Lohnt sich Community Communication für Organisationen?

Community Communication ist eine Herausforderung für die Organisationskommunikation. Mittlerweile kommuniziert ein Grossteil der Schweizer KMU auf Social-Media-Kanälen, meistens vor dem Hintergrund einer Social-Media-Strategie. Die wenigsten nutzen jedoch die Kraft von virtuellen Gemeinschaften. Das kommt nicht von ungefähr.

von Prof. Dr. Aleksandra Gnach, Professorin für Medienlinguistik am IAM

Haben Sie jemals auf einer Reise einen Zwischenhalt in einem abgelegenen Dorf eingelegt? Dann kennen Sie das Gefühl: Sie kommen in das Dorf-Café und merken, dass Sie Aussenseiter sind. Die Leute begrüssen einander auf eine besondere Art und Weise, tauschen vielsagende Blicke aus, reden und lachen über Dinge, welche Sie nur erahnen können. Alle scheinen dazu zu gehören, nur Sie nicht. Sie werden ignoriert oder bestenfalls freundlich geduldet. Ausser, Sie haben etwas Besonderes zu bieten, etwas, woran die Gemeinschaft interessiert ist. Das neueste Modell eines Hybridautos zum Beispiel, von dem alle schon gelesen, es aber noch nie gesehen haben. Dann kommen Sie schnell ins Gespräch. Sie versuchen sympathisch zu wirken und Fettnäpfchen zu umgehen, indem Sie zuhören, nicht den falschen Witz erzählen oder überheblich sind. Wenn alles klappt, haben Sie Sympathiepunkte gesammelt, Vertrauen gewonnen und ihr Aufenthalt – so kurz er auch sein mag – wird zu einem Erlebnis. Schon steht die Flasche selbstgebrannten Schnaps auf dem Tisch und innert kürzester Zeit erfahren Sie, wo die besten Restaurants und die faszinierendsten Sehenswürdigkeiten der Gegend sind. Haben Sie aber unwissentlich die Bürgermeisterin beleidigt, weil Sie ihr nicht gebührend Aufmerksamkeit geschenkt haben, müssen Sie mit den ausgetretenen Touristenpfaden Vorlieb nehmen und auch der Schnaps bleibt hinter der Theke.

Dieselben Mechanismen spielen auch in der Community Communication: Es braucht eine scharfe Beobachtungsgabe, Empathie, viel Fingerspitzengefühl und Kommunikationskompetenz.

Communities sind soziale Gebilde, die auf echten Beziehungen und ehrlichem Engagement beruhen

Beides kommt nur zustande, wenn die Bedürfnisse der Community-Mitglieder erfüllt werden. Diese lassen sich auf den drei oberen Ebenen der Maslowschen Bedürfnispyramide verorten. Soziale Bedürfnisse sind dann erfüllt, wenn die Mitglieder die Möglichkeit haben, sich mit anderen auszutauschen und das Gefühl bekommen, Teil von etwas Grösserem zu sein – einer politischen Bewegung, einer gesellschaftlichen Strömung oder einfach einer Gruppe von Menschen mit gleichen Ansichten und Zielen. Wenn die Community-Mitglieder die Gelegenheit haben, etwas zur Gemeinschaft beizutragen und Anerkennung dafür bekommen, werden ihre Ich-Bedürfnisse gestillt. Selbstverwirklichung, die letzte Stufe der Bedürfnispyramide, wird dann erreicht, wenn die Community-Mitglieder eine Rolle innerhalb der Gemeinschaft einnehmen können, aufgrund ihrer Zugehörigkeit neue Fertigkeiten entwickeln oder wenn sich ihnen Möglichkeiten und Perspektiven erschliessen, die sie ohne die Community nicht hätten. Dies ist sowohl aus Unternehmenssicht als auch für die Community vor allem dann lohnenswert, wenn sich dies nicht nur auf die Onlinewelt beschränkt, sondern ein Transfer in die Praxis gemacht wird. Zum Beispiel, wenn Hobbyentwickler ihre Erfindungen bei Lego tatsächlich umsetzen können oder Migipedianer neue Produkte in die Migros-Regale bringen – dann ist ihr Bedürfnis nach Selbstverwirklichung umfassend erfüllt. Und das motiviert die Mitglieder, weiterhin Energie und Zeit in die Community zu investieren.

Erfolgreiche Community Communication ermöglicht Zugang zu Ressourcen

Die entscheidende Frage ist deshalb: Kann eine Organisation die Bedürfnisse einer Community erfüllen? Wenn nicht, lohnen sich Zeit- und Geldinvestitionen in diesem Bereich kaum. Denn trotz viel Aufwand wird es auf den Social-Media-Plattformen bei der Einwegkommunikation bleiben, vielleicht mit etwas Engagement und Feedback zwischendurch, mit tragenden Beziehungen ist aber nicht zu rechnen. Bestenfalls lässt sich ein loses Netzwerk von Followern oder Fans aufbauen, die nicht miteinander interagieren und vor allem eigenen Interessen nachgehen, die sich mit denjenigen der Organisation nur bedingt decken. Wenn eine Organisation aber eine Struktur hat, die es erlaubt, die Bedürfnisse der Community zu erfüllen und die Mitglieder Teil der Organisationsrealität werden zu lassen, dann eröffnen sich neue Dimensionen der Organisationskommunikation. In Fällen wie Lego oder Migros bringt Community Communication Innovation, Kundenbindung und einen direkten Draht zur Community und dadurch wertvolles Wissen darüber, was unsere Stakeholder bewegt. Es geht also um den Zugang zu Ressourcen, und damit zum sozialen Kapital.

Der Begriff “soziales Kapital” bezeichnet – vereinfacht gesagt – die Gesamtheit der aktuellen und potenziellen Ressourcen, die mit der Teilhabe an einem Netz sozialer Beziehungen verbunden sind. Die Spannbreite der Ressourcen reicht von exklusiven Informationen, über Know-how und Aufträge, zu welchen man nur über bestimmte Kontakte Zugang hat, bis hin zu Support und Rückhalt die man in intensiven Zeiten, wie Neubeginn oder Krise, von einer Community bekommt, mit der man durch echte Beziehungen verbunden ist. Der Preis, den man dafür zahlt, ist Zeit und Herzblut, denn die besten Beziehungen zerfallen, wenn man nicht in sie investiert.

Communities haben gesellschaftliche Sprengkraft

Das zeigen Sharing-Economy-Unternehmen wie Airbnb oder UBER, aber auch Organisationen wie die Republik, die durch erfolgreiche Community Communication und das soziale Kapital aller Beteiligten gesellschaftliche und wirtschaftliche Strukturen durchbrechen. Community Communication lohnt sich also durchaus, aber nur für Organisationen, die bereit sind, sich auf Communities einzulassen. Dazu braucht es eine Organisationskultur, die agil und flexibel ist, und genügend Spielraum lässt, um auf die jeweiligen Bedürfnisse, Werte und Kommunikationsformen von Communities einzugehen. Und es braucht Kommunikatorinnen und Kommunikatoren, die ihre Ideen mit Herzblut umsetzen, kommunikationskompetent sind, ein Gespür für unterschiedliche Kulturen haben.


CAS Community Communication – Communities bilden, moderieren und verstehen

Prof. Dr. Aleksandra Gnach ist, zusammen mit Prof. Dr. Vinzenz Wyss, Programmverantwortliche des Zertifikatslehrgangs CAS Community Communication am IAM. Die nächste Durchführung beginnt am 11. Januar und endet am 18. April 2019.

Anja Knabenhans, Absolventin CAS in Community Communication am IAM

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