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Wissen, was Kommunikation bewegt

Ein Blog der ZHAW Zürcher Hochschule für Angewandte Wissenschaften

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Browsing Juli, 2017

Von wegen Vertrauenskrise!

Posted on 24. Juli 2017 by harz

Die Populisten machen es vor: In der politischen Kommunikation ist gut beraten, wer die Routinen, Selektionskriterien und Narrative der Medienschaffenden studiert und verinnerlicht. Der Nachrichtenfaktoren-Katalog von Winfried Schulz bietet dazu einen bewährten Orientierungsrahmen. Beim Nachrichtenfaktor „Stereotypie“ zum Beispiel zeigt sich in der Praxis: Je besser Informationen in die Deutungsmuster der Journalisten passen, desto eher werden sie aufgenommen und entsprechend interpretiert. Eine kritische Betrachtung.

von Michael Wiesner, Kommunikationsleiter economiesuisse und Gastdozent im CAS Politische Kommunikation am IAM

Für einen kurzen Augenblick stand die Welt Kopf. Und die Kommentatoren übertrumpften sich gegenseitig mit scharfsinnigen Analysen. Zum Beispiel der Chefredaktor der Aargauer Zeitung: Das «Nein» des Stimmvolkes zur Unternehmenssteuerreform III sei «Ausdruck eines folgenschweren Vertrauensverlustes». Das Vertrauen in «die da oben» sei auch hierzulande erschüttert. Und mehr noch als das Nein müsse der liberalen Schweiz diese zugrunde liegende Vertrauenskrise zu denken geben.

Der Chefredaktor der «Blick»-Gruppe sagte es volksnäher: «Das ist nicht nur eine Willensbekundung der Bevölkerung. Das ist ein Beben, ein Akt des Misstrauens, ein Aufstand gegen die Eliten!» Die Stimmbürger «haben dem gesamten bürgerlichen Establishment der Schweiz das Vertrauen aufgekündigt.»

Auch die «Neue Zürcher Zeitung» verortete das Abstimmungsergebnis im «argen Vertrauensverlust». Es offenbare einen Konflikt zwischen «denen da oben» und dem Mittelstand, liess Politologe Thomas Milic die «20 Minuten»-Leser wissen. Vorbei seien die Zeiten, in denen man der Wirtschaftselite blind Glauben schenkte.

Ein happiges Fazit. Immerhin ist Vertrauen in der politischen Kommunikation mehr als nur «ein Mechanismus zur Reduktion der Komplexität» (Luhmann). Das wäre bei dieser «wahrscheinlich kompliziertesten und am stärksten verästelten Gesetzgebung, die je in der Schweiz zur Abstimmung kam» (NZZ) aber schon viel gewesen. Vertrauen ist für politische Akteure gewissermassen das, was die Kapitalisierung für börsenkotierte Unternehmen bedeutet. Vertrauensverlust bedeutet für sie den Bankrott.

Zurück zu den Kommentatoren: Sie haben den Deutungsrahmen der Referendumsführer übernommen. Diese hätten die Vorlage als «Volk-Elite-Konflikt» aufgeladen, konstatierte das Forschungsinstitut Öffentlichkeit und Gesellschaft (fög). Deutungen dieser Art fielen bei den Medien auf fruchtbaren Boden; die Zeit dafür war günstig. Im Vorfeld der Abstimmung zogen auf dem internationalen Parkett zwei einschneidende Ereignisse die mediale und politische Aufmerksamkeit auf sich: der Brexit-Entscheid im Juni 2016 und die US-amerikanischen Wahlen fünf Monate später. Die Wahl Donald Trumps zum Präsidenten mag ein Misstrauensvotum gegen das Establishment gewesen sein, der Brexit ein Aufstand des Volkes gegen die Eliten. Aber die USA und UK sind nicht die Schweiz. Ein Faktencheck kann Klarheit schaffen.

