Rafaela Roth hat nicht nur den dritten Platz als Newcomerin des Jahres 2015 belegt, sondern für ihre Geschichte über “Luana“ auch den Medienpreis AG/SO in der Kategorie Online gewonnen. Uns erzählte die IAM-Absolventin, warum ihr gerade diese Geschichte besonders am Herzen lag und was sie anderen JungjournalistInnen rät.
von Deborah Harzenmoser, Kommunikation- und Eventmanagerin am IAM
Die engagierte 28-Jährige kommt fast nicht von ihrem Bildschirm weg, tippt rasch noch die letzten Sätze für ihren aktuellsten Artikel, bevor sie mich mit einem strahlenden Lächeln begrüsst. Rafaela Roths Leidenschaft für ihren Beruf ist sofort spürbar. Trotz des hektischen Geschehens in der Redaktion nimmt sich die talentierte Jungjournalistin die Zeit, sich mit mir bei einem Kaffee an der warmen Frühlingssonne über ihren Werdegang zu unterhalten.
Journalistin – ein Kindheitstraum
Rafaela Roth wollte schon immer Journalistin werden. Seit sie denken kann. Mit ihren Schwestern und ihrer Cousine hat sie im Kinderzimmer Zeitungen gestaltet und als fiktive Radio-Reporterin Geschichten erzählt. Dass aus ihr tatsächlich eine Journalistin werden würde, hat nie jemand bezweifelt. Bis ein Gespräch mit dem Berufsberater am Gymnasium alles auf den Kopf stellt. Dieser reagiert auf ihren Berufswunsch konsterniert: In eine schwächelnde Branche ohne Jobaussichten einsteigen? Auf gar keinen Fall. Die Ringier-Schule habe soeben einen Aufnahmestopp verkündet. Er empfiehlt ihr eindringlich, sich etwas anderes zu überlegen.
Rafaela Roth ist ratlos. Wenn nicht Journalistin werden, was dann? Kurzentschlossen, meldet sie sich für ein Germanistik-Studium an der Uni Bern an. „Wenigstens etwas mit Sprache“, denkt sie. Doch weder mit dem Uni-Betrieb noch mit dem Fach wird sie richtig warm. Obwohl sie die Prüfungen besteht, ist für Rafaela Roth klar, dass das Germanistik-Studium nicht das richtige für sie sein kann.
„Das ist es! Da muss ich hin!“
Sie nimmt bei einer Bank eine befristete Stelle an, scannt Dokumente, vergütet Konten und telefoniert mit Kunden. Bis sie eines Tages durch Zufall vom Studium am IAM erfährt. Sofort meldet sie sich für den nächsten Informationsanlass an und reist nach Winterthur. Sie ist aufgeregt. Könnte es das sein, wonach sie sucht? Mit jedem Satz, der Kurse, Vorlesungen und Studienstruktur erklärt, wird für sie klarer: Das ist es! Hier muss ich hin! Ich werde doch Journalistin! Noch im selben Jahr beginnt sie das Studium in Journalismus und Organisationskommunikation und zieht im Türmlihaus Winterthur ein.
Das Studium war ein Volltreffer. Nicht zuletzt weil sie auf ihre Texte Feedback von echten JournalistInnen erhalten habe. Das sei ein absolutes Highlight gewesen. Etwas, was ihr an der Uni gefehlt habe. Nach ihrer Ausbildung am IAM nennt sie sich selbst eine „eierlegene Wollmilchsau“ und das sei auch gut so. Das Studium habe sie bestens auf den heutigen Berufsalltag vorbereitet:
„Ich habe am IAM alles mitbekommen: Video, Fotos, Textsorten, das medienkonvergente Denken. Ich habe keine Hemmungen, alle Kanäle zu bedienen. Das ist ein grosser Vorteil.“
Nach dem Bachelor hängt sie nahtlos den Kooperationsmaster des IAM mit der ZhdK in Kulturpublizistik an. Auf die Frage, warum sie direkt weiterstudierte, zuckt sie mit den Achseln. Ihr Studium sei für sie nach dem Bachelor nicht abgeschlossen gewesen. „Und um bei gewissen Zeitungen schreiben zu können, braucht man einen Master.“ Sie lächelt verschmitzt und zündet sich eine Zigarette an.
