Wie die Pandemie die interne Kommunikation verändert hat – Ergebnisse einer qualitativen Studie und Ausblick auf künftige Herausforderungen.
Von Katharina Krämer, Dozentin, Forscherin und Beraterin und Annette Pfizenmayer, Dozentin, Forscherin und Beraterin am IAM Institut für Angewandte Medienwissenschaft.
Im Rahmen der dreiteiligen Blog-Reihe „Interne Kommunikation im Wandel“ gibt dieser dritte Beitrag einen Überblick zu den Ergebnissen der qualitativen Studie, die im Frühjahrssemester 2020 an der ZHAW durchgeführt wurde. Im Fokus: die Herausforderungen der internen Kommunikation in Zeiten von Covid-19. Befragt wurden Ende April sieben Kommunikationsverantwortliche aus ausgewählten Schweizer (Gross-)Unternehmen in den Sektoren Logistik, Luftfahrt, öffentlicher Verkehr, Gesundheitswesen, Versicherungen und Technologie. Die Befragten sind für die interne Unternehmenskommunikation verantwortlich, die in den Organisationen institutionell verankert ist. Das Studienprojekt wurde im Frühjahrssemester mit 13 Studierenden des Bachelorstudiengangs Kommunikation im Forschungs- und Arbeitsbereichs OKM «Organisationskommunikation und Management» umgesetzt. Im weiteren Forschungsprozess wird im kommenden Herbstsemester das Thema „Interne Kommunikation in Zeiten von Covid-19“ weiter vertieft und gezielt versucht, Best Practices zu eruieren.
Die fünf wichtigsten Key Findings aus der qualitativen Befragung
1. Die interne Unternehmenskommunikation hat in den befragten Organisationen an strategischer Relevanz gewonnen.
«Besonders schön für die interne Kommunikation war es zu sehen, dass wir von Anfang an aktiv in der Entscheidungsfindung mit der Konzernleitung eingebunden waren.»
«Es ist wichtig, dass die (Kommunikations-) Projekte trotzdem weiterlaufen,
welche nichts mit Covid-19 zu tun haben.»
Interne Kommunikation ist in der Covid-Krise nicht nur auf operativer sondern auch auf strategischer Ebene gefragter denn je. Operativ wurde „run the business“ zur täglichen An- und Herausforderung. Auf strategischer Ebene gewannen interne Beratungsleistungen der IK-Verantwortlichen an Relevanz: Die Kommunikationsverantwortlichen wurden teilweise sehr früh in Entscheidungsfindungen der Konzernleitung eingebunden. Die Studienergebnisse lassen vermuten, dass die gesamte Kommunikationsabteilung in einigen Organisationen an Nähe zur obersten Management-Ebene gewonnen hat.
Für diesen Bedeutungszuwachs sind insbesondere zwei Gründe verantwortlich: 1. In Zeiten von Covid-19 rückten interne Themen wie Gestaltung von Home-Office und digitale Kollaboration sowie die Sicherheit des Arbeitsplatzes in den Vordergrund. Dementsprechend wurde der internen Kommunikation auch auf Geschäftsleitungsebene eine höhere erfolgskritische Relevanz beigemessen. 2. CEO-Kommunikation hat in Zeiten von Covid-19 an Bedeutung gewonnen. Mit dem Ziel der Authentizität und Vertrauensbildung bei den Mitarbeitenden wurde die Unternehmensspitze in einigen Organisationen ganz bewusst sehr viel mehr in die Kommunikation eingebunden als in «normalen» Zeiten.
2. Covid-19 hat zu einem Digitalisierungsschub in der internen Kommunikation geführt. Insbesondere Video-Kommunikation wurde nicht nur für die Kollaboration, sondern auch das interne Storytelling im Wandel wichtiger.
«Es gibt Video-Ansprachen vom CEO einmal pro Woche und Updates zu Neuerungen sowie wichtigen Beschlüssen des Bundesrats»
«Jeden Tag um 15 Uhr schalten wir uns zusammen und jede*r hat einen Kaffee
oder sitzt mit der Sonnenbrille draussen und die Regel ist, dass wir nichts Berufliches besprechen»
Mit Covid-19 und der damit verbundenen Zunahme an Home-Office-Tätigkeit haben digitale Kanäle in der internen Kommunikation an Bedeutung gewonnen. Je nach vorheriger digitaler Aufstellung respektive je nach Digitalisierungsgrad wurden elektronische Kanäle und Kollaborationstools stärker genutzt oder neu eingeführt. Insbesondere der Video-Kommunikation kam eine wesentliche Rolle zu. MS Teams, Zoom und Co wurden dabei nicht nur für die formale Kommunikation und zur Kollaboration genutzt. Teilweise wurden virtuelle Räume für den informellen Austausch eingerichtet. So trafen sich die Mitarbeitenden einer Organisation regelmässig zu einem «Virtual Coffee».
