Nicole Rosenberger, Professorin für Organisationskommunikation und Management

Denken aus der Warte der Mitarbeitenden

Das Berufsverständnis beinhaltet auch den Umgang mit den Mitarbeitenden. Das Interview mit Nicole Rosenberger geht in dieser Hinsicht auch auf Schwachstellen bei der internen Kommunikation ein. Tools und Kanäle, die der Markt zur Verfügung stellt, müssen ebenfalls effizient ins System eingebaut werden. Letztlich steht aber für Führungskräfte ein vernünftiger Umgang mit der Informationsflut im Vordergrund.

Ein Interview von Juliane Lutz mit Nicole Rosenberger, Professorin für Organisationskommunikation und Management am IAM Institut für Angewandte Medienwissenschaft. Erstpublikation im SVIK-Relations 21-1 des SVIK Schweizerischer Verband für Interne Kommunikation.

Wie geht erfolgreiche Unternehmenskommunikation in Zeiten von Corona, vor allem jene, die sich an die Mitarbeitenden richtet?
Authentizität ist generell und in der Krisenzeit besonders wichtig. Die Unternehmenskommunikation muss klar vermitteln, wofür das Unternehmen steht. Sie muss informieren, Orientierung geben und Sicherheit vermitteln, wenn Loyalität erzeugt werden soll. Zudem spielt Empathie eine grosse Rolle. Das heisst, dass sich die Verantwortlichen genau überlegen sollten, wie das Gesagte bei den Mitarbeitenden ankommen könnte. Auch müssen sich die Mitglieder der Geschäftsleitung und andere Kaderpersonen regelmässig an die Mitarbeitenden wenden und nicht nur, wenn eine Entscheidung gefällt worden ist. Vielmehr geht es darum, kontinuierlich Einblick zu geben, mit welchen Fragen sich die Unternehmensspitze im Moment und in naher Zukunft beschäftigt. Mitarbeitende wollen nicht nur wissen, was gerade in ihrer Firma passiert, sondern auch wie es zukünftig weitergeht, ob der eigene Arbeitsplatz sicher ist. Schliesslich ist das Schaffen eines Wir-Gefühls, das Stärken der emotionalen Bindung an das Unternehmen ausserordentlich wichtig, wenn die Mitarbeitenden im Home Office arbeiten oder in Kurzarbeit sind. Das ist in der Corona-Zeit eine besondere Herausforderung. Der Siemens-Konzern etwa hat darauf mit wöchentlichen CEO-Videos reagiert, die rekordhohe Klickraten erzielten; ein Zeichen, dass diese Videos dem Bedürfnis der Mitarbeitenden entsprachen. Ein weiteres Positivbeispiel ist die Allianz Schweiz mit ihrer Podcast-Reihe «Hallo aus dem Home Office». Diese bestehen aus einem Informationsteil in Form eines Interviews mit Fachexperten oder dem CEO und einem Interaktionsteil, in dem Mitarbeitende zu Wort kommen.

Welche Schwachstellen in der internen Kommunikation hat die Krise deutlich gemacht?
Wir haben an der ZHAW kurz vor Ausbruch der Covid-19-Pandemie eine Studie zur internen Kommunikation von mittelgrossen Firmen durchgeführt, die gezeigt hat, dass viele Unternehmen Mühe hatten, alle Angestellten zu erreichen, vor allem jene, die nicht am Computer arbeiten. Weiter ergab sich, dass es viel zu viele digitale Tools und Kanäle gibt. Auf die Mitarbeitenden wirkt das unübersichtlich. Wenn sie nicht wissen, wo sie welche Informationen finden, nutzen sie die Kanäle entweder nicht effizient oder überhaupt nicht. Die Corona-Krise hat dieses Problem verschärft, da in den Unternehmen vielfach neue Kanäle hinzugekommen sind. Eine weitere Untersuchung, in der Mitarbeiterinnen aus meinem Forschungsbereich zusammen mit Studierenden Kommunikationsabteilungen grosser Unternehmen zur internen Kommunikation in Zeiten von Covid-19 befragt hatten, bestätigte die Notwendigkeit, die vielen Tools für die Mitarbeitenden zu bündeln und zusammenzuführen. Die interne Kommunikation hat also die Aufgabe, eine nutzerorientierte Kanalstrategie zu erarbeiten und zu kommunizieren. Unabhängig von der Krise hat unsere Studie zur internen Kommunikation bei mittelgrossen Firmen gezeigt, dass die Intranets sehr oft veraltet sind und die Benutzerfreundlichkeit gering ist. Unzureichende Suchfunktionen und ein reiner top-down-Ansatz führen dazu, dass sie eher zurückhaltend genutzt werden.

