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Wissen, was Kommunikation bewegt

Ein Blog der ZHAW Zürcher Hochschule für Angewandte Wissenschaften

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Ein journalistisches Morgenrot im verregneten Mediengrauen

Posted on 27. April 2017 by harz
von Prof. Dr. Vinzenz Wyss, Professor für Journalistik am IAM

Was für ein warmes Morgenrot leuchtete da an diesem verregneten Mittwochmorgen des 26. April, der in die Deutschschweizer Journalismusgeschichte eingehen wird. Euphorisiert strahlende Gesichter erleuchteten die düsteren Redaktionsstuben des Hotels Rothaus im Zürcher Langstrassenquartier. Das lange, mit geschickter Kommunikationsstrategie angekündigte Journalismusprojekt „Republik“ kann Realität werden. Es brauchte keine acht Stunden, bis das Ziel der beiden Pioniere Constantin Seibt und Christof Moser per Crowdfunding erreicht wurde: 750’000 Franken und 3000 Mitglieder für einen demokratierelevanten Journalismus.

Klar wollte ich da auf jeden Fall vor Ort dabei sein, der Crew der „Republik“ um sieben Uhr die Daumen drücken und Mut zusprechen, wenn sie über die alles entscheidende Crowdfunding-Klippe springt. Und so hüpfte ich auch schon nach fünf Uhr beim ersten Weckersound aus dem Bett und sass kurz darauf im Zug Richtung Zürich.

Optimismus im Bauch und Realismus im Kopf
Mein optimistisches Interesse am Projekt „Republik“ widerspricht dem Realismus eines Journalismusforschers, dessen Herz für einen zwar für die Gesellschaft unverzichtbaren jedoch immer weniger erwartbaren Journalismus schlägt. Gerade am Montag davor habe ich zusammen mit meinem Forscherkollegen Guido Keel auf Einladung der Eidgenössischen Medienkommission EMEK eine Expertise präsentiert, in welcher wir die Herausforderungen für den Journalismus im digitalen Zeitalter analysieren. In unserer 40-seitigen Studie führen wir aus, dass die Digitalisierung der öffentlichen Kommunikation zu einem unaufhaltsamen Wandel der gesellschaftlichen Medien- und Kommunikationsordnung führt. Der massenmediale Journalismus verliert zusehends seine Monopolstellung als so genannter Gatekeeper und die traditionellen Finanzierungsmodelle der Medien brechen ein. Dies führt wohl dazu, dass ökonomisch getriebene Medienunternehmen ihr Interesse an der ressourcenintensiven Produktion eines gesellschaftsrelevanten Journalismus verlieren. Gleichzeitig ermöglicht die Digitalisierung einer Vielzahl unterschiedlichster Akteure, in den Vermittlungsmarkt einzutreten. Diese erbringen zum Beispiel als strategische Akteure, Kuratoren oder Social Media Plattformen oder als Bürgermedien ebenfalls quasi-journalistische Selektionsleistungen – allerdings kaum im Einklang mit etablierten professionellen journalistischen Regeln und Normen, wie unsere und weitere bei der EMEK präsentierte Analysen festhalten.

Silberstreifen oder letztes Aufflackern
Angesichts dieser Entwicklung scheint uns Journalismusforschern das Projekt „Republik“ wie ein Silberstreifen am Horizont. Oder vielleicht doch nur als ein Tropfen auf den heissen Stein, ein letztens Aufflackern von Idealisten, die sich noch als Angehörige einer Profession verstehen? Gequält von solch herzzerreissenden Gedanken erreichte ich dann kurz nach sieben Uhr das Hotel Rathaus mit einer gewissen Erleichterung. Tatsächlich hat sich vor dem Eingang eine wider Erwarten längere Schlange von geschätzt 200 Menschen in meist grauer Bekleidung unter farbigen Regenschirmen gebildet. Sie alle hatten sich ebenfalls in aller Herrgottsfrüh aufgemacht, um mit ihrer Spende von 240 Franken am Ort des Geschehens ihr Interesse an einem Journalismus zum Ausdruck zu bringen, der von einer journalistischen Organisation hervorgebracht werden soll, die sich primär journalistischen Qualitätszielen verpflichtet.

