Carmen Koch und Nadine Klopfenstein von IAM Institut für Angewandte Medienwissenschaft

Keine Angst vor (Spiel-)Regeln in der Freiwilligenkommunikation

Nirgends sind Organisationen so auf das Engagement von Mitarbeitenden angewiesen wie in der Freiwilligenarbeit. Doch wie fördert man die Verbindlichkeit von unbezahlter Arbeit? Eine dreiteilige Studie des IAM Institut für Angewandte Medienwissenschaft gibt Einblicke in die Freiwilligenkommunikation und zeigt Ansatzpunkte auf, wie Freiwillige in Zeiten der digitalen Transformation besser eingebunden werden können.

Von Carmen Koch, Koordinatorin Forschung & Entwicklung und Beratung, Dozentin, Projektleiterin, und von Nadine Klopfenstein, Wissenschaftliche Mitarbeiterin am IAM Institut für Angewandte Medienwissenschaft

Digitale Kanäle vereinfachen die Kommunikationsabläufe in Organisationen: Terminabsprachen sind unkomplizierter möglich, Meetings finden orts- und zeitunabhängig statt und kurzfristige Änderungen sind schnell an alle Betroffenen weitergeleitet. Auch Freiwillige und ihre Ansprechpersonen in Non-Profit-Organisationen sehen diese Vorteile der digitalen Kommunikation, vor allem in Bezug auf die Organisation von Einsätzen. Das grosse «Aber» bleibt dennoch nicht aus: «Der Nachteil ist, dass digitale Kommunikation relativ unverbindlich ist», so der Tenor unter den Freiwilligenkoordinatoren verschiedener NPO’s. Was den KoordinatorInnen vor allem zu schaffen macht, ist die Unberechenbarkeit der Freiwilligen. «Ich kann über digitale Kanäle schnell einmal ‹Ja› sagen.» Über die Verbindlichkeit der Anmeldung sage das aber noch wenig aus, sind sich die KoordinatorInnen einig. Die Frage ist: Wie sollen sie mit dieser zunehmenden Unverbindlichkeit der Freiwilligen in Zeiten der digitalen Transformation umgehen?

Auswirkungen der Digitalisierung auf die Freiwilligenkommunikation

Gemeinsam mit Studierenden haben wir, Nadine Klopfenstein und Carmen Koch, Forscherinnen am IAM Institut für Angewandte Medienwissenschaft der ZHAW, uns mit dieser Frage beschäftigt. In einer dreiteiligen Studie haben wir untersucht, welche Auswirkungen die Digitalisierung auf die Kommunikation zwischen Organisationen und für sie tätige Freiwillige hat. Die Resultate wurden diesen Herbst an einem öffentlichen Anlass VertreterInnen unterschiedlicher NPO’s vorgestellt und geben Einblicke, welche Rahmenbedingungen in der digitalisierten Freiwilligenkommunikation die Verbindlichkeit und das Engagement von Freiwilligen erhöhen können.

Dank Regeln mehr Freiwilligen-Engagement

Eine zentrale Erkenntnis aus der Studie ist, dass kaum eine Non-Profit-Organisation über Regeln für die digitale Freiwilligenkommunikation verfügt; sei dies auf Organisations-, Regions- oder Teamebene. Dahinter steht die Angst, die Freiwilligen mit einem Regelwerk zu sehr einzuengen und dadurch ihr Engagement zu beschneiden. Diese Angst ist unberechtigt, fanden die Forscherinnen heraus. Die Freiwilligen geben an, dass sie keine Mühe mit einem Regelwerk und klaren Abmachungen zur Kommunikation innerhalb ihrer Freiwilligentätigkeit hätten. Ganz im Gegenteil: Bei den wenigen NPO’s wo Freiwillige mit Kommunikationsregeln in Kontakt kommen, glauben sie, dass Projekte speditiver durchgeführt werden. Dies ganz unabhängig davon ob sie offen gegenüber digitalen Medien eingestellt sind oder nicht.