Es entsteht der Eindruck, dass es vor allem um die Verbreitung über die verschiedenen Kanäle geht. Müsste nicht auch der Inhalt optimiert werden, um bei den Adressaten anzukommen?
Natürlich stellt sich die Frage nach nützlichem und attraktivem Content. Das ist gerade beim Intranet ein Problem, da vielfach noch auf top-down-Kommunikation und entsprechend auf strategische Botschaften gesetzt wird, aber zu wenig von der Warte der Mitarbeitenden aus gedacht wird. Dabei kommen nur die Informationen und Botschaften an, die auch als relevant erachtet werden. Die Unternehmen müssen sich dringend die Frage stellen, was die Mitarbeitenden beschäftigt, was für sie wichtig ist, welche Informationen für sie nützlich sind und wie viel davon. Bislang kam das zu kurz. Ich denke, dass da ein grosser Wandel bevorsteht. Eine Studie von Staffbase und der Universität Leipzig kam 2020 zum Ergebnis, dass gerade die Texte in Unternehmen am meisten gelesen werden und Wirkung erzeugen, die von anderen Mitarbeitenden und nicht von den Kommunikationsfachleuten geschrieben werden. Angestellte können nicht nur relevante Themen einbringen, die dann von der Kommunikationsabteilung aufgegriffen werden, sie sollten auch selbst die Möglichkeit haben, Inhalte zu produzieren. Im Social Intranet lassen sich gut kürzere Geschichten posten. Kulturell findet dadurch eine Transformation statt – von der institutionalisierten internen Kommunikation hin zur Netzwerkkommunikation und damit von Information und Kommunikation zu Wissensaustausch und Dialog. Für diesen Wandel müssen Mitarbeitende aber auch befähigt werden. Dem internen Kommunikationsmanagement kommt dabei die Aufgabe zu, Mitarbeitende in Bezug auf technische und kommunikative Fertigkeiten für Kommunikation und Kollaboration zu unterstützen.

Damit Botschaften aus dem Unternehmen in der Informationsflut nicht untergehen, ist eine gelungene Umsetzung der Inhalte wichtig. Wären mehr Journalisten in den Kommunikationsabteilungen sinnvoll?
Storytelling können sie ja. Printjournalistinnen und -journalisten bringen ein ausgezeichnetes
Handwerk in Sachen Storytelling mit, aber das allein genügt nicht mehr. Im Moment ändern sich die an Kommunikationsfachleute gestellten Bedingungen grundsätzlich. Die Covid-19-Pandemie hat dem Bewegtbild enormen Aufschwung gebracht. Videos, aber auch Podcasts werden in der Kommunikation künftig noch grössere Bedeutung erlangen. Ebenso das Data-Storytelling, bei dem Content auf der Basis von ausgewerteten Daten generiert wird; Daten werden so zum Objekt einer Geschichte. Neben der multimedialen und datenbasierten Contentproduktion ist aber auch die strategische Kompetenz wichtig, um die digitale Transformation des Unternehmens mitgestalten und begleiten zu können und die Schnittstellen zu IT und HR gezielt zu schaffen. Auf die Teams in der internen Kommunikation werden viele neue Aufgaben zukommen, wie die Befähigung der Mitarbeitenden für Kommunikation und Kollaboration, das Schaffen von Akzeptanz für den Einsatz digitaler Technologien im Unternehmen oder der Einsatz von Analytics für die Contentproduktion und -evaluation. Um diese Aufgaben zu erfüllen, sind Kommunikationsabteilungen vermehrt auf Spezialistinnen und Spezialisten aus den unterschiedlichsten Bereichen angewiesen. Allerdings, und das hat unsere Studie über mittelgrosse Firmen auch gezeigt, ist die interne Kommunikation leider oft mit viel zu wenig personellen Ressourcen ausgestattet. Es ist zu hoffen, dass die in der Covid-19-Pandemie gemachten Erfahrungen hier zu nachhaltigeren Veränderungen führen.


Zur Person

Prof. Dr. Nicole Rosenberger ist Professorin für Organisationskommunikation und Management
sowie stellvertretende Leiterin des Instituts für Angewandte Medienwissenschaft der Zürcher
Hochschule für Angewandte Wissenschaften (ZHAW). Sie forscht, lehrt auf Aus- und Weiterbildungsstufe
und berät in ihren Spezialgebieten Digitale Transformation und Kommunikation, Identitäts- und Reputationsmanagement, strategisches Kommunikationsmanagement und interne
Kommunikation.


Informationshinweis zur Weiterbildung CAS Digitale Transformation und Kommunikation

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