit emotionaler KI da sind. Viele der Befragten können sich aktuell nicht vorstellen, sich auf eine KI einzulassen, die ihre Emotionen und Gefühlszustände erkennen kann. Aufgeführte Gründe dafür sind etwa ein „komisches Gefühl“ beim Kontakt mit einer KI, Angst oder generelles Misstrauen. Bei denjenigen, die sich darauf einlassen würden, sind Neugier und Interesse an dieser fortschrittlichen Technologie die zentralen Motivationstreiber.

Gründe oder Bedingungen für Vertrauen in KI (Beispiel für eine Diskursmap, die Aussagen von Befragten der Strassenumfrage aggregiert, eigene Darstellung)

Bei der Frage, wie sich Jugendliche und junge Erwachsene den idealen KI-Freund vorstellen, scheint es wichtig zu sein, dass er oder sie an Bekanntes erinnern soll. Die ideale KI-Freundin sollte Ähnlichkeiten im Charakter, Aussehen und in den Interessen zu einem selbst, zu bestehenden Freund:innen oder zu einem echten Menschen aufweisen. Passend dazu stellen sich viele Befragte den idealen KI-Freund als Mensch vor, aber auch Tiere oder Fabelwesen sind beliebt. Für uns als forschende Studierende im ProjektPlus und Mitwirkende in diesem SNF-Projekt ist es ein Highlight, mitzuerleben, wie wir die multilineare Geschichte des VR-Szenarios ein Stück weit mitschreiben durften. Und dabei zu sehen, wie wichtig die Sprache beim Entwerfen von virtuellen Zukunftsszenarien ist. Beispiele hierzu nennt Elke Brucker-Kley im Videobeitrag. Die Erkenntnisse aus unseren Strasseninterviews flossen ebenfalls in die Entwicklung des VR-Szenarios ein. In diesem sind nun beispielsweise neben Menschen auch ein Hund und ein Geist als KI-Freunde vertreten.

Von Forschenden und Designer:innen des IWI gestaltetes WG-Wohnzimmer im VR-Szenario.

Entwicklung des virtuellen Szenarios

Parallel zu unseren Strasseninterviews begannen die Forschenden des IWI und unsere Dozentin Birgitta Borghoff damit, gemeinsam die multilineare Geschichte für das virtuelle Szenario zu entwerfen. Dieses kann ab dem 22. März 2023 mithilfe einer VR-Brille im Swiss Science Center Technorama Winterthur getestet werden. Lehrpersonen können Klassen oder Gruppen der ersten und zweiten Sekundarstufe für die VR-Experience im Swiss Science Center Technorama in Winterthur anmelden. Die Jugendlichen reisen mithilfe der VR-Brille in die Zukunft und erleben den Alltag mit smarten, digitalen Assistenten, die sich im Verlauf der Geschichte zu immer einfühlsameren Gefährt:innen entwickeln. Dabei entscheiden die Spieler:innen selbst, welche Technologiesprünge sie mitmachen oder nicht und erleben, wie sich diese Entscheidungen auf ihr fiktives Leben in der Zukunft auswirken.

Elke Brucker-Kley beim Designen von Avataren (Foto: Seraina Kaufmann)

Wie geht es mit dem Projekt am IAM weiter?

Die Diskussionen vor und nach dem VR-Erlebnis werden vom IAM wissenschaftlich begleitet, um die Wirkung des immersiven Szenarios auf Jugendliche und junge Erwachsene zu untersuchen. Im laufenden Semester wirken erneut Studierende im Rahmen eines ProjektPlus im SNF-Projekt mit. Zusammen mit Birgitta Borghoff werden vier Student:innen Gespräche mit Jugendlichen und jungen Erwachsenen vor und nach dem Durchleben des VR-Szenarios im Swiss Science Center Technorama Winterthur diskursanalytisch auswerten. Neben der Vertiefung der gewonnenen Erkenntnisse aus den Strasseninterviews werden auch die gewählten Entscheidungspfade durch die VR-Erfahrung evaluiert.


Teste das VR-Szenario im Technorama Swiss Science Center in Winterthur

Zielgruppe: Schülerinnen und Schülern der Sekundarstufen I und II (Alter: 14+) an Sekundarschulen (2./3. Sek), Gymnasien (ab 2. Klasse), Fachmittelschulen oder Berufsschulen

Wann: 22./23./24./29. März und 5. April 2023; ab 10:15 oder 13:30 Uhr

Format: 30 Minuten Diskussion mit den Forschenden (ganze Klasse/Gruppe) vorab – 30 Minuten VR-Experience (individuell) – Nachbesprechung (ganze Klasse/Gruppe)

Zur Anmeldung


Projektinformationen

– Co-Leitung: Prof. Dr. Thomas Keller und Elke Brucker-Kley (IWI), Birgitta Borghoff (IAM)

– Umsetzung: Janick Michot, Design: Isabelle Stutz

– SNF Datenportal: https://data.snf.ch/grants/grant/208361

– ZHAW Projektdatenbank: https://www.zhaw.ch/de/forschung/forschungsdatenbank/projektdetail/projektid/5627/  

– Website zur VR-Experience: https://friends.digitalfutures.ch/

– Website Digital Futures – Szenarien am Rande der Technologischen Singularität: https://digitalfutures.ch/    



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