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Ein Blog der ZHAW Zürcher Hochschule für Angewandte Wissenschaften

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Umgang der Medien mit Psychose-Erfahrenen

Wie gehen Medien mit psychischen Erkrankungen um? Und wie wirkt sich das aus?

Posted on 23. Februar 2016 by Aleksandra Gnach

„Es ist paradox: die journalistische Berichterstattung trägt wesentlich zur Stigmatisierung psychisch Kranker bei; dennoch braucht es eine Sensibilisierung durch Medienarbeit.“ (Vinzenz Wyss)

Im April 2014 hat die Schweiz die UNO-Behindertenrechtskonvention unterzeichnet. Sie soll allen Menschen, die in irgendeiner Form beeinträchtigt sind, die Teilhabe am gesellschaftlichen Leben ermöglichen. Hinzu kommen neue Kindes- und Erwachsenenschutzrechte. Dies ist ein Paradigmenwechsel. Zukünftig werden betroffene Menschen mitbestimmen, wo sie sich die notwendige Unterstützung holen.

Journalistik-Professor Vinzenz Wyss beschäftigt sich am IAM mit der Frage, wie journalistische Medien funktionieren und wie sie Realität konstruieren. Die Solodaris Stiftung wollte von ihm wissen, welche Möglichkeiten die Medien haben, die Teilhabe zu fördern, wie gut sie dieser Erwartung gerecht werden und wie die Medienberichterstattung die öffentliche Wahrnehmung von psychischen Erkrankungen beeinflusst.

Teilen Sie den Eindruck, dass in den Medien psychische Erkrankungen oft mit Straftaten in Verbindung gebracht werden und also eben gerade nicht zur Inklusion beitragen?
Man kann selbstverständlich nicht alle Medien in einen Topf werfen; auch da gibt es solche die reflektierter und solche die bloss reflexartig über das gesellschaftlich relevante Problem der psychischen Erkrankungen berichten. Generell muss man aber schon feststellen, dass in der journalistischen Berichterstattung das Thema am häufigsten im Zusammenhang mit Straftaten, Verbrechen oder Gewalt  vorkommt. Das ist nicht unproblematisch, weil wir auch wissen, dass der Journalismus die meistgenutzte Quelle der Information über psychische Erkrankungen ist.

Wie kann man so einen Zusammenhang feststellen?
Zu den Routinen der – übrigens zunehmenden – medialen Berichterstattung über psychische Erkrankungen gibt es seit mehr als einem Jahrzehnt aufschlussreiche medienwissenschaftliche Studien. Man geht davon aus, dass eine beharrlich negative und stigmatisierende Berichterstattung wesentlich dazu beiträgt, wie Menschen psychische Erkrankung wahrnehmen. An unserem Institut für Angewandte Medienwissenschaft der ZHAW in Winterthur konnten meine Kollegen Angelica Hüsser und Michael Schanne in einer breit angelegten Zeitungsanalyse etwa feststellen, dass nicht nur die Gewalt von psychisch Kranken vergleichsweise  häufig  thematisiert wurde, sondern auch die zerstörende Kraft der psychiatrischen Institutionen. Die Psychiatrie wird in den Medien als Einbahnstrasse inszeniert.

Professor für Journalistik

Prof. Dr. Vinzenz Wyss, Professor für Journalistik am IAM Institut für Angewandte Medienwissenschaft

Würden Sie diese Einbahnstrasse auch als ein weiteres Indiz für ein Ausgrenzen verstehen?
Genau. Nicht untypisch dafür ist ein Meldung wie diese: Nachdem der Täter sein Opfer getötet, aufgeschlitzt und Teile von ihm gegessen haben soll, wird er aufgrund des Gutachtens nicht wegen Mordes angeklagt, sondern wegen einer Geisteskrankheit in eine psychiatrische Anstalt eingewiesen. Das meine ich mit Endstation. Gerade Psychosen werden in den Medien gerne als „dämonisch“ dargestellt. Es ist weniger die Rede davon, dass erkrankten Menschen auch geholfen werden kann, dass auch sie ein „normales“ Leben führen können.  Nein, es ist eben beispielsweise der grausame Fritzl aus Österreich oder der psychisch kranke Co-Pilot von Germanwings, welche in die  Schlagzeilen kommen. Und im Tötungsdelikt von Rupperswil fragen die Medien bei jeder Gelegenheit, ob es sich hier nicht um einen  geisteskranken Täter handeln müsse.

