Roboter spielen in der PR-Arbeit von Banken (noch) eine Nebenrolle

Können Roboter Aufgaben von PR-Profis übernehmen? Im Rahmen meiner Masterarbeit an der ZHAW habe ich untersucht, wie Fachleute aus der Unternehmenskommunikation und PR mit dem Thema Automatisierung umgehen. In der Arbeit habe ich spezifisch die Situation von Banken untersucht. Grundlage der Arbeit war eine Befragung von acht Kommunikations-Profis aus dem Bankensektor in der Schweiz. Die wichtigsten Erkenntnisse daraus sind in diesem Artikel zusammengefasst.

von Pascal Künzli, Absolvent MAS Communication Management and Leadership am IAM Institut für Angewandte Medienwissenschaft

Digitale Disruption krempelt den Bankensektor um

Bevor ich zu den eigentlichen Resultaten der Untersuchung komme, lohnt sich ein Blick auf die aktuelle Situation und Entwicklungen in der Bankenbranche. Denn aufgrund dieser Entwicklung habe ich mich dazu entschlossen, die Untersuchung in der Unternehmenskommunikation von Banken durchzuführen und nicht in einer anderen Branche. Wer direkt zu den Ergebnissen möchte, klickt hier.

Traditionelle Banken stehen unter hohem Veränderungsdruck. Die fortschreitende Digitalisierung und neue Technologien wie etwa die Blockchain fordern bisherige Geschäftsmodelle heraus. Begriffe wie «bankenlose Verbraucher» geistern durch die Branche und gerade die grossen Retail-Banken stehen unter Zugzwang. Ein Vorgehen nach der Devise «weiter wie bisher» ist nicht möglich. Am Markt tauchen neue Wettbewerber auf, die traditionelle Banken in ihren Kerngeschäften bedrängen:

  • Ein Beispiel dafür sind etwa Smartphone-Banken wie Revolut oder Neon. Sie drängen mit neuen Apps auf den Markt und erfreuen sich dank einem komfortablen Nutzererlebnis hoher Beliebtheit – gerade bei jüngeren Zielgruppen. Und sie überzeugen auch mit ihren Finanzdienstleistungen: viele Smartphone-Banken haben markant niedrigere Wechselkurse und Gebühren im Vergleich zu den klassischen Banken.
  • Andere Beispiele sind Fintech-Firmen wie Transferwise mit ihrer Instant Payment Lösung oder Truewealth, die im Bereich Robo Advisory und Social Trading tätig sind.

Das Global Center for Digital Business Transformation hat in einer Umfrage aus dem Jahr 2015 941 Führungspersonen aus 12 Industrien befragt, wie stark die digitale Disruption ihre Branche verändert (Bradley et al., 2015). Die Studie kommt zum Schluss, dass digitale Disruption am stärksten die Technologie-Branche, die Medien- und Unterhaltungsbranche, den Retail-Bereich sowie die Finanzbranche trifft.

Natürlich sind die traditionellen Banken angesichts dieser Entwicklungen nicht untätig. Im Gegenteil. In den letzten Jahren investierten die Banken in der Schweiz massiv in ihren Service und in die Infrastruktur. Ganz weit oben stehen Investitionen in die IT-Infrastruktur. Mit Automatisierungen, beispielsweise im Backoffice, senken Banken ihre Kosten und verbessern den Service und das Kundenerlebnis.

Wie reagiert die Unternehmenskommunikation auf den Wandel?

Banken sind durch die Digitalisierung also einem besonders starken Wandel ausgesetzt, stehen im Innovationswettbewerb mit Fintech-Startups und investieren nachweislich bereits viel in Automatisierung. Vor diesem Hintergrund habe ich mir die Frage gestellt, wie es denn um die Unternehmenskommunikation bei Banken steht. Nutzen sie Automatisierung ebenso wie andere Abteilungen der Bank wie eben z.B. das Backoffice? Befassen sich die PR-Profis mit Themenfeldern wie Big Data? Setzen sie künstliche Intelligenz ein? Die Leitfrage für mich war letztlich:

Bedeutet Digitalisierung und mehr Automation bei Banken auch mehr Automation in den Kommunikationsabteilungen?

