Immer mehr Organisationen ermuntern ihre Mitarbeitenden, sich selbst als VertreterInnen der Organisation in öffentliche Diskurse einzubringen und entsprechend als Influencer zu wirken. Gleichzeitig verwischen die Grenzen zwischen beruflicher und privater Kommunikation; Mitarbeitende äussern sich auf Social Media zu Themen, welche die eigene Organisation betreffen, ohne dass klar wird, ob sie dies als Privatperson oder im Namen der Organisation tun. Dies schafft für Unternehmenskommunikation und Journalismus gleichermassen Chancen und Risiken. Diese diskutierten wir am IAM live vom 6. Juni 2018 mit unseren Podiumsteilnehmenden und rund 200 Gästen (nachzuhören und -sehen im aufgezeichneten Live-Stream der Veranstaltung). Sind aber alle Mitarbeitenden, die sich auf Social Media über das Unternehmen äussern, Influencer? Auf diese Frage gehen wir im Folgenden ein.
von Prof. Dr. Nicole Rosenberger, Professorin für Organisationskommunikation und Management, und Markus Niederhäuser, Leiter Weiterbildung, beide am IAM
Immer häufiger äussern wir uns im Social Web über unsere Arbeit und oder unseren Arbeitgeber. Mitunter gelangen diese Äusserungen aufgrund technischer Pannen an die Öffentlichkeit, wie etwa im Fall des SBB-Zugführers Markus L., dessen Video eigentlich für die Generalversammlung des Verbands Schweizer Lokführer und Anwärter (VSLF) gedacht war. Mitunter zeugen sie von Unbedachtheit und mangelndem Gespür für professionelles Verhalten. Dies zeigte sich beispielsweise im Fall einer CEO-Assistentin, die auf ihrem privaten Instagram-Account Bewerbungsbriefe postete und sich über die Deutschfehler der BewerberInnen mokierte.
Alle Mitarbeitenden haben heute über Social Media die Möglichkeit, das Image ihres Arbeitgebers in der Kommunikationsarena mitzugestalten. Dabei haben die Verbreitungsgeschwindigkeit und die Reichweite der Äusserungen von Mitarbeitenden im Vergleich zu analogen Zeiten deutlich zugenommen. Der Versandhändler Otto nutzt dies gezielt und setzt ausgewählte Mitarbeitende als sogenannte Influencer für das Employer Branding ein (s. dazu S. 4 unserer «IAM live»-Präsentation).
Mitarbeitende sind immer BotschafterInnen
Sind nun aber alle Mitarbeitenden, die sich auf Social Media betätigen, Influencer? Die Bezeichnung «Influencer» wird schon fast inflationär und sehr unterschiedlich verwendet, nicht selten auch als Synonym zum Begriff «BotschafterIn». Wir schlagen in Anlehnung an Annika Schach vor, diese beiden Konzepte klar voneinander abzugrenzen. Denn grundsätzlich sind Mitarbeitende immer BotschafterInnen des Unternehmens, unabhängig davon, ob ihnen das bewusst ist oder nicht. Sie prägen über ihre Arbeit und ihr Kommunikationsverhalten gegenüber Kunden oder auch Lieferanten das Image des Unternehmens mit und beeinflussen damit auch dessen Reputation. Zudem werden Mitarbeitende von Angehörigen und Bekannten und – gerade in Krisenzeiten – teilweise auch von Medienschaffenden als glaubwürdige Informationsquellen und damit als BotschafterInnen des Unternehmens betrachtet.
Influencer-Funktion setzt spezifische Themenkompetenz voraus
Was ist nun in Abgrenzung dazu ein Influencer? Influencer sind Personen, die eine hohe Glaubwürdigkeit für spezifische Themen besitzen und diese über digitale Kanäle einer breiten Personengruppe zugänglich machen können. Dazu benötigen sie eine zentrale Stellung in ihrem Netzwerk, Persönlichkeitsmerkmale wie Selbstbewusstsein, Ausstrahlung und Durchsetzungsvermögen, aber auch eine hohe Kommunikationskompetenz. Influencer erarbeiten sich ihre Stellung autonom, zum Beispiel auf der Basis von Wissen oder Erfahrung, oder gelangen aufgrund ihrer persönlichen Ausstrahlung und/oder ihres Talents in diese Position.
