«An der ZHAW wurde ich optimal auf die Arbeit im Privatsektor vorbereitet»

Daniela Hostettler ist selbständige Konferenzdolmetscherin und erfüllte sich mit ihrer Berufswahl einen Kindheitstraum. Die IUED-Absolventin erzählt uns im Interview, worauf sie im Arbeitsalltag achten muss und was Fussball damit zu tun hat.

von Mauro Werlen, Redaktion Language matters

Gleich nach ihrem Abschluss stürzte sich Daniela ins Arbeitsleben. Ohne Scheu und Berührungsängste, frech und direkt. Und vor allem selbstbewusst: «Meine grosse Klappe half mir da sicher», fängt sie lachend an zu erzählen, führt dann aber ernst fort: «Man muss auf Leute zugehen können, sonst hat man es schwer». Das Dolmetschen als Netzwerkberuf? Da in der Schweiz die meisten DolmetscherInnen auf selbständiger Basis arbeiten, gehört das Netzwerken zum Alltag.

Schon als Kind träumte Daniela davon, Dolmetscherin zu werden, dachte aber lange, das sei nur etwas für Leute wie Diplomatenkinder und nichts für sie. Zum Glück traf ihre Befürchtung nicht zu: Nach der Handelsschule in Neuchâtel arbeitete sie zuerst als Rezeptionistin und entschied sich nach ein paar Jahren dafür, ihren Kindheitstraum zu verwirklichen.

Gut vorbereitet ins Berufsleben

Wenn Daniela nicht in der Dolmetschkabine sitzt, dann bereitet sie sich auf Einsätze vor, liest sich in Themen ein und erstellt Glossare. Sie schaut aber auch, dass sie  Aufträge erhält, erledigt Büroarbeit, macht die Buchhaltung: «Wir hatten im Master sogar ein eigenes Fach dafür und wurden auch optimal auf die Arbeit als Selbstständige vorbereitet.» Ganz wichtig seien zudem eine gute Organisation des Alltags, Selbstdisziplin und Stressresistenz. Alles Dinge, die im Studium getestet wurden: «Manchmal habe ich das Gefühl, dass das Studium fast härter war als das Berufsleben», fügt sie mit einem Lachen hinzu.

Daniela wohnt schon länger in Lausanne und wollte fürs Studium eigentlich nach Genf an die FTI, hätte aber aufgrund der Aufnahmebestimmungen ein paar Jahre warten müssen. Da sie sofort anfangen wollte, entschied sie sich für die ZHAW und ist heute sehr froh darüber: «In Winterthur wurde ich optimal auf die Arbeit im Privatsektor vorbereitet. Die Dozierenden sind unglaublich nah an der Praxis und berichteten regelmässig aus dem Berufsalltag. Und wir arbeiteten mit echten Reden und Dokumenten, das ist Gold wert für den beruflichen Alltag.»

Den typischen Arbeitstag gibt es nicht

Jeder Tag bringt Neues mit sich, jede Woche sieht anders aus: Mal ist es eine Firmenführung in einem Sägewerk, mal eine Generalversammlung einer Versicherung, mal ein Medizinkongress. Das sind die Seiten, die Daniela besonders an ihrem Job schätzt: «Ich finde es enorm bereichernd, dass ich mich teilweise in komplett neue Themen einarbeiten muss und so Bereiche kennenlerne, von denen ich niemals dachte, dass ich sie interessant finden könnte.»

Zudem kann gemäss Daniela bei fast jedem Einsatz irgendetwas Unerwartetes passieren. Kürzlich fing ein Referent an einer Konferenz plötzlich an, Französisch zu reden anstatt Deutsch, wie eigentlich vereinbart. Für Daniela kein Problem, sie beherrscht diese Sprachkombination in beide Richtungen. Allerdings löste sich beim Einschalten der Hebel am Mikrofon und sie konnte es nicht mehr ausschalten. Das ist ein Problem, weil sich DolmetscherInnen normalerweise alle 30 Minuten abwechseln und nicht beide Mikrofone gleichzeitig laufen können. Ihr Dolmetschpartner richtete kurzerhand die Kabine nebenan ein, Daniela zog den Stecker bei sich und vollzog während der Rede einen fliegenden Wechsel in die andere Kabine. Natürlich ohne dass das Publikum etwas davon bemerkte. «In solchen Situationen muss man einen kühlen Kopf bewahren, das ist aber zu einem grossen Teil auch Übungssache. Und es hält den Geist wach.»

Die Weichen rechtzeitig stellen – und dranbleiben

«Schon vor dem Studium solltet ihr euch Gedanken über eure Sprachkombination machen. Wenn ihr in der Schweiz arbeiten möchtet, kommt ihr ohne aktive Französischkenntnisse nicht weit.» Schmunzelnd fügt sie an: «Und informiert euch über Fussball.» Das klinge zwar auf ersten Blick merkwürdig, aber oft würden morgens vor der eigentlichen Konferenz die Anekdoten zum Spiel vom Vorabend ausgetauscht: «Es hilft, wenn man wenigstens die Vereine kennt. Zudem sind Fussballmetaphern recht beliebt in Reden zur Firmenkultur.»

Sie hofft, dass sie auch in Zukunft weiterhin als Dolmetscherin arbeiten kann und ist sehr zufrieden mit ihrer jetzigen Situation. Dies im Bewusstsein, dass die künstliche Intelligenz schnell Fortschritte macht: «Man muss dranbleiben und die Technologien für sich nutzen.» Solange die Situation so bleibt, wie sie ist, nutzt sie ihre Berufswahl gerne auch dafür, ihren Vater zu necken: «Ich war als Kind ein ziemliches Plappermaul, mein Vater meinte scherzhaft, dass ich später nicht fürs Reden bezahlt würde. So kann man sich täuschen.»


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