Sprachqualität bei „Glanz & Gloria“ – eine Sendungskritik

von Patrick Tschirky, Dozent und Lernbereichsleiter Sprachen am IAM

Was macht ein Deutsch-Dozent, wenn er von der Redaktionsleiterin zu einer Sendungskritik bei „Glanz & Gloria“ nach Leutschenbach eingeladen wird? Und wie reagieren die TV-Journalistinnen und Journalisten auf seine Beobachtungen und Anregungen? Und was hat das alles mit den Deutsch-Modulen im Bachelorstudium Journalismus/Organisationskommunikation zu tun?

Seit über zehn Jahren arbeite ich neben meiner Tätigkeit als Dozent am IAM auch regelmässig als Projektleiter und Coach bei SRF. Ob auf der Tagesschau-Redaktion, mit Journalistinnen und Journalisten von „10 vor 10“ oder bei Sport-Online: Es geht immer um die medien- und publikumsgerechte Sprache und damit um Sprachqualität. Auch die Redaktionsleiterin von „Glanz & Gloria“, Paola Biason, hat sich von meinem Besuch Anfang Februar vor allem einen kritisch-konstruktiven Blick auf die Sprache der Sendung gewünscht.

Ein Wort zur Themenwahl
Am grossen ovalen Redaktionstisch empfangen mich interessierte und erwartungsvolle Blicke. Also komme ich gleich zur Sache und starte mit der Themenwahl. Ein Vergleich der letzten beiden Sendungen zeigt deutliche Unterschiede: Während in der Montagsausgabe Aktualitäten dominieren (Vernissage der „Dada Universal“-Ausstellung im Landesmuseum und ein Beitrag in memoriam Roger Willemsen), geht es am Dienstag weniger um unmittelbar Aktuelles. Und am Montag sind vor allem ältere Herren zu sehen (von Ex-Bundesrat Moritz Leuenberger bis Peter Reber), wogegen am Dienstag die präsentierten Prominenten deutlich jünger und öfter weiblich sind (zum Beispiel Anna Rossinelli und Alicia Vikander). Diese Erwähnung löst Diskussionen und Erklärungen aus, das Thema ist redaktionsintern bekannt.

Gemeint war es aber anders
Die Moderation von Nicole Berchtold hält eine gute Balance zwischen Information und Unterhaltung und wirkt souverän – auch sprachlich. Dies zeigt sich beim präzisen Erklären des Begriffs Crowdfunding, um den es im ersten Beitrag gegangen ist. Im Filmbericht wird das Crowdfunding vielseitig dargestellt, die Prominenten dienen dabei als Aufhänger und Beispiele. Sprachlich und inhaltlich wird es dort problematisch, wo Konnektoren unlogisch eingesetzt werden. Anna Rossinelli nutzt das Crowdfunding auf der Plattform „We make it“ zur Finanzierung eines ihrer vielen Musikprojekte. Wenn aber nachher der Text zu Anna Kaenzigs Crowdfunding-Aktivität lautet: „Auch Anna Känzig nutzte „We make it“ als Startfinanzierung für ihre Musikkarriere“, so ist diese Verknüpfung inhaltlich falsch. Ein Wort weniger wäre mehr gewesen, also richtig. Der Einsatz vermeintlicher Füllwörter durchkreuzt hier die Aussageabsicht.

Wie viel Spielraum für Kreativität?
Bei der Erfolgsgeschichte des Berner Oberländers Marco A. Trauffer überzeugt das rund abgeschlossene Storytelling mit dem stimmigen Schlussbild des Künstlers, der für das Publikum „zum Greifen nah“ geblieben ist. Text und Bild ergänzen sich optimal. Meine Kritik an der kreativen Abwandlung der Redewendung „vom Regen in die Traufe kommen“ zum „Sprichwort ‚von der Sonne in die Trauf(f)e kommen’“ hat zwei Gründe: Erstens handelt es sich um eine Redewendung und nicht um ein Sprichwort, und zweitens wird die Logik ins Gegenteil verkehrt: Meint die Redewendung eine Entwicklung vom Schlechten zum noch Schlechteren, ist bei Trauffer eine positive Entwicklung gemeint. Das irritiert und lässt das Publikum die Stirn runzeln statt dem Beitrag weiter zu folgen. Dieses Beispiel führt zu einer lebhaften Diskussion über den Spielraum für Originalität und Kreativität innerhalb der bestehenden Konventionen.

Patrick Tschirky
Patrick Tschirky leitet verschiedene Sprachqualitätsprojekte.

Das Sprachbewusstsein schärfen
Ein weiteres ergiebiges Thema bietet die Verwendung rhetorischer Figuren. Diese machen Aussagen prägnant, sie (re)produzieren aber auch schnell Klischees. So nenne ich als Beispiel die Antithese im Beitrag über „Alicia Vikander aus dem kalten Norden, den zur Zeit heissesten Hollywood-Export“. Wo sind welche rhetorischen Figuren hilfreich? Und wie oft? Wann wird ihr Einsatz jedoch voraussehbar, inflationär, eventuell gar ärgerlich? Dabei geht es nicht um die Korrektheit, sondern um die Angemessenheit. Solche Fragen mit den Journalistinnen und Journalisten zu besprechen, ihre Beweggründe für die Verwendung dieser oder jener Formulierung zu rekonstruieren, ist mir wichtig. Denn hier geht es um das Sprachbewusstsein, die Sensibilisierung für heikle Stellen und die Suche nach Alternativen. Mich freut es sehr, dass das Interesse dafür auch in der „Glanz & Gloria“-Redaktion lebendig ist und meine Sendungskritik auf offene Ohren stösst. – So mache ich mich beschwingt auf den Weg zurück ans IAM, wo ich am Nachmittag eine Mail von Paola Biason erhalte, in der ich lese: „Endlich wieder einmal eine fundierte Kritik, von der man profitieren kann.“

Authentische Beispiele für Lehrveranstaltungen
Mir ermöglicht diese Arbeit bei SRF wertvolle Einblicke in den journalistischen Alltag von der Produktion der Beiträge bis hin zum Qualitätsdiskurs und zur Redaktionskultur. Und selbstverständlich nehme ich jedes Mal Materialien und Beispiele mit, die ich für den Unterricht aufbereiten und einsetzen kann. So profitieren auch die JO-Studierenden in den Deutsch-Modulen von diesen Einsätzen und sehen, dass Sprachqualität in den SRF-Redaktionen gefragt ist. Damit können wir in der Ausbildung authentisch und nachhaltig einlösen, was die Fachhochschulen versprechen: die wissenschaftsbasierte Theorie mit der Praxis in den Berufsfeldern zu verknüpfen.

Verweis auf die beiden erwähnten Ausgaben von „Glanz & Gloria“
Glanz & Gloria mit Künstlern, die ihren Weg machen vom 9. Februar 2016
Glanz & Gloria im Dada-Fieber und auf dem gefrorenen See vom 8. Februar 2016


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