Mit welchen Formaten erreicht man die Journalisten heute und was machen Unternehmen und Verwaltungen, um ihre Botschaften zu verbreiten? Sind Medienmitteilungen und Pressekonferenzen bald nur noch Reminiszenzen einer vergangenen Welt? Mit diesen Themen befasste sich Columni,die Ehemaligenorganisation des IAM, an ihrem Event anfangs Juni.
von Kathrin Reimann, Redaktorin ZHAW Impact
Columni traf mit dem Thema ins Schwarze: Der Anlass löste grosses Interesse aus. Über 50 Interessierte lauschten dem Referat von Markus Brotschi, welches den spannenden Diskussionsabend einleitete. Der Bundeshausredaktor des Tagesanzeigers hat für seine Masterarbeit an der ZHAW mit Journalisten und Kommunikationsfachleuten gesprochen und eruiert, in welchen Fällen Medienkonferenzen besucht werden, und aus welchen Gründen. Die Ergebnisse seiner Leitfadeninterviews stimmen mit seiner eigenen Wahrnehmung überein: «Medienkonferenzen haben deutlich an Bedeutung verloren.» Damit eine Konferenz besucht werde, sei mehr als ein vorgelesenes Referat nötig. «Es braucht politischen Sprengstoff oder die Anwesenheit einer wichtigen Persönlichkeit», so Brotschi. Dies könne den nötigen Mehrwehrt schaffen. «Zudem ist die Medienkonferenz für den Journalisten wichtig, um O-Töne einzuholen, mit Entscheidungsträgern in Kontakt zu treten und vielleicht auf diesem Weg sogar an eine exklusive Geschichte zu kommen.»
Nach dem journalistischen Input holten die Moderatoren und Columni-Vorstandsmitglieder Sabine Östlund und Massimo Diana den Kommunikationsleiter der Direktion der Justiz und des Innern des Kantons Zürich, Beni Tommer, sowie Sepp Huber, langjähriger Leiter der Swisscom-Medienstelle, ins Gespräch. Weil Huber den Medienwandel miterlebt hat, weiss er, wie man mit entsprechenden Veränderungen umgeht. Seine Antworten auf die digitalisierte Kommunikation sind unter anderem Video-Medienmitteilungen, Online-Konferenzen und eigene «journalistische» Inhalte. Bedauerliche Erscheinungen des Medienwandels sind für Huber eine schnellere und oberflächlichere Berichterstattung. «Oft mangelt es an Zeit und an Dossierkompetenz.» Beni Tommer kann sich dank seines Informationsmonopols und Skandalgeschichten wie den Fällen Carlos und Magdici/Kiko nicht über fehlende Aufmerksamkeit beklagen. «Man hört mir zu», so sein Fazit. Doch auch er ist froh um dossierstarke Journalisten der NZZ und des Tagesanzeigers, die «wissen was läuft und an denen sich andere Medienschaffende orientieren». Tommer setzt deshalb auf Round-Table-Gespräche, bei denen Experten Medienschaffende für ein aktuelles oder ein kommendes Thema sensibilisieren.
Sepp Huber setzt bei seinen Medienanlässen hingegen auf Hintergrund. «Wenn wir Technik erlebbar machen und Fachexperten mitbringen, haben wir Besucherzahlen wie noch vor zehn Jahren an einer klassischen Pressekonferenz.» Je nach Thema müssten Setting, Timing und auch der Durchführungsort der Konferenzen angepasst werden, um ein grosses Interesse zu generieren. Die Swisscom setzt zudem auf ihr Newsportal, für das das Unternehmen eigenen journalistischen Content produziert, etwa in Form von Experteninterviews, in denen sie sich eigenen kritischen Fragen stellen. «Bei den Journalisten kommt das Angebot gut an, um es Unternehmens-intern allerdings umzusetzen, bedingt es Power.» Für Medienschaffende, die solchen Content nicht annehmen, biete man auch die bisherigen Möglichkeiten etwa in Form von Interviews oder eigenen kritischen Fragen. Beni Tommer hat indes Skrupel vor eigenem journalistischem Inhalt. «Ich glaube nicht, dass es akzeptiert wird, wenn ein Unternehmen die journalistische Rolle einer objektiven Berichterstattung selber übernimmt.» Und auch für Markus Brotschi ist diese Form von Content ein No-Go: «Für mich ist das ein alarmierendes Zeichen. Auch wenn auf den Redaktionen die Zeit fehlt, müssen Journalisten die Berichterstattung selber machen.» Für Beni Tommer ist es wichtiger «als den Journalisten zu übertölpeln» einen Weg zu finden, den eigenen O-Ton und die eigene Narration der Geschehnisse zu verbreiten. «Ein bewährter Weg dafür sind Redaktionsgespräche, bei denen man sich gegenseitig auf den Zahn fühlt.» Die von Brotschi erwähnten Exklusivgeschichten, welche an Medienkonferenzen generiert werden können, sind für Tommer wie auch für Huber nicht ideal. Bei der Swisscom ist es als börsenkotiertes Unternehmen heikel, die Justizdirektion fürchtet verbrannte Finger oder journalistische Retourkutschen von Uninformierten.
Medienkonferenzen haben, so lässt es sich aus den Aussagen der drei Medienexperten schliessen, durchaus Potential, wenn sie ein Thema mit Sprengstoff behandeln, einen Experten stellen, etwas erlebbar machen (wie z.B. ein Gefängnis von innen sehen) und wenn sie O-Töne von Experten und Verantwortlichen liefern. Aber auch Round-Table-Gespräche oder Redaktionsbesuche können für Unternehmen hilfreich sein, um mit Journalisten in Kontakt zu kommen und eigene Botschaften und Sichtweisen zu verbreiten.
Columni ist die Ehemaligenorganisation der Absolventinnen und Absolventen des IAM Institut für Angewandte Medienwissenschaft der ZHAW Zürcher Hochschule für Angewandte Wissenschaften. Mehr Infos: www.columni.ch