Hoppla! – Oder wie ich zu „meinem ersten Mal“ kam

von Nadine Klopfenstein, Master-Studentin "Digital Journalism" an der HMS sowie Wissenschaftliche Assistentin am Forschungsschwerpunkt Organisationskommunikation und Management des IAM

Es gibt sie. Diese unvergesslichen Momente: Den ersten Kuss, die erste Wohnung, die erste Steuerrechnung. Der Moment wenn Lippe auf Lippe trifft, der Schlüssel im Schloss sich dreht, der Betrag auf dem Einzahlungsschein viel zu viele Nullen enthält. Wenn das Gefühl einen überrollt und einen Moment lang die Welt still zu stehen scheint. „Das erste Mal“ ist für mich immer etwas ganz Besonderes. Das Problem ist nur: Je älter ich werde, desto seltener werden diese Momente. Und umso überraschender ist das Gefühl, wenn es ganz plötzlich aus dem nichts auftaucht. „Hoppla!“, ein erstes Mal.

Ich hatte schon lange keinen „Hoppla-Moment“ mehr erlebt, als ich meine Sachen für die Studienreise nach Perugia packte. Ehrlich gesagt, fand ich die Reise an und für sich nicht sonderlich reizvoll: nach Italien zu einem Kongress fahren? Wo sich Dutzende von Journalisten in Konferenzsälen über den Zerfall der Medien unterhalten würden? Da wäre ich doch lieber nach New York geflogen, um die Medienhäuser wie Buzzfeed, Vice oder Huffington Post einmal persönlich besuchen zu können. Aber nein, ich packte für eine Trip nach Italien. Und „Hoppla!“. Kurzerhand strich mir die Fluggesellschaft Al Italia den Flug – zwei Tage vor Abreise. Ohne Alternative. So kam es, dass ich mutterseelenalleine mit dem Familienkombi neun Stunden lang über Autobahnen fuhr, etliche Abzweiger verpasste und mich vom Kopfsteinpflaster durchschütteln liess. Nur, um an diesen „langweiligen Kongress“ zu fahren. Und sagte mir dabei immer wieder, in einer Art Mantra wiederholend: In Italien ist wenigsten das Essen gut.

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(Foto: Jörg Müller)

Schon mal vorweg: Gegessen habe ich tatsächlich gut. Und viel. Aber „Hoppla!“, das war nicht annähernd das Beste an der Reise. Denn – schon wieder „Hoppla!“ – auf dem Kongress hörte ich nicht einmal den normalerweise in Repetitionsschlaufe heruntergebeteten Satz: Mit dem Journalismus geht es bergab! Im Gegenteil. Es herrschte eine Aufbruchstimmung, die ansteckend wirkte. Wie ein Virus schwirrten die Ideen in der Luft, lagen auf der Strasse oder konnten kostenlos von Bäumen gepflückt werden: Da wurde diskutiert, ob es möglich ist, Videos zu produzieren, die ohne Nachvertonung oder Schnitt auskommen. Ob investigative Geschichten nicht von der Community mitrecherchiert werden könnten. Oder ob es möglich ist, eine Open-Access-Software zu entwickeln, die den Medienhäusern helfen kann, die Kommentare ihrer Leser besser zu verstehen.

Die Bandbreite der Ideen scheint schier endlos. Jeder Journalist und jede Journalistin hat ein eigenes Projekt zu verfolgen – und versucht dieses voranzutreiben. Auch wir Studierenden von der Hamburg Media School (HMS) haben alle ein Projekt im Gepäck – und präsentieren dieses fleissig jedem und jeder, der es hören möchte: Einen Food-&Reiseblog für Vegetarier und Veganer, der die besten Essens-Spots in den schönsten Städten Europas erkundet. Ein Portal auf dem Depressive die Krankheit aus ihrer Sicht schildern, um die Gesellschaft für das Thema zu sensibilisieren. Ein „offenes“ Erotikmagazin für alle – egal welche sexuelle Orientierung oder Vorlieben der User hat. Um nur einige wenige der Ideen zu nennen.

Natürlich sind viele der herumschwirrenden Ideen Versuche, mit dem digitalen Gesellschaftswandel mitzuhalten. Und werden vermutlich fallen gelassen, bevor sie überhaupt angefangen haben zu reifen. Doch das Gefühl der Ohnmacht, das viele Medienschaffenden in den letzten Jahren mit sich herum getragen haben, scheint dem Gefühl des Aufbruchs gewichen zu sein. Und das ist nicht nur in den Diskussionen und Gesprächen auf dem Kongress spürbar, sondern auch in den Strassen der Stadt. So zeigen die sonst so mürrisch dreinblickenden Journalisten ihr breitestes Lächeln in Perugia. Sitzen entspannt in Kaffees, essen Gelato und lassen sich die Sonne auf ihre bleichen Bäuche scheinen. Denn eines scheint hier allen klar zu sein: Die Zukunft ist nicht mehr nur düster, sondern wunderbar unberechenbar. „Hoppla!“

Kooperation HMS und IAM – Masterstudiengang Digital Journalism
Die Hamburg Media School und das IAM bieten in einer Kooperation den Masterstudiengang Digital Journalism an, dessen Abschluss zur Promotion berechtigt. Studierende in diesem Studiengang haben die Möglichkeit am jährlichen “Innovation Field Trip” teilzunehmen. Studienbeginn ist jeweils im September.

Mehr zum Thema:
Ein Trip ins Land der Innovationen – Studienreise der HMS nach New York
Info-Veranstaltung zum Master of Arts in Journalism am 6. Juni: Anmeldung


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