Wenn Missverständnisse den Unterricht bereichern

Juan Carlos Dihlmann ist seit über 20 Jahren Dozent für Deutsch als Fremd- und Zweitsprache. Seine eigene Sprachbiografie hat seine Berufswahl entscheidend beeinflusst. Im Arbeitsalltag kommen ihm seine Mehrsprachigkeit, interkulturellen Kompetenzen und seine Faszination für Sprachen besonders zugute. Den Unterricht gestaltet er möglichst vielseitig, damit «trockene» Inhalte wie Grammatik auch spielerisch erlebbar werden.

Von Lisa Gubler, Mitarbeiterin Leitung Weiterbildung am ILC Institute of Language Competence

Es war in einem A2-Deutschkurs, als Juan Carlos Dihlmann die Anwesenden nach ihrem Lebenstraum fragte. Ein Kursteilnehmer aus Thailand antwortete: «Lu sitti si». Niemand verstand, was er damit meinte und alle versuchten vergeblich, die Aussage zu entschlüsseln. Umso grösser waren die Verwunderung und das Lachen, als er «Route 66» an die Tafel schrieb. Da die Klasse sich bereits gut kannte, war es kein Auslachen, sondern eine spontane Reaktion des Erstaunens über die phonetischen Schwierigkeiten dieses asiatischen Deutschlerners. Solche Momente empfindet der Dozent als besonders interessant, denn: «Die Gegensätze der Leute sorgen bei mir regelmässig für Highlights. Sie bringen verschiedene Ideen und Konzepte in Bezug auf Sprache aus ihren Kulturen mit».

Mehrsprachigkeit schafft Verständnis

Besonders zugute kommt ihm im Falle von phonetisch bedingten Missverständnissen seine Mehrsprachigkeit. Als Deutsch-Argentinier mit griechischen Wurzeln spricht er sieben Sprachen (Deutsch, Spanisch, Englisch, Französisch, Italienisch, Portugiesisch und etwas Griechisch). In einem mehrsprachigen Umfeld aufzuwachsen hat nicht nur sein Sprachgefühl, sondern auch seine interkulturellen Kompetenzen gefördert, was in der DaF-/DaZ-Lehre ausgesprochen wichtig ist. Weil er mehrere Sprachen beherrscht und mit dem Klang zahlreicher Fremdsprachen vertraut ist, kann er inzwischen bestimmte Fehler der Lernenden voraussagen und passende Lerntipps vermitteln. Zudem kann er nachvollziehen, warum Menschen gewisser Sprachgruppen grössere Probleme mit bestimmten Phänomenen in den Bereichen Wortschatz, Grammatik, Rechtschreibung oder Aussprache haben als andere.

Der Erfolg der Klasse ist sein Applaus

An seinem Beruf gefällt ihm, dass er Menschen aus aller Welt Deutsch lehren kann, welche die Sprache wirklich erlernen wollen, um beispielsweise ihre Deutschkompetenzen für den Alltag oder Beruf zu verbessern oder weil sie die Sprache später im Studium benötigen.

«Wenn ich am Schluss den Erfolg der Teilnehmenden sehe, ist das fast wie ein Applaus für mich und die Bestätigung meiner Arbeit».

Faszination für Sprachen

Bereits während seiner Schulzeit wurde ihm klar, dass er später einen Beruf mit Sprachen bzw. Sprechen ausüben wollte. Er begann sein Germanistik- und Romanistik-Studium an der Uni Konstanz und arbeitete nebenbei als Journalist für eine regionale Tageszeitung sowie für einen Radiosender. Je länger sein Sprachstudium dauerte, desto mehr entwickelte sich seine Leidenschaft für das Unterrichten. Deshalb erwarb er die Zusatzqualifikation «Deutsch als Fremdsprache» und unterrichtete bereits während der Ausbildung.  Der Weg an die ZHAW führte über Tätigkeiten an privaten Sprachschulen und an verschiedenen Hochschulen in Deutschland und der Schweiz. Seit über 10 Jahren unterrichtet er am Institute of Language Competence Deutsch als Fremdsprache und ist als Trainer im Bereich Phonetik und Ausspracheschulung tätig. Auf die Berufswahl angesprochen, entgegnet er mit Überzeugung: «Den eingeschlagenen Weg habe ich keinen Tag meines Lebens bereut».

Von «Route 66» zu «Lu sitti si»

Nun aber noch die Auflösung zum Rätsel «Lu sitti si». Warum spricht ein Thailänder «Route 66» auf diese Weise aus? – Es ist bekannt, dass viele Asiaten Mühe mit der Aussprache des R-Lauts haben. Zudem ist es für sie schwierig, bestimmte Konsonanten am Silben- oder Wortende auszusprechen. Deshalb wurde aus dem Wort «Route» ein simples «lu». Auch Konsonantenhäufungen wie «xt» in «sixty» sind für sie eine Herausforderung und werden deshalb reduziert – in diesem Fall auf ein «t». So schnell wird aus «Route 66» ein «Lu sitti si» – nur ein Beispiel aus dem vielseitigen Berufsalltag von Juan Carlos Dihlmann.


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