Genau das verspricht die Genossenschaft „Republik“ nämlich zu sein: eine journalistische (!) Organisation und nicht ein Medienunternehmen, das primär ökonomische Ziele verfolgt und zugleich von der sich verabschiedenden Werbewirtschaft abhängt. Aber reicht das? Reicht es, demokratierelevanten Journalismus zu produzieren angesichts der Tatsache, dass dieser künftig auch im digitalen Netz gefunden werden muss? In einem Netz, in dem so genannte «News-Deprivierte» die Spreu vom Weizen trennen können müssten. In einem Netz, das immer mehr von parasitären Social Media Plattformen und ihren Algorithmen beherrscht wird?

Ausgehend von der Frage, wie das Journalistische künftig sein Publikum erreichen kann, haben wir in unserer Studie drei künftige Szenarien entwickelt:

  • Im ersten Szenario sehen wir einen individuellen Kurator. Findig und über eine hohe Medienkompetenz verfügend, ist er in der Lage, seine eigene Auswahl an Informationen zusammenzustellen.
  • Das zweite Szenario geht davon aus, dass sich mächtige Social Media Plattformen durchsetzen werden. Als „Hubs“ werden sie die erste Anlaufstelle von unzähligen – auch pseudojournalistischen – Informations- und Deutungsanbietern wie beispielsweise wirtschaftliche oder politische Akteure, die nicht-journalistische Ziele verfolgen, sein.
  • Im dritten Szenario betonen wir, dass der für die Gesellschaft relevante Journalismus weiterhin organisationale Strukturen benötigt, um seinen Institutionenstatus erhalten zu können. Wir vertreten die Auffassung, dass nur innovative journalistische Organisationen in der Lage sind, solche Leistungen zu erbringen.

Anforderungen an eine innovative journalistische Organisation
Würde „Republik“ den Anforderungen an eine solche innovative Organisation gewachsen sein? Wir haben in unserer Studie Kriterien entwickelt, die dabei herangezogen werden können, dies einzuschätzen. Darunter fallen zum Beispiel etablierte Strukturen des Qualitätsmanagements, geeignete redaktionelle Arbeitsbedingungen, ein intensiver Umgang mit Social Media zur verstärkten Publikumsinklusion, aber auch ein neues journalistisches Selbstverständnis, das nicht einfach die klassischen Rollen des neutralen Berichterstatters oder des Kritikers betont, sondern dem Wissensvermittler, der Moderator und dem Problemlösers viel mehr Gewicht gibt. Vor allem aber müssten solche unabhängigen journalistischen Organisationen auch in der Lage sein, teure Spezialisten in der Suchmaschinenoptimierung, der Daten- und Algorithmen- optimierten Bespielung vieler relevanter Plattformen einzusetzen. Sie dürften wohl auch nicht davor zurückschrecken, Advertsing-Angebote von Google und Facebook für den Aufbau von gekaufter Reichweite zu nutzen.

Solche Gedanken hatten freilich an dem besonderen Morgen des 26. April keinen Platz in dem überfüllten Hotel Rothaus. Auch die mahnenden Worte in der Youtube-Botschaft des Inspirators Hansi Voigt, dass der Journalismus ganz viele solche Projekte auch ausserhalb des Grussraums Zürich brauche, vermochten die euphorische Stimmung nicht zu trüben. Nach meiner feierlichen Einzahlung des Mitgliederbeitrags, einigen angeregten Gesprächen mit überdurchschnittlich interessierten Journalisten etwa über die Nachhaltigkeit des unerwarteten Engagements, einem starken Händedruck von Constantin Seibt und einem Kaffee, serviert von Christof Moser, waren bereits die ersten „Wows“ zu hören. Nach knapp einer Stunde waren 170‘000 Franken zusammengekommen. Kaum einer traute sich dann schon zu glauben, dass es am Mittag bereits eine halbe und am Abend mehr als eine Million sein werden.