Sie thematisieren also eigentlich das, was von der Norm abweicht?
Tatsächlich sollten wir vom Journalismus nicht etwas erwarten, was dessen Logik widerspricht. Journalismus thematisiert nicht das „Normale“, sondern das, was eben davon abweicht, was uns irritiert, was eine erwartete soziale Ordnung stört oder stören könnte. Diese Logik des Journalismus ist für die Gesellschaft insgesamt schon funktional; sie lässt uns über das öffentlich debattieren, wo es eben Konflikte auszutragen gilt. Und weil uns diese mediale Freiheit zur medialen Irritation so wichtig ist, nehmen wir halt auch Stigmatisierungen in Kauf, wenn beispielsweise ein Politiker wie Geri Müller mit seinen privaten, digitalen Kurz-Liebesbriefen an eine angeblich psychisch labile Frau bereits die Empörung der Medien der Leute von Seldwyla evoziert.

Es scheint, als gelte das Abweichen vom Normalen als „medienwirksam“ und vielleicht auch als absatzsteigernd?
Und das ist beim Thema psychische Erkrankung nicht anders. Journalismus berichtet kaum aus dem alltäglichen Leben von psychisch Kranken, sondern eben eher im Zusammenhang mit kriminellen Handlungen oder sozial abweichendem Verhalten. Die Winterthurer Studie zeigt zudem, dass Personen und nicht Prozesse, Probleme und nicht Lösungen medial in den Vordergrund gerückt werden. So spielen wissenschaftliche Begriffe, Erkenntnisse oder Einordnungen in der Berichterstattung nur am Rande eine Rolle.  Journalismus reduziert Komplexität, vereinfacht im Dienste der erwarteten Publikumsorientierung.
Dies ist natürlich ein Problem, wenn Journalisten bei sensiblen und komplexen Themen auf triviales Alltagswissen zurückgreifen. Psychisch Erkrankte werden gemäss weiterer Studien in den Medien oft als kindische, nicht weiter kontrollierte und deshalb einer fortwährenden Aufsicht bedürftige Menschen umschrieben. Erinnern Sie sich an die so genannte „Zuger Sex-Affäre“? Auch da spielte das unterkomplexe Narrativ der Verrücktheit aus einer anderen Welt in einer sehr komplexen – übrigens privaten – Geschichte eine starke Rolle. Ein Journalist der Zuger Zeitung masste sich sogar an, öffentlich auf Twitter raus zu posaunen, Jolanda Spiess-Hegglin sei „einfach nur krank, was sie jeden Tag beweise.“   Viel journalistische Aufklärung ist da nicht zu erwarten.

Aber bestünde nicht gerade die Aufgabe des Journalismus darin, dem Thema „psychische Erkrankungen“ sensibler zu begegnen? Braucht es da besondere Talente dazu?
Journalismus ist selten eine Angelegenheit eines Einzelnen. Vielmehr haben wir es mit einer Berufskultur zu tun, welche halt eben solche Regeln und Routinen ausgeprägt hat. Diese können ja auch – wie eben gesagt – funktional sein. Etwa dann, wenn es im Politjournalismus darum geht, die Aufmerksamkeit auf tatsächliche Missstände zu lenken oder eben in der Gesellschaft einen öffentlichen Diskurs über ungeklärte, wichtige Fragen anzustossen. Trotzdem haben Sie natürlich recht, wenn Sie vom Journalismus, seinen Organisationen und letztlich von den Journalisten erwarten, dass diese die Folgen ihres Handelns beachten. Wenn also Journalisten über psychisch erkrankte Menschen berichten, so sollten sie eben das gängige Muster reflexiv als solches erkennen, und beispielsweise dafür sensibilisiert sein, dass Skurrilität auch Stigmatisierung nach sich ziehen kann.  Es ist eben meistens nicht alles so eindeutig, wie es der Journalismus gerne haben möchte. Guter Journalismus zeichnet sich dadurch aus, dass er eben auch verantwortungsvoll mit  Ungewissheit umgeht und diese transparent macht.