War das Nein des Stimmvolks also Ausdruck eines generellen Verlustes des Vertrauens in Bundesrat und Wirtschaft? Nein, war es nicht. Sagt die Voto-Studie (ehemals Vox), die das Stimmverhalten nach der Abstimmung vom 12. Februar 2017 untersucht hat. Mitautor der Studie: der gleiche Thomas Milic, der noch einen Monat vorher von einem Elite-Basis-Konflikt sprach. Das allgemeine Vertrauen in den Bundesrat sei unter den Stimmenden nach wie vor (vergleichsweise) hoch und seit der ersten Voto-Erhebung vom September 2016 unverändert. Es habe zudem keine signifikante Rolle beim Stimmentscheid gespielt. Auch könne kaum von einem offenen Misstrauen gegenüber der Wirtschaft die Rede sein.

Zum gleichen Schluss kommt das Center für Security Studies der ETH Zürich. Es befragt die Bevölkerung jedes Jahr nach ihrem Vertrauen in die Institutionen. Ergebnis: Bundesrat und Wirtschaft stehen seit vielen Jahren relativ gut da. Nur Polizei und Gerichte geniessen ein noch grösseres Vertrauen. Der Wirtschaft vertrauen die Schweizerinnen und Schweizer heute mehr als vor 20 Jahren.

Entgegen den medialen Befunden ist das Vertrauen der Bürgerinnen und Bürger in die Landesregierung und die Wirtschaft also durchaus intakt. Aber Vertrauen ist kein Geschenk, sondern eine Verpflichtung.

Übrigens: Am Ende der Vertrauensskala stehen mit deutlichem Abstand die politischen Parteien und die Medien. Hier ist das Vertrauen in den vergangenen 20 Jahren praktisch konstant (tief) geblieben.

Die Leistung der Medien sollte uns noch aus einem anderen Grund zu denken geben. Bisher galt: Je intensiver die Medien über ein Thema berichten, desto bedeutender ist es in der Wahrnehmung des Publikums. Das lehrt uns auch das Agenda-Setting-Modell. Im Fall der Unternehmenssteuerreform III hat es versagt. Vor der Abstimmung hat das Forschungsinstitut Öffentlichkeit und Gesellschaft (fög) in den Schweizer Medien 679 Beiträge zur Steuerreform gezählt –viele davon waren kontrovers und emotional aufgeladen. Zur Einbürgerungsvorlage, über die wir gleichzeitig abgestimmt haben, zählten die fög-Forscher nur 235 Beiträge. Die Steuerreform war für die Medien alsoklar bedeutender als die Einbürgerungsvorlage. In der Wahrnehmung des Publikums war es umgekehrt.

Traditionell gehört ja das kritische Hinterfragen von gängigen Denkmustern zu den unschätzbaren und unverzichtbaren Leistungen des unabhängigen Journalismus in der demokratischen Gesellschaft. Das Hinterfragen der eigenen Denkmuster sollte dabei nicht ausgespart bleiben.


Der CAS Politische Kommunikation am IAM schärft Wissen und Können für die Kommunikation von Behörden, Unternehmen, Verbänden, NGOs, Parteien und Medienredaktionen in der politischen Arena.

In diesem Zertifikatslehrgang lernen Sie, spezifische Situationen zu analysieren, Kommunikationsmassnahmen strategisch zu konzipieren und wirkungsvoll umzusetzen – unter Berücksichtigung der Herausforderungen der medialisierten Politik und der direkten Demokratie.

Medienkonferenz – wie man ein «Auslaufmodell» aufwertet

Posted on 20. Juli 2017 by harz

Mit welchen Formaten erreicht man die Journalisten heute und was machen Unternehmen und Verwaltungen, um ihre Botschaften zu verbreiten? Sind Medienmitteilungen und Pressekonferenzen bald nur noch Reminiszenzen einer vergangenen Welt? Mit diesen Themen befasste sich Columni,die Ehemaligenorganisation des IAM, an ihrem Event anfangs Juni.

von Kathrin Reimann, Redaktorin ZHAW Impact

Columni traf mit dem Thema ins Schwarze: Der Anlass löste grosses Interesse aus. Über 50 Interessierte lauschten dem Referat von Markus Brotschi, welches den spannenden Diskussionsabend einleitete. Der Bundeshausredaktor des Tagesanzeigers hat für seine Masterarbeit an der ZHAW mit Journalisten und Kommunikationsfachleuten gesprochen und eruiert, in welchen Fällen Medienkonferenzen besucht werden, und aus welchen Gründen. Die Ergebnisse seiner Leitfadeninterviews stimmen mit seiner eigenen Wahrnehmung überein: «Medienkonferenzen haben deutlich an Bedeutung verloren.» Damit eine Konferenz besucht werde, sei mehr als ein vorgelesenes Referat nötig. «Es braucht politischen Sprengstoff oder die Anwesenheit einer wichtigen Persönlichkeit», so Brotschi. Dies könne den nötigen Mehrwehrt schaffen. «Zudem ist die Medienkonferenz für den Journalisten wichtig, um O-Töne einzuholen, mit Entscheidungsträgern in Kontakt zu treten und vielleicht auf diesem Weg sogar an eine exklusive Geschichte zu kommen.»