Möge die „Republik“ den Glauben an den Journalismus beflügeln und weiteren Journalismus-Enterpreneuren Mut machen! Mögen solche Projekte auch den Journalismusforscher Frank Lobigs vor den Kopf stossen, der vor der EMEK mit seiner medienökonomischen Analyse – durchaus überzeugend – den Teufel an die Wand malte und prognostizierte, dass der Journalismus von Social Media Plattformen wie Facebook an die Wand gespielt werde. Aber selbst wenn dies nicht gelingen sollte: Die „Republik“ hat bereits jetzt gezeigt, wie man sich eine journalistische Organisation vorzustellen hat und dass es sich möglicherweise lohnen würde, solchen Vorhaben auch mit Mitteln der Medienförderung auf die Sprünge zu helfen.

Virtual Communities are like Unicorns

Posted on 21. April 2017 by harz
von Dr. Aleksandra Gnach, Dozentin und Kommunikationsbeauftragte IAM

Vorbemerkung: Dieser Blogpost wurde auf Englisch verfasst und nicht übersetzt. Weil wir unseren LeserInnen genügend Sprachkompetenz zutrauen, weil Communities Sprachgrenzen überwinden –  und weil das IAM grenzübergreifend forscht und denkt.

Virtual Communities are like unicorns: too mystical to be real. Sometimes, if we get very lucky, we might find one. That doesn’t happen very often. If you meet one, be prepared for sparkle, fairy dust, and magic moments – or, in other words: true engagement, authenticity, and unexpected outcomes.

Organisations invest a lot brainpower and money into building and managing communities. Possible goals are: higher customer retention, increase in feedback and ideas from customers, or establishment of credibility. The underlying consideration is: If customers interact with one another and questions get answered by community members, organisations gain valuable information about customers’ preferences and opinions, and sometimes even product innovation. This can lead to cheaper costs in support but also to up-selling, or new contacts. Another goal is that community members freely talk about us as an organisation. If they are happy with what we do, they share their praise with the rest of the community and beyond. Which is great for our reputation!

There are some famous success stories proving all these expectations true, like the Lego Case Study, which by the way is also a perfect example of how visibility and engagement in organisational communication can impact public discourse – although not always in an intended way. But most organisations are still communicating with audiences on social media, which are far from being communities in the real meaning of the term.

Howard Rheingold, an influential writer and thinker on social media, differentiates between virtual communities and online social networks. He defines a virtual community as a “[…] network of interpersonal ties that provide sociability, support, information, a sense of belonging and social identity. […] The difference between an online social network and a community has to do with the quality, continuity, and degree of commitment in the relationship between members.”  Social identity and a sense of belonging don’t emerge out of the blue. What are the secrets behind Virtual Communities worthy of the name? Being an online ethnographer, I have been observing several virtual communities for a while, trying to figure out regularities while systemising the success criteria. My absolute favorite is the YOU-Community.

The goal of the YOU-Community is simple and quite ambitious: “Billions of healthy people”. The path leading there is paved with science-based micro actions for a sustainable behaviour change and for personal development. 100,000 people from all over the world use the YOU-App daily to improve their physical and mental wellbeing.  They accomplish small actions in areas like body, food, mind, or love, and share their progress with the community, by posting a picture and a short text. The YOU-App is not at all about winning over others; it’s all about supporting each other, through encouragement and reward of good choices – an approach which makes everybody win.

The YOU-Community is my favourite community for two reasons. As a user I really have the feeling of being part of something bigger; I even developed relationships with other users – something I have never experienced in an online environment before. As a researcher I see for the first time all the phenomena I was thinking and writing about, without being able to observe them in the field. It feels like meeting a unicorn for real. YOU-Community members are very active, they interact, share intimate details, build and maintain relationships – and even organise offline meetups all over the world. What the heck makes them do this? I had several hypotheses, which I was lucky enough to discuss with Nelli Lähteenmäki, Co-Founder and CEO of YOU. 

Aleksandra Gnach (links) und Nelli Lähteenmäki (rechts) am Coco Summit 2017 am IAM. (Foto IAM)

We met in Winterthur – yes, Nelli came from Helsinki to Winterthur, just to share her experiences and insights with the participants of the further education course CAS Community Communication who tackled Virtual Communities for a whole semester. This approachability and spontaneity of a very busy start-up CEO, the willingness to share knowledge for totally altruistic reasons, is very symbolic. The founders created YOU in order to make the world a better place. This is not a strategic mission statement; it’s something I believe after only five minutes of talking with Nelli. The spirit of the founders is the core of the YOU-Community. Hypothesis 1 proved: A functioning community builds on authenticity, on genuine goals and real needs.