Oder dass er auch mal schweigt, wenn es nichts zu sagen gibt?
Genau, denn gerade bei der verallgemeinernden Berichterstattung über Straftaten im Zusammenhang mit psychischer Erkrankung kann eine solche Stigmatisierung nämlich auch zur Folge haben, dass beim Publikum des Journalismus Unsicherheit und Ängste geschürt werden; und diese können wiederum zu einer verstärkten Isolation der „doppelt“ betroffenen Opfer führen und damit eher zur Exklusion. Da muss bei den Journalisten schon eine Verantwortungsethik eingefordert werden, also ein Handeln, das auch dessen Folgen verantwortungsvoll reflektiert und eben nicht einfach reflexartig schreibt, was vermeintlich zu sein scheint.

Gibt es dafür auch Regeln im Sinn einer Berufsethik?
Es gibt im so genannten Journalistenkodex, über welchen der Schweizer Presserat wacht, tatsächlich solche Regeln, die darauf hinweisen, dass Journalisten gegenüber Personen, die sich in einer Notlage befinden oder die unter dem Schock eines Ereignisses stehen sowie bei Trauernden besonders zurückhaltend sein sollen. Und es gibt etwa extra eine Richtlinie, welche bei Suizidfällen – Gerade auch wegen möglicher  Nachahmungen – grösste Zurückhaltung fordert. Ich denke aber, dass es im Falle der zunehmenden Berichterstattung über psychische Erkrankungen tatsächlich auch an Wissen mangelt. Es müsste also auch darum gehen, sich diesbezüglich empirisch gesichertes Wissen anzueignen, bevor man mit Alltagswissen drauflos schreibt. Es ist sicher nicht falsch, Journalisten immer wieder – vielleicht auch durch adäquate Massnahmen in der Öffentlichkeitsarbeit – auf die Vielschichtigkeit dieses Problems hinzuweisen und mit ihnen zusammen trotzdem interessante Geschichten zu finden, die letztlich einer besseren Verständigung und hoffentlich auch Inklusion dienen.

Erstveröffentlichung:
Orginaltext im Solidaris-Newsletter vom Januar 2016

Vom Genuss Wissenschaftlerin zu sein. Ein Rückblick auf den AILA-Weltkongress in Brisbane

Posted on 18. August 2014 by Aleksandra Gnach

Wissenschaftlerin zu sein hat Vorteile. Besonders toll finde ich, dass ich mir den Luxus leisten kann, Stunden und Tage über ein Thema nachzudenken, es über Jahre zu vertiefen und aus unterschiedlichen Perspektiven zu betrachten. Aber still vor mich hin brüten und Ideen entwickeln kann es allein nicht sein. Deswegen sind wissenschaftliche Konferenzen ein Genuss: Was in einer Plauderei über den Gartenzaun oder einem Samstagabendgespräch an der Bar exotisch scheint, ist hier normal: Über journalistisches Schreiben fachsimpeln, über scheinbare Details diskutieren – oder erklären, wie und weshalb ich aus dem Handeln einzelner Journalistinnen auf übergeordnete gesellschaftliche Strukturen schliesse. Ich geniesse es, mich der Kritik stellen, zu überzeugen, oder mit besseren Argumenten überzeugt zu werden. Denken ist nicht nur ein individuelles, sondern auch ein kollektives Abenteuer. Erhellend kann zudem sein, auf Fachkolleginnen und -kollegen zu treffen, deren Namen man hundertfach in Bibliographien gelesen hat; ihren Präsentationen zuzuhören oder am Frühstückstisch mit ihnen ins Gespräch zu kommen. Da können die Funken springen! Begeisterung steckt an – aber auch Ent-Täuschung hilft weiter.