Nach dem journalistischen Input holten die Moderatoren und Columni-Vorstandsmitglieder Sabine Östlund und Massimo Diana den Kommunikationsleiter der Direktion der Justiz und des Innern des Kantons Zürich, Beni Tommer, sowie Sepp Huber, langjähriger Leiter der Swisscom-Medienstelle, ins Gespräch. Weil Huber den Medienwandel miterlebt hat, weiss er, wie man mit entsprechenden Veränderungen umgeht. Seine Antworten auf die digitalisierte Kommunikation sind unter anderem Video-Medienmitteilungen, Online-Konferenzen und eigene «journalistische» Inhalte. Bedauerliche Erscheinungen des Medienwandels sind für Huber eine schnellere und oberflächlichere Berichterstattung. «Oft mangelt es an Zeit und an Dossierkompetenz.» Beni Tommer kann sich dank seines Informationsmonopols und Skandalgeschichten wie den Fällen Carlos und Magdici/Kiko nicht über fehlende Aufmerksamkeit beklagen. «Man hört mir zu», so sein Fazit. Doch auch er ist froh um dossierstarke Journalisten der NZZ und des Tagesanzeigers, die «wissen was läuft und an denen sich andere Medienschaffende orientieren». Tommer setzt deshalb auf Round-Table-Gespräche, bei denen Experten Medienschaffende für ein aktuelles oder ein kommendes Thema sensibilisieren.

Bild: Deborah Harzenmoser

Die Ehemaligenorganisation Columni veranstaltet 6 Events pro Jahr. (Bild: Deborah Harzenmoser)

Sepp Huber setzt bei seinen Medienanlässen hingegen auf Hintergrund. «Wenn wir Technik erlebbar machen und Fachexperten mitbringen, haben wir Besucherzahlen wie noch vor zehn Jahren an einer klassischen Pressekonferenz.» Je nach Thema müssten Setting, Timing und auch der Durchführungsort der Konferenzen angepasst werden, um ein grosses Interesse zu generieren. Die Swisscom setzt zudem auf ihr Newsportal, für das das Unternehmen eigenen journalistischen Content produziert, etwa in Form von Experteninterviews, in denen sie sich eigenen kritischen Fragen stellen. «Bei den Journalisten kommt das Angebot gut an, um es Unternehmens-intern allerdings umzusetzen, bedingt es Power.» Für Medienschaffende, die solchen Content nicht annehmen, biete man auch die bisherigen Möglichkeiten etwa in Form von Interviews oder eigenen kritischen Fragen. Beni Tommer hat indes Skrupel vor eigenem journalistischem Inhalt. «Ich glaube nicht, dass es akzeptiert wird, wenn ein Unternehmen die journalistische Rolle einer objektiven Berichterstattung selber übernimmt.» Und auch für Markus Brotschi ist diese Form von Content ein No-Go: «Für mich ist das ein alarmierendes Zeichen. Auch wenn auf den Redaktionen die Zeit fehlt, müssen Journalisten die Berichterstattung selber machen.» Für Beni Tommer ist es wichtiger «als den Journalisten zu übertölpeln» einen Weg zu finden, den eigenen O-Ton und die eigene Narration der Geschehnisse zu verbreiten. «Ein bewährter Weg dafür sind Redaktionsgespräche, bei denen man sich gegenseitig auf den Zahn fühlt.» Die von Brotschi erwähnten Exklusivgeschichten, welche an Medienkonferenzen generiert werden können, sind für Tommer wie auch für Huber nicht ideal. Bei der Swisscom ist es als börsenkotiertes Unternehmen heikel, die Justizdirektion fürchtet verbrannte Finger oder journalistische Retourkutschen von Uninformierten.

