Die Klischees, die die Angestellten der Bibliotheken seit Generationen verfolgen, sind – erstaunlicherweise weltweit – immer wieder dieselben, und sie werden in den Medien, Cartoons oder auch der Literatur immer wieder demonstriert. Strenger Blick, Finger auf den Lippen, Brille, gewissenhaft und überwiegend weiblich, und meist mit einem gedruckten Buch in der Hand. Auch der HSB-Film greift dieses Vorurteil nochmals mit Augenzwinkern auf.
Vertreterinnen und Vertretern der Profession, die selbstverständlich den ganzen Tag nur am Lesen sind, begegnen Nutzerinnen und Nutzern primär beim Bibliotheksbesuch. Dort scheint die Haupttätigkeit der gewöhnlichen Bibliothekarin bzw. des Bibliothekars zu sein, auf Kundschaft an der Informations- und Ausleihtheke zu warten und diese zu bedienen, etwa mit wissenden Auskünften oder der Ausleihe bzw. Rücknahme von Büchern. Weitere Kontakte verlaufen zwar auch telefonisch oder virtuell, verhelfen dem skizzierten Bild aber auch nicht unbedingt zu einem anderen Image.
Aber was tun Bibliothekarinnen und Bibliothekare einer Hochschulbibliothek, wenn sie nicht an den Theken sitzen und Medien ausleihen? Und vor allem: Was tun sie, wenn die Bibliothek – etwa wie im Lockdown des letzten Jahres – komplett geschlossen ist? Gehen sie in Kurzarbeit oder Zwangsferien?
Zugegeben: Der erste Corona-Lockdown im März 2020 traf die Hochschulbibliothek so unvorbereitet, wie alle übrigen Branchen weltweit. Bis zu diesem Zeitpunkt galt auch bei der HSB die Meinung, dass für Bibliothekarinnen und Bibliothekare aufgrund ihrer eher mediengebundenen und vor Ort stattfindenden Tätigkeiten kaum Homeoffice möglich ist. Dann stellte man auch bei uns mit Erstaunen fest: Es geht doch tatsächlich viel auch von der Ferne aus. Sogar Meetings! Zum Glück bot die hervorragende technische Infrastruktur der ZHAW (z.B. Meeting-Tools, sichere Authentifizierung, VPN, ets.) die nötigen Voraussetzungen dazu. Dank des tatkräftigen Einsatzes der ICT konnten Schulungs-Laptops rasch zu Mitarbeitenden-Geräten umfunktioniert werden, sodass auch diejenigen Kolleginnen und Kollegen ihre Zeit im Homeoffice verbringen konnten, die bislang noch nicht mobil unterwegs gewesen waren.
Wie kann man sich die Arbeit nun vorstellen? Zum einen wurde für die Ausleihe / Benutzung auch während des Lockdowns ein Medienversorgungsservice für ZHAW-Angehörige aufrechterhalten. Darum befanden sich ein bis zwei Mitarbeitende immer vor Ort, um diese Basisdienste (Ausleihen und Rücknahmen von Medien, Scandienste, Postversand, etc.) leisten zu können. Schriftliche und telefonische Anfragen sowie Beratungen konnten und können jedoch sehr gut aus dem heimischen Umfeld und per Laptop erledigt werden. Den Switch auf die neuen Online-Möglichkeiten mit MS Teams, Zoom, etc. konnte das HSB-Team somit ebenso rasch bewerkstelligen, wie die übrigen ZHAW-Angehörigen.
Und was war mit den HSB-Mitarbeitenden, die nicht mit dem Ausleihbetrieb oder dem Kundenservice beschäftigt waren oder sind? Auf diese wartetet – und warten – selbstverständlich zahlreiche, essenzielle bibliothekarische Backoffice-Aufgaben.
Angefangen von den Erwerbungstätigkeiten (denn irgendwie müssen neue Print und E-Medien ja erstmal den Weg in die HSB finden), bis hin zu Erschliessung und Bereitstellung für den Bestand.
- Erfassen gewünschter gedruckter oder elektronischer Medien im System (Homeoffice)
- Bestellung bei Lieferanten (Homeoffice)
- Eingangsbearbeitung physischer Medien & Zeitschriften (vor Ort)
- Rechnungserfassung und -bearbeitung (Homeoffice)
- Formale und sachliche Erschliessung der Medien (physische vor Ort, E-Medien im Homeoffice)
- Finalisierung physischer Medien (vor Ort)
- Datenbereinigungen und Bestandspflege (vor Ort & Homeoffice)
Workflows von Bibliotheken sind weitreichend und mit diversen Besonderheiten und Varianten gespickt. Da heisst es somit aufpassen und genau arbeiten. Und Mitdenken hilft bekanntlich immer. 😉
Während der langen Schliessung der Bibliothek wurde dann auch die Gelegenheit genutzt, eine umfrangreiche Revision des Medienbestandes durchzuführen. Und das Team war weiterhin damit beschäftigt, den grossen Umstieg von NEBIS zu swisscovery vorzubereiten, der dann Anfang Dezember vollzogen werden konnte (s. auch Blogbeitrag Swiss Library Services Platform – Unser Dasein in der Cloud).
Mitarbeitende ausserhalb der “Library Services”, bzw. anderer HSB-Teams widmeten sich zahlreichen konzeptionellen Tätigkeiten: Planung von Schulungen in virtueller Form, Weiterführung diverser Projekte in den Themengebieten Open Access, Open Science oder Open Educational Resources, der Pflege und Optimierung der Publikationsdatenbank und vielem mehr. Und darüber hinaus musste der gesamte plötzliche Lockdown-Entscheid sowie der virtuelle Switch auch erst aufgegleist und weiter organisiert werden.
Der strenge Lockdown 2020 ist Geschichte, und nach einer langen reduzierten Arbeits- und Servicephase aufgrund der weiteren COVID-19-Wellen kann sich das HSB-Team auf einen hoffentlich einigermassen regulären Betrieb ab Semesterbeginn vorbereiten. Künftig werden ein oder zwei Homeoffice-Tage in der HSB weiter dazugehören dürfen.
Ergänzende Literatur:
- Berufskunde Information und Dokumentation siehe z.B. Fachmann/-frau Information u. Dokumentation EFZ, Informations- / Dokumentationsspezialist/in FH (BSc) oder Wissenschaftliche/r Bibliothekar/in (Inserate aus berufsberatung.ch)
- Zum Bild des Bibliothekars durch die Jahrunderte: Keilholz, C. (2019). Klischee im Bild: Bibliothekare und ihre Darstellung in der Kunst. Perspektive Bibliothek, 8 (1).
- Zum Stereotyp der Bibliothekarin: Gehrmann, P. (2012). Die Bibliothekarin: Gender Issues and Stereotypes. Rundbrief 57 / IG WBS.
Ein Beitrag von Sylvia Wanke