Schulkommunikation im digitalen Wandel ZHAW IAM

Schulkommunikation im digitalen Wandel: Online-Assessment zeigt Handlungsfelder auf

SchulleiterInnen haben eine Vielzahl an Aufgaben zu verantworten wie die Führung des Kollegiums, die Weiterentwicklung der Schule oder die Steuerung und Gestaltung der Schulkommunikation. Mit der Corona-Pandemie sind diese Aufgaben noch anspruchsvoller geworden. Das von der Stiftung Mercator Schweiz geförderte und vom Verband Schulleiterinnen und Schulleiter Schweiz unterstützte Projekt «Schulkommunikation im digitalen Wandel» untersuchte Praxis, Herausforderungen und Erwartungen an die Kommunikation von Schulen mittels Fallstudien. Entstanden ist ein Self-Assessment-Tool, mit dem Schulleitende den Stand ihrer Schulkommunikation bewerten und konkrete Handlungsfelder für deren Weiterentwicklung ableiten können. Die fragebogenstützte Selbsteinschätzung steht Schulen online zur Verfügung.

Von Nicole Rosenberger, Professorin für Organisationskommunikation und Management, Julia Grundisch, Wissenschaftliche Assistentin, und Colette Schneider Stingelin, Dozentin und Projektleiterin, IAM Institut für Angewandte Medienwissenschaft

«Ich sehe die Herausforderung der Zukunft darin, den Mehrwert des Digitalen in der Schule zu suchen und zu vermitteln.» Dieses Statement eines Schulleiters macht klar, dass mit der Ausrüstung der Schulen mit Hard- und Software die digitale Transformation nicht abgeschlossen ist. Sie bedeutet vielmehr, digitale Medien in Lehr- und Lernprozesse zu integrieren und diese neu zu gestalten, das Schulmanagement zu digitalisieren und eine angemessene Nutzung digitaler Kanäle in der Organisation zu ermöglichen. Schulleitungen müssen diesen Transformationsprozess zusammen mit der Schulbehörde und den Lehrpersonen aktiv gestalten. Dies betrifft auch die Kommunikation von Schulen, die ausserhalb des Unterrichts im Kollegium, mit Klassen, Erziehungsberechtigten, Schulbehörden und einer breiten Öffentlichkeit stattfindet.

Der Forschungs- und Arbeitsbereich Organisationskommunikation und Management des IAM hat ein Self-Assessment-Tool für SchulleiterInnen entwickelt, mit dem diese ihre Schulkommunikation in Bezug auf neun Handlungsdimensionen einschätzen können. Die systematische Beurteilung entlang von 60 Fragen ermöglicht es, konkrete Felder für die Weiterentwicklung der Kommunikation zu identifizieren. Das Assessment kann auch von Mitgliedern der Schulbehörde und des Kollegiums ausgefüllt werden, um allfällige unterschiedliche Einschätzungen und Erwartungen sichtbar zu machen. 

Schulkommunikation und der unerwartete Digitalisierungsschub

Entwickelt wurde das Self-Assessment im Rahmen der Studie «Schulkommunikation im digitalen Wandel». Im Herbst 2019 startete das Projektteam mit der Analyse verschiedener Dokumente der vier an der Studie beteiligten Schulen. Das Team führte Interviews mit den Schulleitenden und Fokusgruppengespräche mit Lehrpersonen, SchülerInnen und Erziehungsberechtigten. Ziel war es, den aktuellen Stand der Schulkommunikation sowie Bedingungen und Herausforderungen bzw. Erwartungen an die Schulkommunikation im digitalen Wandel zu erfassen.

Dann kam im März 2020 der erste Lockdown und mit ihm ein Digitalisierungsschub in der Volksschule. Was dieser für die Kommunikation bedeutete, wurde mittels Online-Befragung von Eltern und Lehrpersonen und weiteren Gesprächen mit Schulleitenden erhoben. Die Rückmeldungen der Schulleitungen zeigen, dass der Lockdown einerseits als Chance empfunden wurde: «In den zwei Monaten sind wir mit der Digitalisierung so schnell vorwärtsgekommen wie sonst in einem Jahr.» Andererseits traten gewisse Spannungsfelder der Schulkommunikation sehr viel stärker in den Vordergrund: «Es ist eine Gratwanderung: Wie stark soll und will ich über gewisse Dinge diskutieren und wo gibt es schlicht keinen Diskussionsspielraum?» Zudem zeigte sich, dass während des Fernunterrichts zwar neue digitale Kommunikationskanäle eingesetzt worden sind, nach der Rückkehr zum Präsenzunterricht aber in vielen Bereichen die bewährten Kommunikationsroutinen wieder aufgenommen wurden. Sei es, dass die Elternpost wieder von den Kindern nach Hause gebracht wird oder für die Zusammenarbeit unter Lehrpersonen eingesetzte digitale Kollaborationstools nicht mehr von allen aktiv genutzt werden.