Ein handfester Vorzug wissenschaftlicher Konferenzen ist, dass sie oft weit weg stattfinden, man also hinreisen muss und darf. Manchmal auch ans andere Ende der Welt, im Fall der AILA 2014 nach Brisbane. AILA steht für Association Internationale de Linguistique Appliquée oder International Association of Applied Linguistics. Ziel dieses Verbandes ist es, den weltweiten Austausch zwischen allen Forschungskulturen der Angewandten Linguistik zu fördern. Zu diesem Zweck führt die AILA alle drei Jahre einen Kongress durch, an dem bis zu 2000 Forschende aus aller Welt teilnehmen. Ein weiteres Mittel der AILA zur Förderung der Angewandten Linguistik sind die internationalen Forschungsnetzwerke, die sogenannten ReNs (Research Networks). Hier schliessen sich WissenschaflerInnen aus unterschiedlichen Ländern zusammen, um  an aktuellen Themen aus ihrem Bereich zu forschen. An den Weltkongressen bekommen die ReNs ein eigenes, grosszügig bemessenes Tagungsfenster: die Gelegenheit also, seine Forschung vor einem breiten Publikum zu präsentieren und sich mit Kolleginnen zu treffen, mit welchen man sich normalerweise nur über Mail und Skype austauschen kann.

Unser ReN Media Linguistics hat sich dieses Jahr schon vor dem Treffen in Australien intensiv getroffen: Weil nicht alle Heim-Universitäten der Netzwerkmitglieder für eine Reise nach Australien aufkommen konnten, haben wir ein virtuelles Pecha Kucha Pre-Panel veranstaltet.  Die Textsorte Pecha Kucha bedeutet, mit wenigen Folien und in kurzer Zeit ein komplexes Thema auf den Punkt zu bringen. Die Videobeiträge im Pre-Panel auf Youtube gehen ein auf den theoretischen Hintergrund medienlinguistischer Forschung, auf Methoden zur Erforschung journalistischer Schreibprozesse in natürlichen Kontexten und, auf einer Metaebene, auf die Gestaltung der wissenschaftlichen Laufbahn.

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ReN Media Linguistics am AILA-Begrüssungsapéro. Noch nicht vollständig, aber strahlend – trotz Jetlag.

Im Panel selbst dann, in Brisbane, haben wir in sechs 20-minütigen Präsentationen die neusten Methoden und Erkenntnisse der Medienlinguistik präsentiert und diskutiert. Spannend war das vor allem, weil die Forschenden unterschiedlichen Zugänge zum Thema haben, von Diskurs- und Argumentationsanalyse über Interaktions- und Textanalyse bis hin zur Statistik. Die journalistische Textproduktion wurde also aus sehr unterschiedlichen Blickwinkeln beleuchtet. Erforscht werden Handlungen einzelner Journalistinnen beim Schreiben, Interviewen oder Diskutieren, aber auch die Bedeutung und das Zusammenspiel dieser Handlungen auf übergeordneten Ebenen wie Redaktion oder Gesellschaft. Wir haben sozusagen die einzelnen Puzzleteilchen angeschaut, die Prozesse des Zusammenfügens beleuchtet und auch das Gesamtbild betrachtet, das dabei entsteht. Faszinierend war dabei nicht nur die Vielfalt der Perspektiven und Methoden, sondern auch die Raffinesse der Softwaretools, die die Forschenden in ihrer Arbeit anwenden und die sie in interdisziplinären Kooperationen entwickelt haben. Vor und nach dem eigenen Panel haben wir als Gäste in anderen Panels mitgewirkt. Zum Beispiel im „Invited Symposium“ von Chris Candlin mit dem Titel „Making Applied Linguistics Matter: Opportunities for Engaging with Professional Practice“. Hier haben transdisziplinär Forschende gezeigt, wie sie zusammen mit Praktikerinnen und Praktikern Probleme der Kommunikation lösen in Feldern wie Gesundheit, Recht, Wirtschaft, aber eben auch Medien und Öffentlichkeit.

Ich habe das wissenschaftliche Tauchbad in Brisbane sehr genossen, die Präsentationen, Diskussionen, die gemeinsamen Essen am Fluss und die Fahrrad-Sightseeing-Touren. Arbeiten und Reisen in einem sozusagen. Genau die richtige Motivationsspritze fürs Vorbereiten meiner Lehrveranstaltungen im Herbstsemester und die Planung meiner nächsten Publikationen.

 

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