The YOU-Team is not “managing” a community; they are part of it. On the one hand, team members accomplish micro actions themselves; on the other hand, they make the ideas and problems behind the app development transparent – they share success, discuss problems and invite community members to express their opinions on the next steps in app-development. For example, when introducing paid content. For the first time in my life, I saw app users expressing their enthusiasm about finally being able to support app operators monetarily. Hypothesis 2 proved: Transparency and honesty lead to commitment.

The YOU-Community is very engaged and innovative. The relationships between members overcome geographical and technological boundaries – people send each other postcards, connect with email or whatsapp and even organise meetups. Which took the YOU-Team by surprise. Their reaction: Joy, publicly expressed on the YOU-App of course and immediately the question: How can we facilitate future meetups? What do you guys need? Hypothesis 3 proved: Unicorns have needs. If you let them free, they will express them, find ways to meet them, and at the same time show you how to develop yourself. 


Dieser Artikel ist auch auf Medium erschienen: Aleksandra Gnach auf Medium folgen

Keine Macht den Journalistinnen!

Posted on 18. April 2017 by harz
von Filip Dingerkus, wissenschaftlicher Assistent und Vinzenz Wyss, Professor für Journalistik am IAM

Nicht erst seit dem frauenfeindlichen Verhalten des aktuellen US-Präsidenten oder des polnischen EU-Abgeordneten ist die Debatte um Gleichberechtigung und Feminismus vs. Chauvinismus wieder neu entbrannt. Auf politischer Ebene wird auch in der Schweiz die Diskussion um Frauenförderung für viele Branchen bereits seit Längerem geführt. Regelmässig thematisieren Medien die Rechte der Frau, ihre Stellung in der Gesellschaft und berufliche Chancen. Doch wie sieht es in der eigenen Branche, also im Journalismus, aus?

Die kritische Auseinandersetzung mit dieser Frage ist umso wichtiger, als die Situation im Journalismus noch prekärer scheint als in anderen Berufen, wie eine aktuelle Untersuchung des Grimme Labs in Deutschland zeigt. Auch in der Schweiz flackert die Debatte immer mal wieder auf; unlängst wollten die Medienfrauen Schweiz wissen, warum sich Medienhäuser über ihre eigene Frauenförderung ausschweigen.

Gleichberechtigung hat weiterhin Nachholbedarf
Wie in vielen ökonomisch-getriebenen Unternehmen, zeigt sich sowohl in Deutschland als auch in der Schweiz, dass Frauen in höheren Positionen auch in Redaktionen klar untervertreten sind. Es stellt sich die Frage, wie sich dieses Ungleichgewicht zum Ausdruck kommt und was die Ursachen dieser Diskriminierung sein können? Kurz lässt sich sagen, dass Gleichberechtigung im Journalismus sicherlich noch Nachholbedarf hat. Eine dramatische Situation wie sie die deutsche Untersuchung zeichnet, lässt sich für die Schweiz allerdings nicht bestätigen; vor allem dann nicht, wenn relevante Rahmenbedingungen berücksichtigt werden. Genau dies haben Forscher am IAM Institut für Angewandte Medienforschung der ZHAW in einer aktuellen Studie gemacht. Dennoch: wird nach verschiedenen Medientypen unterschieden, so gibt es lediglich beim öffentlichen SRG-Radio ein Geschlechtergleichgewicht. Auch im Onlinebereich arbeiten mit knapp unter 50% überdurchschnittlich viele weibliche Journalisten. Print-Medien, die SRG-Fernsehredaktionen und der Privatrundfunk sind hingegen weiterhin klare Männerdomänen; dort sind zwei Drittel männliche Angestellte.