Um diese Frage zu beantworten, führte ich eine qualitative Befragung mit Kommunikations-Profis von acht in der Schweiz geschäftstätigen Banken durch. Die Befragung konzentrierte sich auf die Situation in der Unternehmenskommunikation. Und das finde ich besonders spannend. Denn während im Marketing sowohl durch die Praxis als auch durch Forschung und Literatur viel Konkretes zum Thema Automatisierung beigetragen wird, sind solche Technologien in der Unternehmenskommunikation ein noch mehrheitlich unbeschriebenes und unerforschtes Blatt.

Zwar werden Themen wie künstliche Intelligenz mehr und mehr diskutiert, in der Praxis etabliert haben sich solche Technologien noch längst nicht. Belegt wird dies auch durch Studien. Eine Umfrage unter 2’710 Kommunikations-Fachleuten aus 43 europäischen Ländern zeigt, dass die Wichtigkeit und Bedeutung von Big Data und Automatisierung unter den Fachleuten als hoch eingeschätzt wird, dass jedoch die Kompetenzen in diesem Bereich oft fehlen und die Möglichkeiten nur begrenzt genutzt werden.

Doch wieso hinkt die Unternehmenskommunikation – unabhängig der Branche – in Sachen Automation hinten nach? Sind PR-Profis weiter weg von Technologien, ist das Wissen dazu nicht vorhanden, ist man skeptisch gegenüber neuen Tools? Oder ist die strategische Kommunikation, die sich auf Vertrauen, Reputation und das Beziehungsnetz einer Organisation mit ihren Stakeholdern konzentriert, ganz einfach nicht in dem Masse automatisierbar wie ein absatzorientiertes Marketing? Gerade zu dieser Frage kam es in der Untersuchung zu spannenden Gesprächen und für mich auch überraschend klaren Resultaten.

Pascal Künzli, Absolvent MAS Communication Management and Leadership
am IAM Institut für Angewandte Medienwissenschaft

Erkenntnisse aus der Untersuchung

Die Befragung führte ich von März bis Juni 2019 durch und ist nicht repräsentativ. Sie gibt lediglich einen Eindruck in die Praxis. Alle Interviews wurden anonymisiert, daher werden keine Namen genannt.

Erkenntnis 1: Automatisierung ist in der Unternehmenskommunikation angekommen

Die Gespräche mit den Kommunikatoren haben gezeigt, dass Automatisierung in der Unternehmenskommunikation Realität ist. Am häufigsten wird in der Situationsanalyse oder in der Evaluationsphase automatisiert. Etabliert sind Automatisierungen in der Medienbeobachtung, im Online- und Offline-Monitoring sowie bei Reputationsanalysen. In diesem Bereich sind auch KI-gestützte Anwendungen im Einsatz: Vier Abteilungen führen im Online-Monitoring Sentiment-Analysen durch, die auf Machine Learning aufbauen. Die Kommunikatoren nutzen aktiv Big-Data-Anwendungen.

Über das Feld der Analysen hinaus ist Automatisierung jedoch deutlich seltener anzutreffen. Eine Abteilung setzt einen Chatbot ein, eine weitere testet einen Newsbot. Drei Abteilungen experimentieren mit KI-gestützten Übersetzungen, mit vielversprechenden Resultaten:

«[…] wenn du siehst und spürst, wie die Algorithmen richtig lernen, sei es Sprachstil oder Wortwahl, dann muss ich sagen, wird es langsam richtig eng für die traditionellen Übersetzer».

Nicht vorhanden sind hingegen automatisierte Texterstellungen mittels NLG bzw. NLP. Auch in der Administration oder bei Standardaufgaben sind nur wenige Ansätze von Automatisierungen, etwa mit BPA, RPA oder Cognitive RPA, zu finden. Dies ist für mich eher überraschend, da Banken gerade bei diesen Aufgaben viel in die Automatisierung investieren. Die Gelder fliessen offenbar nicht in die Unternehmenskommunikation, sondern in das Backoffice oder das Marketing. Warum die Unternehmenskommunikation nur wenig von der Automatisierungs-Offensive der Banken profitiert, kann aufgrund der Ergebnisse nicht klar beantwortet werden. Eine mögliche Erklärung könnte sein, dass das Kostensenkungs-Potential bei anderen Abteilungen schlicht höher ist:

«Automatisierung ist ein grosses betriebswirtschaftliches Thema, weil man überall nach Effizienzsteigerungsmöglichkeiten sucht».