Bild: Twitter Account @socbe von Chris Buehler, Network und Volunteer Coordinator Greenpeace

Wir plädieren daher dafür, dass NPO’s auch in der Kommunikation mit und unter den Freiwilligen Spielregeln aufstellen und diese vorleben. Damit ist es nicht nur möglich Verbindlichkeiten einzufordern, sondern auch die Abläufe effizienter zu gestalten. Beides führt zu einer höheren Motivation der Freiwilligen und damit schliesslich zu mehr Engagement.

Regeln helfen aber nicht nur Verbindlichkeiten zu schaffen, sondern auch Stress bei den KoordinatorInnen und den Freiwilligen zu reduzieren. Wir haben festgestellt, dass oftmals sowohl KoordinatorInnen als auch Freiwillige das Gefühl haben, einer unausgesprochenen Erwartung gerecht werden zu müssen. Diese Erwartungshaltung löst Stress bei den Betroffenen aus. Werden die Erwartungen diskutiert und gemeinsam Lösungen gefunden, kann dies das Gefühl des «Gestresst-Seins» reduzieren.

Bild: Twitter Account @socbe von Chris Buehler, Network und Volunteer Coordinator Greenpeace

Grenzen der digitalen Kommunikation

Eine weitere zentrale Erkenntnis aus der Studie ist das Auftreten des «Generation-Gap», wie wir Forscherinnen ihn nennen. Die Daten der Studie zeigen, dass Personen im Alter von über 50 Jahren deutlich weniger bereit sind mit digitalen Medien zu arbeiten und sich öfter mit diesen Kanälen überfordert fühlen als jüngere. Daher empfehlen wird den KoordinatorInnen in der Freiwilligenkommunikation darauf zu achten, dass sie auch tatsächlich alle mit dem gewählten Kommunikations-Kanal erreichen können. So macht es wenig Sinn, bei über 50-jährigen Freiwilligen ein Projektmanagement-Tool einführen zu wollen. Die Praxis ist sich dieses «Gaps» aber durchaus bewusst, weshalb traditionelle Kanäle wie E-Mail und der persönliche Kontakt nach wie vor bevorzugt werden.

Diese Vorgehensweise bringt gleich noch einen weiteren Vorteil mit sich: Über den persönlichen Austausch kann Wertschätzung gegenüber den Freiwilligen besser zum Ausdruck gebracht werden. Obwohl sich in der Studie herausgestellt hat, dass Wertschätzung über digitale Medien möglich ist, reicht die digitale Anerkennung nicht aus. Sprich: Ganz ohne den persönlichen Kontakt kann die Arbeit eines Freiwilligen nicht ausreichend honoriert werden. Und wie jeder weiss, der freiwillig tätig ist: Die Wertschätzung der geleisteten Arbeit ist nach wie vor zentral, um Freiwillige für ihr Engagement zu motivieren.

Bild: Twitter Account @socbe von Chris Buehler, Network und Volunteer Coordinator Greenpeace


Gemeinsam mit Studierenden haben sich die Forscherinnen Nadine Klopfenstein und Carmen Koch von 2018-2019 mit dem Thema Freiwilligenkommunikation beschäftigt und die Frage gestellt, welche Auswirkungen die Digitalisierung auf die Kommunikation zwischen Organisationen und für sie tätige Freiwillige hat. Die Resultate wurden diesen Herbst an einem öffentlichen Anlass NPO-VertreterInnen vorgestellt. Die in diesem Blogbeitrag abgebildeten Tweets wurden am Tag dieses Anlasses publiziert. Das Projekt ist Teil des Themenschwerpunktes «Digitale Transformation und Kommunikation» des Forschungsschwerpunktes Organisationskommunikation und Management am IAM Institut für Angewandte Medienwissenschaft der ZHAW Zürcher Hochschule für Angewandte Wissenschaften.


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