BotschafterInnen und Influencer unterscheiden sich durch Wirkungslogik
Wo liegen in dieser theoretischen Einordnung die wichtigsten Gemeinsamkeiten und Unterschiede zwischen BotschafterInnen und Influencern? Beide Gruppen fungieren als Multiplikatoren, über die – gezielt oder ungewollt – spezifische Zielgruppen des Unternehmens erreicht werden können. Als Meinungsführer respektive Opinion Leader können sie beide die Einstellungs- und Verhaltensabsichten von Menschen in ihrem Umfeld beeinflussen. Das aus unserer Sicht wichtigste Unterscheidungsmerkmal ist die Logik, aufgrund derer diese Beeinflussungswirkung erst möglich wird. Die Überzeugungskraft von Mitarbeitenden in der Rolle als «Corporate Influencer» beruht auf ihrer Themenführerschaft im Social Web. In der Funktion als interne BotschafterInnen stützt sich ihr Einfluss hingegen auf ihren sozialen Status, den sie innerhalb des Unternehmens geniessen, zum Beispiel als sogenannte Change Agents in Veränderungsprozessen. Als externe BotschafterInnen wiederum werden sie unter Nutzung ihrer persönlichen Netzwerke zum Bindeglied zwischen Unternehmen und Umwelt, indem sie beispielsweise attraktive Unternehmensbilder auf Facebook posten oder im Bekanntenkreis über die Produkte ihres Unternehmens sprechen.
Mit diesen Wirkungslogiken verknüpft ist zugleich der von den beiden Opinion-Leader-Typen zu erreichende Personenkreis. Corporate Influencer erreichen über ihre spezifische, mit ihrer persönlichen Glaubwürdigkeit verknüpfte Themenkompetenz externe und interne Personengruppen, die genau an dieser Thematik interessiert sind. Interne BotschafterInnen hingegen entfalten primär bei den Mitarbeitenden Wirkung, während externe BotschafterInnen bei den Stakeholdern im Unternehmensumfeld Gehör finden.
Auch wenn der Begriff «Influencer» nicht zuletzt wegen einiger unglaubwürdiger «Stars» und dem einseitigen Schielen auf Reichweite bereits etwas in Verruf geraten ist, sollte klar zwischen der BotschafterInnen- und der Influencer-Rolle von Mitarbeitenden differenziert werden. Denn das Begleiten und Befähigen der Mitarbeitenden ist rollenspezifisch zu leisten.
Auch bei externen Personen ist zwischen BotschafterInnen und Influencern zu unterscheiden
Wie bei den internen Meinungsführern lässt sich auch bei externen Personen aufgrund der Wirkungslogik zwischen MarkenbotschafterInnen und Influencern unterscheiden. Engagieren etwa die beiden Unternehmen Jura und Credit Suisse mit Roger Federer den gleichen Markenbotschafter, so setzen sie auf dessen Prominenz und erreichen weltweit eine sehr breite Bevölkerung. Die Wirkung von externen Personen als Influencer hingegen bezieht sich stets auf einzelne Themenbereiche. SAP setzt beispielsweise auf unabhängige Consultants und WissenschaftlerInnen, die über ihre Blogs und Posts Entscheidungsträger im IT-Bereich erreichen.
Ob BotschafterIn oder Influencer – Mitarbeitende müssen fit sein für die digitale Kommunikation
Schliesslich ist aus Sicht des strategischen Kommunikationsmanagements zu unterscheiden zwischen strategisch geplant eingesetzten internen und externen Opinion Leadern und Personen, die – unabhängig von der Kommunikationsstrategie – in für das Unternehmen strategisch zentralen Bereichen Einstellungs- und Verhaltensabsichten in ihrem Umfeld beeinflussen können. Mit Blick auf beide Gruppen tun Kommunikationsabteilungen auf jeden Fall gut daran, die Mitarbeitenden des ganzen Unternehmens fit zu machen für die digitale Kommunikation.
Literatur zum Thema
- Annika Schach / Timo Lommatzsch: Influencer Relations – Marketing und PR mit digitalen Meinungsführern.
- Kerstin Hoffmann: Lotsen in der Informationsflut. Erfolgreiche Kommunikationsstrategien mit starken Markenbotschaftern aus dem Unternehmen.
Neues Weiterbildungsangebot: CAS Digitale Transformation und Kommunikation
Influencer und deren strategische Einbindung werden auch im neuen CAS Digitale Transformation und Kommunikation thematisiert.
Kursbeginn ist am 31. August 2018.
Weitere Informationen und Anmeldung
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