Videokommunikation findet aber nicht nur in der digitalen Kollaboration Verwendung, generell hat das Bewegtbild im Rahmen des internen Storytellings klar an Relevanz gewonnen. Dies bedeutet nicht, dass Schriftlichkeit keine Rolle mehr spielt. Insgesamt nutzen aber beispielsweise Geschäftsleitungsmitglieder nun häufiger Videokommunikation, um über strategische Belange zu informieren und mit den Mitarbeitenden zu kommunizieren.
3. In Zeiten von Covid-19 war es eine der grössten Herausforderungen für die Organisationen, die emotionale Bindung zu den Mitarbeitenden aufrecht zu erhalten.
«Wir halten Kontakt zu den Mitarbeitenden und wollen
herausfinden, was bei Ihnen läuft.»
«Was wir jetzt merken ist, dass wir die Digitalkommunikation oder die
Hybridkommunikation noch stärker in den Vordergrund rücken müssen.»
«Man sieht nun zwar, was Teams oder Zoom alles kann,
aber es gibt noch Verzögerungen und Mühseligkeiten bezüglich Technik usw.»
Die Verlagerung des Fokus auf digitale Kommunikationskanäle stellte die Kommunikationsverantwortlichen vor neue Herausforderungen: Wie kann trotz physischer Distanz eine Bindung zu den Mitarbeitenden hergestellt und aufrechterhalten werden? Wie schafft es die Organisation, dass sich die Mitarbeitenden nicht emotional vom Unternehmen distanzieren? Wie gelingt es trotz Home-Office nahbar zu bleiben? In Zeiten der Krise wird in den Unternehmen mehr denn je sichtbar, wie wichtig es ist, mit den Mitarbeitenden im Dialog zu sein. In Zeiten von Covid-19 wurden hier auch die Grenzen von digitalen Kanälen sichtbar.
4. Durch Covid-19 haben sich die Erwartungen der Mitarbeitenden an die Kommunikation stark verändert. Das Bedürfnis nach Information und Orientierung ist gestiegen.
«[Es] kommen unglaublich viele Fragen rein; gestern hat der CEO innerhalb von 45 Minuten rund 64 Fragen beantwortet und wir hätten noch 200 mehr beantworten können»
«Wie sieht unsere Zukunft aus? […] Werden Stellen gestrichen und wie lange dauert die Kurzarbeit [an]?»
Die Mitarbeitenden haben in Zeiten von Corona veränderte Erwartungen an die Kommunikation ihrer Organisation und damit an das interne Kommunikationsmanagement und an die Kommunikation mit der Geschäftsleitung. Dies äussert sich insbesondere in einem generell erhöhten Informationsbedürfnis. Darüber hinaus haben sich die Themen der internen Kommunikation verändert: Zeitnahe Updates zu den aktuellen Entwicklungen bzgl. Covid-19 und deren Auswirkungen auf die eigene Organisation und die eigene Arbeitstätigkeit, sind dabei nur ein Teilbereich. Unsicherheiten und Ängste der Mitarbeitenden führten auch zu einem erhöhten Informationsbedürfnis bezüglich der Zukunft der Organisation und dem eigenen Arbeitsplatz. Darüber hinaus galt es, die Mitarbeitenden zu befähigen und zu unterstützen, die neuen digitalen Kommunikations- und Kollaborationskanäle auch zu nutzen.
5. Mehr Home-Office, mehr Video-Kommunikation, bessere interne Vernetzung – die Kommunikationsverantwortlichen sind der Meinung, dass Covid-19 die interne Kommunikation nachhaltig verändert.
«Die Corona-Situation wird die Arbeitswelt insofern verändern, dass Home-Office
beispielweise für Bereiche üblicher wird, wo es zuvor unmöglich schien.
Denn nun konnte ja das Gegenteil bewiesen werden.»
«Man wird mehr Verbindungen schaffen und gewisse Aufgaben
gemeinsam in die Hand nehmen [IT, HR, Kommunikation]. Die interne Vernetzung im Unternehmen würde so weiter zunehmen.»