Medienkonferenzen haben, so lässt es sich aus den Aussagen der drei Medienexperten schliessen, durchaus Potential, wenn sie ein Thema mit Sprengstoff behandeln, einen Experten stellen, etwas erlebbar machen (wie z.B. ein Gefängnis von innen sehen) und wenn sie O-Töne von Experten und Verantwortlichen liefern. Aber auch Round-Table-Gespräche oder Redaktionsbesuche können für Unternehmen hilfreich sein, um mit Journalisten in Kontakt zu kommen und eigene Botschaften und Sichtweisen zu verbreiten.


Columni ist die Ehemaligenorganisation der Absolventinnen und Absolventen des IAM Institut für Angewandte Medienwissenschaft der ZHAW Zürcher Hochschule für Angewandte Wissenschaften. Mehr Infos: www.columni.ch

 

Neuer Leiter IAM

Posted on 12. Juli 2017 by harz

Im März wurde Guido Keel zum neuen Leiter des Instituts für Angewandte Medienwissenschaft (IAM) der ZHAW gewählt. Am 1. Juli hat er sein neues Amt angetreten, und damit die Nachfolge von Daniel Perrin. Was bedeutet der Leitungswechsel für das IAM, für die Studierenden und Partner aus Forschung und Beratung?

von Deborah Harzenmoser, Onlinekommunikation IAM

Nach zwölf Jahren am IAM, zuletzt in der Funktion als Geschäftsführer und Journalistik-Dozent, hat Prof. Dr. Guido Keel am 1. Juli 2017 das Amt von Prof. Dr. Daniel Perrin übernommen, der wiederum Direktor des Departements für Angewandte Linguistik der ZHAW geworden ist. Das komplexe und mehrstufige Auswahlverfahren dauerte mehrere Monate, bis sich Guido Keel gegen die internationale Konkurrenz durchgesetzt hatte und zum neuen Institutsleiter gewählt wurde. Er sei stolz darauf und freue sich sehr auf die neue Aufgabe, besonders, weil sie so vielfältig sei, gesteht er. Als Institutsleiter kommen neben der strategischen Führung des Instituts weitere Tätigkeiten zusammen, für die er sich stark interessiere: Managen, Forschen und Unterrichten.

„Für mich ist wichtig, dass ein Leiter nicht nur strategisch tätig ist, sondern immer auch einen Bezug zur Wissenschaft und zu den Berufsfeldern behält. Darum will ich weiterhin forschen und unterrichten. Ich möchte so auch operativ am Ball bleiben und wissen, was das IAM im Alltag macht.“ – Guido Keel

Prof. Dr. Guido Keel

Abwechslung und neue Herausforderungen zu erleben, findet Keel bereichernd. Als erste Amtshandlung aber das IAM auf den Kopf zu stellen, das liege ihm fern: „Das Institut ist sehr gut aufgestellt. Es ist mir wichtig, eine gewisse Kontinuität aufrechtzuerhalten.“ Und trotzdem, als Person sei er anders als sein Vorgänger und werde deshalb das Institut in eigener Weise prägen. So werde er zum Beispiel keine Vollzeit-Professur innehaben, um sich mehr auch auf dem Management des Instituts widmen zu können. Von der Forschung will er sich nicht ganz zurückziehen: „Für mich ist wichtig, dass ein Leiter nicht nur strategisch tätig ist, sondern immer auch einen Bezug zur Wissenschaft und zu den Berufsfeldern behält. Darum will ich weiterhin forschen und unterrichten.“

Ein starker Bezug zu den Berufsfeldern sei in der heutigen Zeit unverzichtbar, weil sich die Kommunikationsbranche starken Veränderungen ausgesetzt sehe: „Heute trennen wir in der Lehre noch klar zwischen Journalismus und Organisationskommunikation. In nächster Zeit werden wir uns am IAM intensiv mit der Frage beschäftigen, in welche Richtung sich die Berufsfelder entwickeln, und was deren Veränderungen für die Ausbildung der Studierenden bedeuten. Ebenso wichtig ist die Auseinandersetzung mit dem Stellenwert öffentlicher Kommunikation in heutigen Gesellschaften, und den damit verbundenen Implikationen für die Ausbildung.“ Die Leitung des Bachelorstudiengangs Kommunikation bleibe aber unverändert bei André Schibli und Katharina Krämer. „Die unmittelbarste Änderung für die Studierenden ist die Tatsache, dass ich die Diplomrede halten werde“, schmunzelt Keel. Dass sich der Studiengang inhaltlich und strukturell kontinuierlich weiterentwickle – nicht zuletzt als Antwort auf gesellschaftliche Veränderungen – sei am IAM nichts Neues, betont Guido Keel.