Weiterhin männliche Häuptlinge
Des Weiteren zeigt sich, dass Führungspositionen in rund 3 von 4 Fällen von Männern besetzt werden.  Dies deutet auf eine diskriminierende Schieflage hin – allerdings nur auf den ersten Blick. Während Tages- und Wochenzeitungen mit 73% Männeranteil genau in diesem Schnitt liegen, gilt dies für Magazine beispielsweise nicht. Dort ist das Verhältnis beinahe bei 50/50. Ähnlich ausgeglichen sieht es auch im öffentlichen Radio aus. Die klaren Männerdomänen sind der Privat-Rundfunk und Onlinemedien, wo nur jede fünfte Führungsperson weiblich ist.

Die Babypause ist sicher ein wichtiger Grund für dieses Phänomen, wohl aber nicht der einzige. Die Mutterschaft bedeutet nämlich nicht selten auch den definitiven Abschied aus der Branche. Rückkehrerinnen in den Beruf gibt es wenige. Vermutlich gibt es auch andere Motive, warum Frauen ab 30 vermehrt dem Journalismus den Rücken kehren. Nebst der familienfeindlichen Arbeitszeiten, dem hohen Maß an Flexibilität und dem generell hohen Zeitaufwand den der Beruf auszeichnet, sind teils auch die auf Konkurrenz- und Machtstreben beruhende Kommunikationskultur mögliche Hindernisse für Frauen. Eine Tendenz, die auch Medienforscher wie das Team um Andy Kaltenbrunner aus Österreich bemerken.

Auf jeden Fall trägt der Mangel an erfahrenen Journalistinnen zum Missverhältnis in den Chefetagen bei. Während bei den unter 30-jährigen im Journalismus noch 54% Frauen arbeiten, liegt der Frauenanteil bei über 50-Jährigen sowie bei Medienschaffenden mit mehr als 12 Jahren Berufserfahrung nur noch bei 30%. Dieses Missverhältnis relativiert sich jedoch, wenn Gleiches mit Gleichem verglichen wird:  Setzt man nämlich nun die 25% Frauen in Führungspositionen den 30% erfahrenen Journalistinnen gegenüber, scheint statistisch gesehen nur noch eine geringe Bevorzugung von Männern für Kaderstellen erkennbar zu sein. Man könnte sogar so weit gehen und argumentieren, dass eine höhere Frauenquote zugleich Männer diskriminieren würde. Denn relativ zu ihrem Anteil gibt es in der Schweiz also ähnlich viele weibliche wie männliche Führungspersonen.

Lohnschere bleibt offen
Betrachtet man den Lohn, fällt der erste Eindruck zunächst ebenfalls extrem aus. Und insbesondere in einer Kategorie ist der Unterschied bemerkenswert gross. Vergleicht man aber zunächst den Durchschnittslohn aller Journalistinnen mit demjenigen aller männlichen Journalisten, verdienen Frauen im Schnitt 5‘100 CHF pro Monat, während Männer rund 1‘100 CHF mehr verdienen. Nun wissen wir aber auch, dass Frauen etwas häufiger Teilzeit arbeiten als Männer und Männer länger im Beruf verweilen, weshalb sie eine höhere Berufserfahrung aufweisen. Berücksichtigt man demnach nur die Vollzeitstellen, sowie diejenigen, die weniger als 6 Jahre Berufserfahrung haben, werden die Lohnunterschiede geringer: Frauen verdienen nun im Schnitt 4‘400 CHF, Männer dagegen 5‘100 CHF; der  Unterschied beträgt jedoch immer noch 700 CHF.

Männer sind zusätzlich stärker in höheren Positionen vertreten. Dieser Einfluss muss zusätzlich in die Rechnung mit aufgenommen werden. Ein geschlechtsbezogener Lohnvergleich ist also nur dann sinnvoll, wenn er innerhalb derselben Hierarchiestufen ansetzt. Vergleicht man (zusammen mit den vorherigen Kriterien) die Löhne in der Kategorie der Mitarbeitenden ohne Führungserfahrung, so kommen weibliche Journalisten auf einen Schnitt von 5‘000 CHF, während die männlichen Kollegen 5‘400 CHF verdienen. Eine statistisch ausgewiesene Diskrepanz herrscht also nach wie vor. Interessant sind die Unterschiede unabhängig von Alter und Erfahrung, wenn der Lohn nach Positionen für Vollzeitangestellte verglichen wird (siehe Tabelle). Eines wird deutlich: Frauen in höherem Kader verdienen praktisch gleich viel wie im Mittleren. Die Chefetage hat demnach den grössten Nachholbedarf, was die Löhne anbelangt. Lohngleichheit muss also weiterhin eine Forderung auf der Agenda für Gleichberechtigung bleiben.