Die Mehrheit der befragten Kommunikationsverantwortlichen ist der Meinung, dass Covid-19 die Zusammenarbeit und damit auch die interne Kommunikation nachhaltig verändert hat bzw. weiter verändern wird. Dementsprechend wollen auch alle befragten Unternehmen ihre digitalen Kanäle ausbauen und aufrüsten, aber auch bündeln. So wird die Kommunikation nach Covid-19 mehr via Video funktionieren, ist sich die Mehrheit der befragten KommunikatorInnen sicher. Ebenso zeigt die Befragung, dass der Austausch an den Schnittstellen Kommunikation, IT und HR wichtiger wird.
Ausblick
Unser Fazit: Die Entwicklungen rund um Covid-19 haben die interne Kommunikation verändert und die internen Kommunikationsverantwortlichen vor neue Herausforderungen gestellt. Das «run the business» der internen Kommunikation ist den Befragten in der akuten Phase von Covid-19 gut gelungen. Eins ist aber klar: Erst in den nächsten Wochen und Monaten wird sich zeigen, welche Auswirkungen Covid-19 auf Wirtschaft, Gesellschaft und Unternehmen haben wird. Reorganisationen, Kurzarbeit, Stellenabbau und «Home-Office und Remote Work für alle» sind nur einige der Themen, die die Unternehmen nun beschäftigen. Diese tiefgreifenden Veränderungen und Transformationen zu begleiten und mitzugestalten, wird zum Gradmesser für die interne Kommunikation werden: Wie gelingt es beispielsweise, unvermeidliche Stellenstreichungen zu kommunizieren und Mitarbeitende würdig zu verabschieden, so dass bei den zurückbleibenden Mitarbeitenden weiterhin eine Vertrauensbasis bestehen bleibt? Braucht es eine Verabschiedungskultur? Wie können Mitarbeitende in diesen unsicheren Zeiten motiviert werden, sich für die Organisation mit voller Kraft einzusetzen? Wie kommt die Firmenkultur nach Hause, wenn Home-Office und Remote Work sich etablieren? Welchen aktiven Part kann die interne Kommunikation bei diesem kulturellen Wandel übernehmen? Was ist zukünftig der zielführendste Mix aus analogen und digitalen Kommunikationskanälen? Wie können Desk-Worker genauso erreicht werden wie Non-Desk-Worker, Teilzeit-Angestellte genauso wie Vollzeit-Mitarbeitende? Wichtig ist zudem die Frage, wie es Kommunikationsabteilungen gelingt, die Nähe zum Top Management und damit auch das jetzige Wirkungspotenzial beizubehalten.
Ausserdem wird es weiterhin darum gehen, dass interne Kommunikationsverantwortliche in beratender Funktion die digitale Transformation von Organisationen mitgestalten und begleiten. Hierzu gehört ganz essentiell, die Mitarbeitenden und Führungskräfte auf die digitale Reise mitzunehmen und sie zu befähigen, das heisst, darin zu unterstützen, digitale Kompetenzen weiter auszubauen und Skills in der digitalen Kommunikation zu stärken (vgl. Niederhäuser/Rosenberger 2018; Rosenberger/Niederhäuser 2020; Krämer et al. 2020).
Im Herbstsemester 2020 werden wir unsere Studie zu «Interne Kommunikation in Zeiten von Covid-19» weiter vertiefen mit dem Ziel, Antworten und Best Practices auf die formulierten Fragen zu finden.
Zur Studie
Die Autorinnen der Studie: Katharina Krämer und Annette Pfizenmayer,
Die Studie ist Teil einer qualitativen Studienreihe zum Thema «Digitale Transformation und Kommunikation» im Forschungs- und Arbeitsbereich OKM «Organisationskommunikation und Management» des IAM Institut für Angewandte Medienwissenschaft der ZHAW Zürcher Hochschule für Angewandte Wissenschaften. Den Ausgangspunkt für die Theorie- und Forschungsarbeiten in diesem Bereich bildet das Framework zur Rolle der Corporate Communications in der digitalen Transformation» (Niederhäuser/ Rosenberger 2018). Im Rahmen der Vertiefung des Themenfeldes „Interne Kommunikation in der digitalen Transformation“ wurde in zwei ersten Teilen zunächst der Forschungsstand systematisch aufgearbeitet sowie empirische Ergebnisse zur internen Kommunikation von ausgewählten mittelgrossen Unternehmen in der Schweiz erhoben. Daraus wurde eine Agenda für die interne Kommunikation formuliert (siehe Krämer et al. 2020).
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