Stärken und Schwächen digitaler Kanäle

Teil der Online-Umfrage war es daher auch, die Beteiligten zu den wahrgenommenen Stärken und Schwächen der neuen und alten digitalen Kanäle zu befragen. Lehrpersonen, Erziehungsberechtigte und Schulleitende sehen Zeitersparnis, gute Erreichbarkeit des Gegenübers und Niederschwelligkeit der Kontaktaufnahme als klaren Vorteil digitaler Kommunikationskanälen. Gerade für Eltern ist die orts- und zeitunabhängige Verfügbarkeit der kommunizierten Inhalte ein weiteres Plus. Der Verlust des persönlichen Kontaktes wird hingegen von allen Befragten als Nachteil der digitalen Elternkommunikation gesehen. Negativ ins Gewicht fallen für Lehrpersonen zusätzlich die ständige Erreichbarkeit und schwierige Abgrenzung; für Erziehungsberechtigte, auf der anderen Seite, die Befürchtung mit Informationen überhäuft zu werden bzw. für die Beschaffung der Informationen selbst verantwortlich zu sein. Daneben werden auch mögliche technische Schwierigkeiten als Nachteil aufgeführt. An oberster Stelle steht für die Eltern aber der Wunsch nach einer Reduktion der Kanalvielfalt und einer Vereinheitlichung der Kommunikation der Schule: «Ich wäre einfach dankbar, wenn nicht jede Lehrperson über andere Kanäle kommuniziert, sondern wenn sich für die ganze Schule ein Kanal durchsetzen würde.»

Während die vorgebrachten Vorteile spezifische Stärken digitaler Kanäle sind, liegen die Nachteile weniger im Kanal selbst. Im Fokus ist hier eher die Handhabung. Wie ein Kommunikationskanal eingesetzt wird, sollte daher im Kollegium diskutiert werden. So können die Erwartungen bezüglich Erreichbarkeit von Lehrpersonen über digitale Kanäle innerhalb der Schule geklärt, eine gemeinsame Praxis festgelegt und so gegenüber Eltern kommuniziert werden. Die Nutzung digitaler Kanäle für spezifische Kommunikationsaufgaben schliesst auch persönliche Kontakte nicht per se aus. Die Lösung liegt darin, einen zur Schulkultur passenden Mix von analoger und digitaler Kommunikation zu definieren. Für diese Weiterentwicklung einer wirkungsvollen, dem digitalen Wandel angemessenen Schulkommunikation kristallisierten sich im Laufe des Forschungsprojekts neun zentrale Handlungsdimensionen heraus (siehe Abb. 1).

Zentrale Grundlagen einer wirkungsvollen Schulkommunikation

Die Basis für eine wirkungsvolle Schulkommunikation ist ein gemeinsames Verständnis bezüglich Ziel, Stellenwert und Handhabung von analogen und digitalen Kanälen in der Schule. Die Schulleitung gibt damit einen verbindlichen Rahmen für die Kommunikation vor: «Die Kunst [dabei] ist es, dass Lehrpersonen ein gewisses Mass an Freiheit behalten, und wir als Team trotzdem auf einen gemeinsamen Nenner kommen.» Ein gemeinsames Kommunikationsverständnis allein macht allerdings noch keine gute Schulkommunikation aus. Auch die Rollengestaltung der Schulleitung und das Empowerment des Kollegiums spielen eine zentrale Rolle. Die Befähigung der Mitarbeitenden sollte sich dabei nicht auf technische Skills beschränken, sondern auch einen angemessenen und achtsamen Umgang mit den digitalen Kommunikations- und Kollaborationstools fördern.  

Schulkommunikation im digitalen Wandel-Dimensionen-Zhaw-IAM

Abbildung 1: Neun Handlungsdimensionen einer wirkungsvollen Schulkommunikation

Mit Kommunikation den Schulbetrieb organisieren und Legitimation fördern

Die genannten drei Handlungsdimensionen haben einen grossen Einfluss auf zwei weitere wichtige Aufgaben der Schulkommunikation: die Sicherstellung des Schulbetriebs und die Positionierung und Legitimation der Schule in der Öffentlichkeit. Um den Schulbetrieb sicherzustellen sind die interne Kommunikation, die Klassen- und Elternkommunikation der Lehrpersonen und die Elternkommunikation der Gesamtschule zentral. Gerade für den internen Austausch und die Zusammenarbeit bieten digitale Kanäle einen grossen Mehrwert: «Unsere Zusammenarbeitskultur hat sich durch die während des Lockdowns genutzten Kollaborationstools verändert», konstatierte etwa eine Schulleitung. Trotzdem betonen sowohl die Schulleitenden als auch die Lehrpersonen und die Erziehungsberechtigten, wie wichtig der persönliche Austausch in der Schule ist und bleibt. Gerade heikle Themen könne man besser von Angesicht zu Angesicht besprechen. Die Positionierung und Legitimation einer Schule wird schliesslich durch die Kommunikation mit der breiten Öffentlichkeit gestärkt. Hier geht es unter anderem darum, das pädagogische Profil der Schule prägnant zu vermitteln und Einblick in die digitale Transformation der Schule zu geben.  