Erkenntnis 2: Automatisierung wird zur Entlastung eingsetzt

Doch nicht nur in der Bank allgemein, sondern auch in der Unternehmenskommunikation ist Effizienzsteigerung das Ziel Nr. 1 bei der Automatisierung. Das zeigte sich im geäusserten Verständnis von Automatisierung, in der Einschätzung des Potentials oder in der Bewertung der Chancen der Automatisierung. Unter dem Begriff Effizienz wird primär verstanden, personelle Ressourcen zu entlasten und Kosten einzusparen. Automatisierung zur Entlastung ist ein Ansatz, den einige PR-Experten vertreten, wie zum Beispiel Yaxley et. al. (2018) vertreten.

Interessant ist, dass Effizienzsteigerung als Ziel genannt wird, dass aber überwiegend in der Situationsanalyse und in der Evaluation automatisiert wird. Obwohl auch dort Effizienz wichtig ist, geht es doch primär um einen Erkenntnisgewinn zur Steigerung der Qualität der Kommunikation. Die Befragten sehen Automatisierung somit nicht primär als Mittel um die Kommunikation zu verbessern, sondern um bei repetitiven Standardaufgaben Ressourcen zu sparen. Exemplarisch ist dieses Statement:

«[…] Automatisierung ist so zu verstehen, dass gewisse Nebentätigkeiten automatisiert werden».

Erkenntnis 3: Menschliche Fähigkeiten sind in der PR-Arbeit in vielerlei Hinsicht unersetzlich

Fünf der acht Befragten sind der Meinung, dass es in der Kommunikation klare Grenzen der Automatisierung gibt. Diese Ansicht äusserte sich in zwei Ausprägungen. Erstens: Der Automatisierung wird eher wenig zugetraut. Fünf Kommunikatoren fürchten beispielsweise Reputationsrisiken durch fehlerhafte oder unzureichende Automatisierungen. Zweitens: Es gibt menschliche Fähigkeiten, welche die Befragten grundsätzlich keiner Maschine zutrauen. Dazu zählen:

  • sprachliche Ausdrucksfähigkeit
  • Einfühlungsvermögen
  • soziale Interaktionsfähigkeit
  • Beurteilungsfähigkeit
  • Entscheidungsfähigkeit
  • Situative Einbezug von Wissen aus unterschiedlichen Bereichen und Quellen

Diese Fähigkeiten beurteilen die Befragten als zentral für ihre Arbeit. So müssen in der Praxis Botschaften oft juristisch geklärt, Interessen von diversen Stakeholdern abgewogen, Wörter mit Bedacht gewählt und die Tonalität mit Fingerspitzengefühl justiert werden. Da diese Fähigkeiten einerseits keiner Maschine zugetraut werden, anderseits aber Voraussetzung für die Kommunikationsarbeit sind, stellen sie aus Sicht der Befragten die Grenze der Automatisierung dar.

Ob diese Ansicht auch von anderen Kommunikatoren der Bankbranche geteilt wird, wäre eine Frage für künftige Untersuchungen. Das Ergebnis passt jedoch zur Sichtweise der Befragten, dass Automatisierung eher für repetitive Standardaufgaben interessant ist – und nicht für Kerntätigkeiten der PR wie beispielsweise eben das Schreiben einer Mitteilung.

Erkenntnis 4: Kommunikations-Profis sehen Potential

Diese Grenzen der Automatisierung durch den oben erwähnten Faktor Mensch sind in der Praxis allerdings durchlässig, wie die Ergebnisse zeigen. Denn die Befragten sehen auch Potentiale in ihren Kommunikationsabteilungen, die über Standardaufgaben hinausgehen.

Interessant sind zwei Abteilungen, die sich den Einsatz von Predictive Analytics zur Erstellung von Prognosen vorstellen können. Das grösste Potential für Automatisierungen sehen die Befragten in der Situationsanalyse und in der Evaluation von Kommunikationsmassnahmen. Darüber hinaus sehen die Befragten bei Übersetzungen, im Publishing, in der Kollaboration sowie bei Standardprozessen Potential zur Automatisierung. Diese erkannten Potentiale werden teilweise auch in konkrete, geplante Projekte überführt. Eine Abteilung hat das Predictive-Analytics-Projekt fest eingeplant. Drei Abteilungen planen, ihre Testphasen bei automatisierten Übersetzungen fortzuführen. Darüber hinaus sind Newsbots, Redaktionstools, Publishing-Workflows und Social-Listening-Projekte geplant, die alle Automatisierung beinhalten. Die Mehrheit der Befragten plant diese Projekte mit dem Ziel, die Effizienz zu steigern.