Auch in der Forschung und in der Beratung will er das IAM nicht neu erfinden: „Wir haben unsere etablierten Forschungsfelder, ProfessorInnen und ExpertInnen. Ich sehe meine Aufgabe hauptsächlich darin, ihnen einen Rahmen zu geben, innerhalb dessen sie sich entfalten können.“

Das IAM ist wie ein Orchester mit starken SolistInnen. Als Institutsleiter bin ich der Dirigent. Meine Aufgabe ist es, allen Zeit und Raum zur Verfügung zu stellen, damit sie sich entfalten können und ihre spezifischen Stärken zum Ausdruck kommen. – Guido Keel

Die Frage, wie er Leiten, Forschen und Dozieren unter einen Hut bringen werde, beantwortet Keel mit einem für ihn typischen Pragmatismus: „Ich reduziere mein Pensum in Lehre und Forschung. Das nächste halbe Jahr wird aber erst zeigen, wie aufwändig die neuen Aufgaben tatsächlich sein werden, und wie ich mich im Detail mit meinen Mitarbeitenden organisiere.“


Lesen Sie auch das Porträt über Guido Keel in der Werbewoche: Abenteurer im Nebenjob

Wer studiert Kulturpublizistik und warum?

Posted on 11. Juli 2017 by harz

Seit 2009 gibt es den Master Kulturpublizistik der Zürcher Hochschule der Künste als Kooperation mit dem IAM. Zu den AbsolventInnen des Master gehören rund zwei Dutzend AbsolventInnen des IAM Bachelor Kommunikation. Hier erzählen Elena Ibello und Michael Fässler, was sie heute tun und wie sie auf ihre Studienzeit zurückblicken.

Elena Ibello – Ein Thema wird Beruf

Seit dem Abschluss meines Masterstudiums vor drei Jahren arbeite ich als Kommunikationsbeauftragte für palliative zh+sh, der regionalen Sektion der Schweizerischen Gesellschaft für Palliative Care für die Kantone Zürich und Schaffhausen. Das Thema Sterben und Tod, das viele ja immer noch als Tabuthema sehen, beschäftigt mich aber schon viel länger. Dass ich schon im Studium nebenbei für diesen Verein gearbeitet habe, hat sicher damit zu tun. Ich bin dort durch Zufall hingekommen und wollte eigentlich gar nicht so lange bleiben. Nach dem Abschluss war dann aber relativ schnell klar, dass ich dort neue Aufgaben übernehmen und mehr arbeiten könnte. 
Während des Studiums habe ich, noch bevor ich meine Masterarbeit geschrieben habe, gemeinsam mit der Filmemacherin Rebecca Panian ein Buch über das Sterben veröffentlicht. Es heisst „Zu Ende denken“ und ist 2013 erschienen. Wir haben dafür ungefähr fünfzig Menschen angefragt – SchriftstellerInnen, SchauspielerInnen und andere Personen des öffentlichen Lebens, aber auch Ärztinnen, SeelsorgerInnen, BestatterInnen – und sie gebeten, einen persönlichen Text zum Thema Sterben und Tod zu schreiben. Fast alle haben sofort zugesagt. Manche haben noch am Telefon damit angefangen, mir ihre Geschichte zu erzählen!
Das Buchprojekt hat sich ganz organisch aus der gemeinsamen Arbeit an einem Drehbuch für einen Dokumentarfilm entwickelt. Rebecca, mit der ich befreundet bin, hat damals ihren Vater verloren. Ich hatte gerade mit meinem Nebenjob bei palliative zh+sh begonnen. Auch privat hat mich das Thema damals umgetrieben: Ein enger Freund von mir hat sich das Leben genommen. 