Löhne im Schnitt weiblich männlich Differenz
Chefredaktion   7‘200 8‘600 1‘400  
Mittleres Kader   7‘200 7‘800 600  
Redaktionsmitarbeitende   5‘800 6‘600 800  

Doch eine weitere eher unscheinbare Einflussgrösse sollte man in dieser Diskussion nicht ausser Acht lassen.

Zutreffendes Klischee
Gibt es Ressorts, die besonders häufig von Frauen bevorzugt werden oder die Frauen besonders bevorzugen? Dieses Klischee hält sich hartnäckig: während der Sport mit über 90% eine absolute Männerdomäne ist und auch die Ressorts Politik und Wirtschaft mit rund 70% vorwiegend in Männerhand sind, arbeiten verhältnismässig mehr Frauen im Kultur- und Unterhaltungssektor, wie Lifestyle, Mode, Bildung und Freizeit. Und hier zeigt sich auch eine Besonderheit: In den Ressorts wie Politik und Wirtschaft wird deutlich mehr verdient. Und zwar unabhängig vom Geschlecht. Auch Männer müssen in Unterhaltungsbereichen, Kultur- und Sportressorts mit geringeren Löhnen, meist einige hundert Franken weniger, als ihre Polit- und Wirtschaftskollegen rechnen. Wenn es also darum ginge, Gleichberechtigung im Journalismus zu leben, wäre es nicht nur an der Zeit, die Lohnschere grundsätzlich zu schliessen, sondern auch eine grössere Durchmischung unter den Ressorts anzustreben.

Donald Trumps Wirtschaftspolitik: Vertrauen oder Voodoo?

Posted on 6. April 2017 by harz
von Roland Waibel, Professor für systemisches Management und Gastdozent im CAS Wirtschaftskompetenz am IAM

Was ist von der Trumpschen Wirtschaftspolitik zu erwarten? Die Börse jubelt ob der geplanten Deregulierungen, Infrastrukturmassnahmen und Steuersenkungen. Die optimistische Reaktion der Märkte hat sich bisher noch nicht in harten Wirtschaftsdaten niedergeschlagen. Insbesondere die protektionistische Handelspolitik nach dem Motto «America first!» widerspricht zentralen ökonomischen Erkenntnissen.

Gute Wirtschaftspolitik ist komplex
Wir alle hätten es in unserer hyperkomplexen Welt gerne eindeutiger, klarer, reduzierter, einfacher. Dies wird ein Wunschtraum bleiben: Politik ist die Kunst des Machbaren, und machbare Lösungen sind heute meist ebenso komplex wie deren Ursprungsprobleme. W. Ross Ashby hat sein Gesetz der erforderlichen Varietät (Law of Requisite Variety) bereits vor 60 Jahren formuliert: Einer zunehmenden Umfeldkomplexität kann nur mit einer adäquaten Binnenkomplexität begegnet werden. Wie ist in diesem Licht Donald Trumps bisherige Wirtschaftspolitik zu beurteilen? Als Politnovize scherte er sich keinen Deut um umfassende, vernetzte Analyse und daraus abgeleitete Lösungsvorschläge. Sein Markenzeichen sind einfache Fixes. Der amerikanische Arbeiter wird durch chinesische Konkurrenten bedroht? Ausstieg aus dem transpazifischen Handelsabkommen TTP! Strafzölle werden die Chinesen abprallen lassen. Wie können Öl, Gas- und Kohleabbau gefördert werden? Durch Abbau von Umweltschutzregeln! Und ohnehin und immer wieder: «America first!»

