Wissenschaftlichen Nachwuchs zu finden, wird für technisch ausgerichtete Hochschulen immer schwieriger. Um die Studierenden besser zu erreichen, wollen Forscher mehr Einblicke in ihre tägliche Arbeit geben. Thomas Hocker, Professor für Multiphysics Modeling an der School of Engineering der ZHAW, hat den Selbstversuch gewagt und ein Video gedreht. Das Institut für Angewandte Medienwissenschaft (IAM) hat ihn im Rahmen des Projekts «Knowledge Stories» in der Gestaltung, Produktion und Umsetzung des Videos unterstützt.
Ein Interview von Nadine Klopfenstein, Wissenschaftliche Mitarbeiterin am IAM Institut für Angewandte Medienwissenschaft
Nadine Klopfenstein: Herr Hocker, warum haben Sie sich darauf eingelassen, selbst ein Video über Ihre Arbeit und Forschung zu drehen?
Thomas Hocker: «Wir am ICP (Institute of Computational Physics) haben immer wieder das Problem, dass wir Studenten eher abschrecken, weil wir stark mathematisch arbeiten und unsere Leidenschaft für das Thema gar nicht richtig vermitteln können. Ich wollte Einblicke geben, wie wir im Team arbeiten und vor allem zeigen, was uns an unserer Arbeit so begeistert. Mir war klar, dass das Medium Video das zeitgemäss Medium ist, um so etwas gut rüber zu bringen.»
Was waren für Sie die grössten Herausforderungen während der Produktion der Videos?
Thomas Hocker: «Die Story zu entwickeln war einfach. Ich bin aber zu sehr «lehrerhaft» an das Thema herangegangen. Das erste Feedback von Studenten war, dass sie mehr Stimmungen spüren und weniger technische Details erfahren wollen.»
Ansonsten lief alles rund?
Thomas Hocker. «Es war vorgesehen, dass mich eine studentische Hilfskraft filmt. Das haben wir auch getan. Aber die Sequenzen haben mir nicht gefallen. Daraus konnte ich kein Video machen, hinter dem ich stehe. Ich habe mich dann entschieden, den ganzen Dreh noch einmal selbst zu machen. Und zwar auf meine detailverliebte Art. Am Ende zeigte sich, dass ich meinen Text vorab ausformulieren und mich allein filmen muss, damit es für mich stimmt.»
Was waren Ihre grössten Erfolge während der Produktion des Videos?
Thomas Hocker: «Ich war froh, dass ich es überhaupt abschliessen konnte. Es war zeitweilig schwierig überhaupt dran zu bleiben. Zu Beginn waren meine Texte nicht gut, ich verlor den roten Faden. Nach dem Dreh war ich fix und fertig und trotzdem nicht zufrieden. Irgendwann kam der Entscheid, das allein zu machen. Dann nahm ich mir zwei, drei Tage Zeit, habe alles ausformuliert und dann allein gefilmt. Es war immer noch mühsam, weil ich nie zufrieden war mit den Szenen. Deshalb ist der grösste Erfolg, dass das Video überhaupt fertig wurde in der geplanten Zeit.»
War das nicht sehr viel Aufwand für ein kurzes Video?
«Ja, ich wollte aber die Möglichkeit haben, eine Sequenz 20-mal zu drehen und mir das dann in Ruhe anzuschauen. Das hat aber auch Nachteile. Wenn niemand hinter der Kamera steht, fehlt auch schnell etwas. Man redet dann ins nichts. Um in eine lockerere Stimmung zu kommen, habe ich dann jeweils vor dem Dreh Grimassen gemacht.»
Das klingt nach einer spannenden Erkenntnis. Haben sie noch mehr nachhaltige Erfahrungen gemacht?
«Ich habe gelernt, dass Filmen eine sehr anstrengende, aber grossartige Angelegenheit ist, wo man letztendlich viel über sich selbst lernt. Man muss sich mit seiner Stimme auseinandersetzen, seiner äusseren Erscheinung. Es ist eine andere Situation als frontal zu unterrichten. Ich kann jetzt die Aussagen von Schauspielern, die sagen, der Dreh sei emotional sehr anstrengend gewesen, nachvollziehen. Zu filmen ist sehr emotional und kann erschöpfend sein.»
Konnten Sie die Inputs, die Sie von Marius Born, Videotrainer des IAM Institut für Angewandte Medienwissenschaft, erhalten haben in Ihren Produktionsprozess einfliessen lassen?