Transformationsgrad der Schule bestimmt Entwicklungspotenzial der Schulkommunikation mit

Prägend auf die Entwicklung der Schulkommunikation wirkt sich auch der Transformationsgrad der einzelnen Schule aus. Dieser wird vor allem von der Einstellung des Kollegiums gegenüber der digitalen Transformation, der Zusammenarbeits- und Teamkultur und dem Austausch über die Schule der Zukunft bestimmt. Zentral für den Transformationsgrad ist aber auch der Stand der technischen Ausstattung; dieser unterscheidet sich in den einzelnen Schulen zum Teil sehr stark. Schulen, die in der Transformation bereits etwas weiter fortgeschritten sind, konnten im Lockdown davon profitieren: «Ich habe mein Schulzentrum immer als Labor genutzt, um zu sehen was geht und was überfordert. Durch das hatte ich ein ganzes Jahr Vorsprung mit TEAMS, Kalender, OneNote und SharePoint». In Schulen hingegen, die sich noch weniger stark mit dem digitalen Wandel auseinandersetzen konnten, beurteilen einzelne Lehrpersonen eine «schulinterne Einführung und Schulung [als] dringend nötig».

Von den Handlungsdimensionen zum Self-Assessment

Die neun Handlungsdimensionen bilden die Basis für das Self-Assessment zur Schulkommunikation. Dieses wurde in einem weiteren Schritt in den vier am Projekt beteiligten Schulen in Workshops gemeinsam mit Schulleitenden, VertreterInnen des Kollegiums, der Schulbehörde und des Schulsekretariats erprobt. Als besonders wertvoll haben sich dabei die Diskussionen über die unterschiedlichen Einschätzungen der neun Handlungsdimensionen erwiesen. Darauf aufbauend konnten die Teilnehmenden gemeinsam Handlungsfelder bestimmen, die sie kurz- und mittelfristig angehen möchten und Ideen für konkrete Massnahmen entwickeln.

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Abbildung 2: Anwendungsmöglichkeiten Self-Assessment für Schulen.

Das finale Online-Assessment-Tool bietet unterschiedliche Anwendungsmöglichkeiten für Schulleitungen:

Self-Assessment individuell: In einem ersten Schritt können sie es für eine strukturierte Darstellung ihrer eigenen Einschätzung zur Schulkommunikation nutzen (Self-Assessment individuell). Nach Ausfüllen des Fragebogens erhalten sie eine Visualisierung ihrer Beurteilung in Form einer Spinnennetzgrafik.
Self-Assessment erweitert: Für einen umfassenderen Blick kann das Assessment von mehreren Personen einer Schule ausgefüllt werden. Ein Vergleich der Bewertungen schafft eine gute Diskussionsgrundlage, um zu einer gemeinsamen Einschätzung des Status quo zu kommen und miteinander nächste Entwicklungsschritte festzulegen.
Ergänzende Beratungsangebote: Darüber hinaus bietet das IAM drei ergänzende Beratungsmodule an, in denen Schulen im Rahmen von moderierten Workshops bei der Diskussion der Einschätzungen und dem Priorisieren und Konkretisieren nächster Entwicklungsschritte begleitet werden. Zudem werden nach Wunsch ergänzende Analysen zu den Herausforderungen, Bedürfnissen und Erwartungen von Schulleitung, Eltern und Lehrpersonen durchgeführt.

Auf der Grundlage des Forschungsprojekts «Schulkommunikation im digitalen Wandel» erhalten Schulleitungen damit vielfältige Unterstützung, um ihre Schulkommunikation im Rahmen der digitalen Transformation weiterzuentwickeln.

Hier geht es zum Assessment: www.zhaw.ch/schulkommunikation


Das Projektteam aus dem Forschungs- und Arbeitsbereich Organisationskommunikation und Management des IAM

Projektteam-Schulkommunikation im digitalen Wandel-Zhaw-IAM
vlnr. (oben) Nicole Rosenberger, Angelica Hüsser,
(unten) Julia Grundisch, Colette Schneider Stingelin, Carmen Koch

Hier geht es zur Projektwebseite


Informationshinweis zur Weiterbildung CAS Digitale Transformation und Kommunikation

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