„Ich will ein Praktikum bei dir“
Obwohl sie seit dem ersten Studienjahr nebenbei als freie Journalistin arbeitet, hat sie drei Monate nach dem Masterabschluss keinen festen Job. Bis sie am 10-jährigen Jubiläum von Columni Hansi Voigt über sein neues Projekt sprechen hört, das Online-Portal Watson. Auch jetzt weiss sie sofort: Das ist es! Genau da will ich hin! Sie nimmt ihren ganzen Mut zusammen, geht auf ihn zu und erklärt: „Ich will ein Praktikum bei dir.“ Und tatsächlich. Nach dem schriftlichen Bewerbungsverfahren erhält sie den ersehnten Praktikumsplatz.
Seit ihrem ersten Arbeitstag bei Watson weiss sie, dass sie da ist, wo sie immer hin wollte. Sie arbeitet mit vollem Einsatz. Tag und Nacht. Sucht Geschichten, schreibt Artikel, lernt dazu, jeden Tag. „Am Anfang muss man Einsatz zeigen. Obwohl das Studium sehr praxisbezogen ist, war der Berufseinstieg schon eine Herausforderung.“ Das Tempo sei nicht zu vergleichen. Vorgehen nach Lehrbuch? Dafür bleibe schlicht keine Zeit. „Man muss viel mehr nach Gefühl arbeiten – etwas, das man im Studium nicht lernen kann.“ Ihr Einsatz lohnt sich. Bald wird aus dem Praktikum eine feste Anstellung und ihr Ressortleiter reicht ihre Reportage über Luana ins Rennen für den Medienpreis Aargau/Solothurn ein.
„Luana ist eine Inspiration“
Das Schicksal und vor allem der herausragende Mut von Luana haben Rafaela zutiefst beindruckt. Für solche Geschichten ist sie Journalistin geworden! Um Schwachen eine Stimme zu geben und um über Missstände zu informieren. Schon beim ersten Treffen mit Luana weiss Rafaela Roth, dass die Geschichte berühren wird. Sie hofft, dass Luana’s unglaublicher Mut anderen Albanerinnen in ähnlichen Situationen Hoffnung gibt. Und auch anderen Frauen, unabhängig von Nationalität und Lebensumständen:
„Luana ist eine Inspiration für alle, die sich nicht trauen, ihr Lebensglück selber in die Hand zu nehmen. Was diese junge Frau geleistet hat, das ist wahre Emanzipation.“
Rafaela Roth erzählt Luanas Geschichte schnörkellos – umso eindringlicher erleben die LeserInnen das erschütternde Schicksal der jungen Kosovarin mit. Lukas Mäder, Produzent von Radio SRF und Juror in der Kategorie Online, begründete den Jury-Entscheid mit dem passenden Zitat des englischen Essayisten Matthew Arnold: „Journalismus ist Literatur in Eile“. Diese Reportage sei „fast schon ein literarischer Text“, dem man die Eile, sollte er in einer solchen verfasst worden sein, auf keiner Zeile anmerke.
Geschichten erzählen, die nah an den Menschen sind, die berühren und inspirieren, das will Rafaela Roth nach der Preisverleihung weiterhin tun. Sie bläst den Zigarettenrauch in die Frühlingsluft und fügt hinzu, dass die JungjournalistInnen sich nicht von schlechten News aus der Branche beirren lassen sollen: „Folgt eurem Traum, es lohnt sich!“
- Luana – wie sie ihren Vergewaltiger im Kosovo heiraten und in die Schweiz holen musste
- Watson über die Verleihung des Medienpreises AG/SO
- Watson über den 3. Platz von Rafaela Roth als Newcomerin beim „Schweizer Journalist“
- Mehr über Rafaela Roth
- Wer studiert Kulturpublizistik und warum?