«Ja, die Inputs waren essenziell. Er konnte uns gut die emotionalen Aspekte vermitteln. Dort wo wir zu trocken waren und an den Fakten hängen blieben, hat er uns immer wieder aufgezeigt, wie wir die Begeisterung bringen können. Ein Beispiel ist der Abspann des Videos. Dort sieht man eine Pinnwand mit Fotos und Texten meiner Teammitglieder. Diese haben selbst die Bilder ausgesucht und sich den Text dazu überlegt. Das ist mit einer der schönsten Sequenzen des Films.»
Haben Sie sich während dem Projekt Kompetenzen angeeignet, die Sie auch weiterhin einsetzen können?
«Ja, ich habe viel handwerklich gelernt. Ich habe das Video mit meinem alten Smartphone gefilmt und hatte ein externes Mikrophon. Zudem habe ich das Video selbst geschnitten. Es war verblüffend wie einfach man auf einem Tablet einen Film schneiden kann. Ich habe sogar gemerkt, dass ich mit ausführlicheren Programmen weniger gut zurechtkomme. Ich habe jetzt auch noch im Rahmen von zwei weiteren Projekten Videos gedreht. Das heisst, ich setze meine neuen Fähigkeiten auch weiter ein.»
Was würden Sie anderen Forschern raten, bevor sie sich hinsetzen und ein Video über ihre Arbeit drehen?
«Ein Schlüsselmoment, der in einem Gespräch mit Marius Born, dem Videotrainer des IAM kam, war der Gedanke, dass meine Arbeit eine Art Puzzle ist. Am Anfang hat man viele Puzzlesteine aber noch kein Gesamtbild. Man hat die Inputs, hat Messdaten und sitzt da und versucht die Teile zu einem Gesamtbild zu entwickeln. Dieses Thema zieht sich durch das ganze Video. Ich rate Forschenden daher, sich zuerst ein Schlüsselbild davon zu machen, dass die Art der eigenen Arbeit treffend beschreibt. Das war für mich sehr hilfreich.»
Wie gefällt Ihnen das fertige Video?
«Ich bin schon etwas stolz darauf, dass ich es überhaupt fertiggekriegt habe. Mit all den Deadlines von Forschungsprojekten im Hintergrund. Es sind noch viele Dinge, die ich gerne besser machen möchte. Je intensiver man sich damit beschäftigt, desto mehr Details sieht man, die man verbessern könnte. Es ist aber wie in meiner Forschungstätigkeit. Es ist ein Anfang, aber man kann immer etwas verbessern. Die Hemmschwelle selbst ein Video zu drehen, ist aber enorm gesunken.»
Projektbeschrieb:
Im Projekt «Knowledges Stories: Nachwuchsgewinnung in der Wissenschaft» werden Forschende nachhaltig befähigt, die Kommunikation zur Rekrutierung von wissenschaftlichem Nachwuchs über ein den Mediengewohnheiten und Interessen der Zielgruppen angemessenes Video-Format gezielt zu betreiben. Das Projekt wurde unter der Leitung von Prof. Dr. Nicole Rosenberger des Fachbereiches Organisationskommunikation und Management (OKM) vom IAM Institut für Angewandte Medienwissenschaft der ZHAW mit der Hochschule Furtwangen von Herbst 2018 bis Ende 2019 durchgeführt und von der Internationalen Bodensee Hochschule (IBH) finanziert.
Projektseite: https://www.zhaw.ch/no_cache/de/forschung/forschungsdatenbank/projektdetail/projektid/2676/
Das Video von Thomas Hocker und weitere Videos von anderen Forschern und Studierenden finden Sie hier: https://knowledgestories.ibh.hs-furtwangen.de
Ähnliche Beiträge:
- Interne Kommunikation in Zeiten von Covid-19
- Agenda für die interne Kommunikation in der digitalen Transformation
- Die interne Kommunikation in der digitalen Transformation
- Wie Kommunikation die digitale Transformation ermöglicht
- Botschaften UND Daten: Kommunikation braucht Gleichgewicht
- Mäuschen oder Manager
- Was macht Mitarbeitende zu Influencern?
- Was Kommunikation mit künstlicher Intelligenz zu tun hat
- «KI bietet ganz neue Möglichkeiten»
- Ein Megatrend – und (noch) keiner macht mit
- Offen – schnell und dialogisch