Elena Ibello (Foto: Irene Stiefel)

Mit fast allen AutorInnen des Buches haben wir auch filmische Interviews geführt, von denen wir einige in Ausschnitten im Dokumentarfilm zeigen. Wir haben gefragt: Was wäre Dir wichtig, wenn Du wüsstest, es geht nicht mehr lang? Wovor hast Du Angst? Und natürlich: Kommt danach noch was – und wenn ja, was? Überrascht hat mich, dass keine Antwort wie die andere war. Wir haben wirklich fünfzig verschiedene Theorien gehört. Und das innerhalb von drei Wochen. Das war zum Teil auch eine Überforderung für uns. Zugleich waren wir total beflügelt von den Gesprächen. Ich bin oft beschwingt nach Hause gegangen – auch, weil immer so viel Hoffnung da war. 
Ich habe durch diese Gespräche erkannt, wie wichtig das Reden und der Austausch über das Sterben und den Tod sind. Seither lässt mich das Thema nicht mehr los. In meiner Masterarbeit bin ich der Frage nachgegangen, welche Rolle das Schreiben über den Tod in der persönlichen Auseinandersetzung mit dem Thema spielt. In meiner qualitativen Untersuchung hat sich herausgestellt: Eine grosse! Nach dem Abschluss 2014 habe ich an einem zweiten Buch gearbeitet, das palliative zh+sh im letzten Herbst herausgegeben hat. „Reden über Sterben“ ist, wie der Titel schon verrät, ein Plädoyer dafür, mit Vertrauenspersonen über das Sterben zu sprechen. Verschiedene AutorInnen – darunter Fachpersonen – haben das Thema aus ihrem Blickwinkel und ihrer Praxis beleuchtet. 

„Obwohl ich mir ursprünglich vorgestellt habe, als Journalistin zu arbeiten, kann ich mit solchen Buchprojekten auch in der Organisationskommunikation die Fragen aufgreifen, die mir wichtig sind.“ – Elena Ibello

Ich schreibe auch nach wie vor viele Texte, vor allem für die Newsplattform von palliative zh+sh. Um dort Themen zu setzen, vertraue ich auf meine Wahrnehmung. Dass subjektive Beobachtungen wichtige Daten liefern, mit denen man arbeiten darf, war im Studium eine Art Schlüsselerkenntnis für mich. Mittlerweile habe ich schon öfter die Erfahrung gemacht, dass das, was die Leute in der Palliative Care beschäftigt, sich oft mit dem deckt, was auch mich selbst umtreibt. Wenn ich dann so ein Thema – wie etwa das Reden über Sterben – vorschlage, sagen plötzlich alle: Ja, genau! Vor dem Studium hätte ich mich das wahrscheinlich nicht getraut. Ich hätte nicht den Mut gehabt, zu sagen: Das beschäftigt mich – und deshalb will ich unbedingt etwas dazu machen!

Elena Ibello schloss den BA Journalismus und Organisationskommunikation des IAM 2010 und den Master Kulturpublizistik der ZHdK 2014 ab. Das Gespräch führte und protokollierte Eva Mackensen im Mai 2017.

*Titelbild: Elena Ibello (Foto: Barbara Munz)


Michael Fässler – Ausstellungen als Form von Publizistik

Morgen endet meine dritte Arbeitswoche im Alpinen Museum in Bern. Im Stapferhaus Lenzburg, meiner vorherigen und bisher wichtigsten Station in meinem Berufsleben, war ich Kommunikationsverantwortlicher und betreute die Publikationen; im Alpinen Museum steht in meiner E-Mail-Signatur „Projektentwicklung“. Hier wie dort ist für mich die Möglichkeit, mich stark an der Konzept- und Strategiearbeit zu beteiligen, sehr wichtig. Dadurch, dass sich unsere Ausstellungen als „Themenmagazin im Raum“ verstehen lassen, und dass das Museum den Anspruch hat, öffentliche Diskurse anzustossen und zu prägen, kann ich meine publizistische Ader ausleben.
In meinem derzeit wichtigsten Projekt geht es unter anderem darum, die Sammlungsbestände, die zu Beginn der Amtszeit von Beat Hächler, dem Direktor des Museums, erstmal in den Keller gezügelt wurden um gegenwartsbezogenen Themenausstellungen Platz zu machen, in einem neuen Raum und in einer neuen Form wieder sichtbar zu machen. Dazu gehört die Aufgabe, die reichhaltige, teils aber auch lückenhafte Sammlung als solche noch einmal zu befragen: Was sagen uns die Objekte, und weshalb ist es wichtig, sie zu sammeln? Das Projekt heisst „Fundbüro für Erinnerungen“ und versteht sich, ein Stück weit im Sinne eines Schaulagers, als Scharnier zwischen dem Publikum und der Sammlung. Ab 2018 wird das Thema die Skikultur in der Schweiz sein. Hierbei interessieren uns beispielsweise die unterschiedlichen Erfahrungen verschiedener Generationen und die darin gespiegelten gesamtgesellschaftlichen Entwicklungen. 