Vertrauen als wichtiges wirtschaftliches Asset
Das Management komplexer Systeme, wie z.B. eine Wirtschaft oder eine Nation, setzt nicht nur gutes Handwerk in Form von stimmiger Analyse und adäquater Politik voraus, sondern auch das Verständnis in die Bedeutung von flüchtigen Werten wie Berechenbarkeit und Vertrauen. Eine Politik der ruhigen Hand heisst, Personen, Unternehmen und Märkte mit konsistenten, nachvollziehbaren Massnahmen zu überzeugen. Stimmung und Konsumentenvertrauen schlagen sich in entsprechenden Wirtschaftsentwicklungen nieder. Die Forschung zeigt beispielsweise: Respekt und Vertrauen hält nicht nur Familien zusammen, sondern macht auch Unternehmen erfolgreich und beschert Staaten ein höheres Wohlstandsniveau, z.B. der Schweiz ebenso wie den skandinavischen Ländern.

Brunnenvergifter Trump
Der Ökonom Dennis Snower hat analysiert, was das Anfachen von Ressentiments ökonomisch für die USA bedeutet. Er kommt zum Schluss, dass die Stimmung in Amerika seit der Amtszeit von George W. Bush und dem Aufstieg der Tea Party vereist. Präsident Trump verabschiedet den gegenseitigen Respekt nun endgültig, indem er politisch Andersdenkende, chinesische Firmen oder Mexikaner verleumdet. Die Kultur des Hasses hat eine ganz grundsätzliche Wirkung: Das Schüren von Ressentiments kollidiert mit einem Wirtschaftssystem, das auf Vertrauen basiert. Wer andauernd Misstrauen gegen Migranten, ausländische Firmen und politische Entscheidungsträger anfacht, verfinstert das Denken und prägt eine Gesellschaft. Er vergiftet den Brunnen, aus dem alle trinken. Wenn Trump sich aus der Transpazifischen Partnerschaft (TPP) zurückzieht und mit seinen Twitter-Stürmen China permanent provoziert, nimmt er damit Amerikas grössten und mächtigsten Handelspartner ins Visier. Er verkennt, dass Amerika und China sich in einer kodependenten Partnerschaft befinden. Zwar ist China von der amerikanischen Nachfrage nach seinen Exporten abhängig, doch die USA hängen gleichzeitig am chinesischen Tropf: China hält US-Schatzanleihen und Vermögenswerte im Wert von über 1,5 Bio. US-Dollar. Zudem ist China Amerikas drittgrösster und wachstumsstärkster Exportmarkt.

Protektionismus ist schlechte Wirtschaftspolitik
Nur ein Präsident in der Filterblase der eigenen Allmacht kann verkennen, dass eine Kodependenz eine sehr reaktive Verbindung ist. Yale-Professor Stephen Roach hat darauf hingewiesen, dass amerikanische Strafzölle auf chinesische Waren mit hoher Wahrscheinlichkeit analoge chinesische Vergeltungsmassnahmen nach sich ziehen – und am Ende dieser Eskalation ein potenzieller Handelskrieg steht. Dieser wird nicht nur die amerikanischen Verbraucher mit deutlich höheren Kosten empfindlich treffen, sondern über die intensive Verflechtung der globalen Weltwirtschaft uns alle. Harvard-Professor Larry Summers, der in den Regierungen Clinton und Obama gedient hat, bezeichnete denn auch die Trumpsche Handelspolitik als unrealistische «Voodoo-Ökonomie». Protektionismus, eine Politik der Abschottung macht viele arm und erhöht die Gefahr von feindseligen Auseinandersetzungen. Wer miteinander Handel treibt, hat deutlich weniger Anlass, sich gegenseitig auf die Mütze zu geben. Ob Präsident Trump die immense Bedeutung von intensiven Handelsbeziehungen, wechselseitigem Vertrauen und Zusammenarbeit für das Gedeihen der eigenen Nation wie aller anderen Menschen auf unserer Erde noch rechtzeitig erkennen kann?

Roland Waibel ist Professor für systemisches Management an der Fachhochschule St. Gallen und leitet dort das Institut für Unternehmensführung. 


Bahnhof verstanden?
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«Was mir dieser CAS konkret gebracht hat, merke ich, wenn ich den VWL-Ausblick und den Anlageausblick unserer Ökonomen lese. Jetzt verstehe ich endlich, was sie genau meinen.» – Dajan Roman, Mediensprecher bei Swiss Life (bis 2016, heute Kommunikationsleiter Kantonsspital Graubünden)

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