Erkenntnis 5: Der Erfolg von Automatisierungs-Projekten hängt von kulturellen, strategischen und strukturellen Faktoren ab

Ob Automatisierungs-Projekte Erfolg haben, hängt von mehreren Faktoren ab. Die Befragung hat ergeben, dass kulturelle, strategische und strukturelle Faktoren relevant sind und zusammenspielen. Auf der kulturellen Ebene wirkt Offenheit für Neues besonders positiv. Eine offene Einstellung der Belegschaft schafft Akzeptanz und Bereitschaft für neue Lösungsansätze. Auf strategischer Ebene wirkt es begünstigend, wenn ein klares Commitment der Geschäftsleitung für Automatisierung und Digitalisierung vorhanden ist, wenn eine Digitalstrategie definiert ist und entsprechende Budgetressourcen für die Umsetzung der Strategie bereitstehen. Auf struktureller Ebene sind negativ beeinflussende Faktoren wichtig: Vorschriften, bankenspezifische Regulierungen und Datenschutz sind zentrale Engpässe, die es bei Automatisierungs-Projekten zu überwinden gilt.

Faktoren auf diesen drei Ebenen sind also massgeblich für die Einführung von Automatisierung. Spezifische Zusammenhänge zwischen Bankengrösse oder Bankentyp in Bezug auf die Einführung von Automatisierung oder insgesamt auf den Stand der Automatisierung konnten nicht identifiziert werden.

Fazit

Die eingangs gestellte Frage «Bedeuten automatisierte Banken auch automatisierte Kommunikationsabteilungen?» kann nicht mit Ja und Nein beantwortet werden. Automatisierung ist bei den Befragten zwar ein Thema, insbesondere wenn es um Datenauswertungen oder Social-Listening geht. Darüber hinaus spielt Automatisierung jedoch eher eine geringe Rolle. Auf einer Automatisierungs-Welle scheinen die Kommunikationsabteilungen also nicht zu reiten.

Insgesamt hat Automatisierung noch keine hohe Priorität in den Kommunikations-Abteilungen. Es ist spürbar, dass die konkreten Möglichkeiten durch Automatisierung nicht klar sind. Entsprechend halten sich die Projekte und Anstrengungen in diesem Bereich eher in Grenzen. Und wenn es um die Kerntätigkeiten der Unternehmenskommunikation geht, also beispielsweise das Formulieren von Botschaften oder den Beziehungsaufbau mit Journalisten und anderen Stakeholdern, so sehen die Kommunikations-Profis wenig Potential zur Automatisierung.

Angesichts der Entwicklungen im Bereich der künstlichen Intelligenz wird sich in den nächsten Jahren zeigen, inwiefern sich die Erkenntnisse bestätigen oder ob Roboter doch immer stärker in die Prozesse der PR-Abteilungen eingebunden werden. Fest steht, dass Automatisierung die Effizienz und die Qualität der Unternehmenskommunikation verbessern kann. Heute mehrheitlich durch die Automatisierung von einfachen, repetitiven Tätigkeiten, morgen vielleicht auch durch die Unterstützung bei der Texterstellung oder im Dialog mit Stakeholdern. So oder so sollten sich PR-Profis mit Automatisierung auseinandersetzen.

Ein erster Schritt dazu könnte sein, in diesem Bereich verstärkt mit dem Marketing zusammenzuarbeiten. Denn dort ist Automatisierung vielfach schon tiefer in die Prozesse integriert und einige davon können durchaus auch für die Unternehmenskommunikation und PR relevant sein. Gerade im Bereich von Social-Listening oder Big Data Analytics ergeben sich Synergien. Aber auch ohne Starthilfe durch das Marketing können PR-Abteilungen Automatisierung einführen: etwa durch spezifische RPA-Lösungen oder durch Tools, die ganz bestimmte Aufgaben voll- oder teilautomatisiert ausführen können.


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Pascal Künzli, Absolvent CAS Digitale Transformation und Kommunikation

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