Michael Fässler

Das „Fundbüro“ und die Sammlung soll auch im Netz präsent sein, auch hier im Sinne eines Ortes der Interaktion mit dem Publikum. Wir wollen das Wissen der Menschen in Form von Erzählungen und Geschichten sammeln. Wie es der Titel „Fundbüro für Erinnerungen“ schon vermittelt, ist der Einbezug spezifischer Zielgruppen, wie beispielsweise Leute aus dem Schweizer Alpen Club, sehr wichtig. In meiner Arbeit kommen somit sehr viele Dimensionen dessen, was ich schon gemacht habe, – namentlich: Konzeption, Erzählen, Strategieentwicklung, Interaktion mit dem Publikum – zusammen. Was mir besonders Spass macht, ist, dass die Arbeit nicht primär aus einem Erledigen von Mikrotasks bei gleichzeitigem Zusammenhalten verschiedenster paralleler Abläufe besteht, wie es bei der Kommunikationsarbeit oft der Fall war, sondern dass ich manchmal zwei Tage lang ununterbrochen an einem Konzept brüte. Ich lasse mich auf ein anderes Tempo ein und muss lernen, länger und tiefer über Dinge nachzudenken. In einem Buch, das ich gerade lese, wird das diskutiert: „Deep Work“ als Kompetenz, an einem Thema vertiefend dranzubleiben, ist in unserer Wissensgesellschaft zunehmend gefragt, aber die gleiche Wissensgesellschaft neigt immer mehr zur Zerstreuung.

Ein weiteres für mich sehr wichtiges Charakteristikum der Arbeit im Alpinen Museum ist der Umstand, dass man sich nicht in einem hermetischen Circuit der Kunstproduktion und des Kunstdiskurses bewegt, sondern dass mit jeder Ausstellung und jedem Thema wieder eine neue Welt aufgeht und unterschiedlichste gesellschaftliche Akteure involviert werden. Dass wir etwa über Sinn und Unsinn des Erinnerns und Bewahrens nachdenken, und dass wir dabei im Dialog mit sehr vielen Stimmen und Bedürfnissen stehen, macht die Arbeit herausfordernder, aber auch spannender.

„Ich wollte einmal Journalist werden. Jetzt mache ich gewissermassen Journalismus mit anderen Mitteln.“ – Michael Fässler

Die Formate, die Medien, der Rhythmus sind anders. Aber am Schluss geht es darum, über unsere Zeit nachzudenken und darüber ein für die Öffentlichkeit interessantes Gespräch zu führen. Im Depot des Alpinen Museums gibt es die ersten Skis und die Ausrüstungen der frühen Schweizer Himalaja-Expeditionen. Aber was uns wirklich interessiert, wenn wir Geschichte und Geschichten erzählen, ist das Verhältnis der Menschen zu den Bergen in der Gegenwart.

Michael Fässler schloss den BA Journalismus und Organisationskommunikation des IAM 2010 und den Master Kulturpublizistik der ZHdK 2015 ab. Das Gespräch führte und protokollierte Ruedi Widmer im Juni 2017


Weitere Absolventenporträts im IAM Blog

  • Wer studiert Kulturpublizistik und warum? Porträt von Fabienne Schmuki und Stephanie Rebonati
  • Vom IAM bis über die Wolken – Adrian Schindler
  • Vom Kindheitstraum zum Traumjob – Rafaela Roth
  • Vom IAM ans Zurich Film Festival – Rebecca Panian
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