Neue WIG-Studie zeigt erhebliche Belastung der Spitäler durch RSV-Infektionen

Abbildung 1: Monatliche Anzahl Hospitalisationen wegen RSV (dunkelblau), anderen Atemwegsinfektionen (hellblau) und anderen Hauptdiagnosen (grau) bei Kindern unter 1 Jahr (2003-2021; ohne Geburten). Quelle: Stucki et al. 2024.

Von Dr. Michael Stucki

Das Respiratorische Synzytial-Virus (RSV) ist in den Wintermonaten für viele Erkältungen verantwortlich. Betroffen sind vor allem Neugeborene und Säuglinge, aber auch ältere Personen. Obwohl die meisten Erkrankungen milde verlaufen, kann es zu Hospitalisationen kommen. Unsere neue Studie untersucht die stationären Behandlungen von RSV-Erkrankten in Schweizer Spitälern über einen Zeitraum von fast 20 Jahren. Die Studie zeigt, dass die Spitäler im Winter stark belastet sind, hauptsächlich wegen der vielen Hospitalisierungen von Säuglingen (Kinder im Alter unter einem Jahr). Der überwiegende Teil der wegen RSV behandelten Säuglinge weist keine bekannten Risikofaktoren für eine Hospitalisation auf.

Für die Studie haben wir Daten der Medizinischen Statistik der Krankenhäuser des Bundesamts für Statistik verwendet. Diese Daten umfassen alle stationären Fälle über einen Zeitraum von rund 20 Jahren. Für jeden Fall werden Haupt- und Nebendiagnosen anhand der International Classification of Diseases (ICD) kodiert. Dies hat uns erlaubt, alle RSV-Fälle zu identifizieren.

Bis zu 4’000 RSV-Fälle pro Jahr

Die Fallzahlen in jeder «RSV-Saison» (zwischen Juli und Juni des Folgejahres) folgten zwischen 2003/2004 und 2019/2020 einem klaren Muster: Saisons mit vielen Hospitalisationen folgten auf Saisons mit wenigen Hospitalisationen. Dieses zweijährliche Muster wurde durch die Corona-Pandemie unterbrochen. Während 2018/2019 noch 3’575 stationäre RSV-Fälle beobachtet wurden, sank die Zahl 2019/2020 auf 2’487 und 2020/2021 gar auf 902 Fälle. Im Zuge der Lockerungen der Pandemiemassnahmen stieg auch die Zahl der Hospitalisationen wieder stark an: In den sechs Monaten zwischen Juli und Dezember 2021 wurden 2’985 stationäre Fälle gezählt.

Rund zwei Drittel der RSV-Patientinnen und -Patienten waren unter einem Jahr alt. Innerhalb dieser Altersgruppe wiesen die 1-3-monatigen Kinder den höchsten Anteil auf.

Grosse Belastung für die Spitäler

Die stationäre Behandlung von RSV stellt für die Spitäler eine Belastung dar. Nebst RSV werden in den Wintermonaten auch weitere akute Atemwegsinfektionen behandelt. Dies führt während einiger Monate im Jahr zu Peaks in der Auslastung der Spitäler. Abbildung 2 zeigt die Entwicklung der Fallzahlen bei Kindern unter einem Jahr zwischen 2003 und 2021 für drei Typen von Hauptdiagnosen: RSV (dunkelblau), andere Atemwegsinfektionen (hellblau) und weitere Diagnosen (grau). Links ist die absolute Anzahl Fälle pro Monat dargestellt, rechts der relative Anteil an allen Fällen in dieser Altersgruppe. In starken Saisons machen die RSV- und anderen Atemwegsinfektionen bis zu 50% aller stationären Fälle bei Säuglingen aus. Im Februar 2019 beispielsweise waren 31% aller Fälle in dieser Altersgruppe wegen RSV und weitere 20% wegen anderen Atemwegsinfektionen.

Abbildung 2: Monatliche Anzahl Hospitalisationen wegen RSV, anderen Atemwegsinfektionen und anderen Hauptdiagnosen (links) sowie Anteil an allen Fällen (rechts) bei Kindern unter 1 Jahr (2003-2021). Geburten wurden für die Analyse ausgeschlossen. Quelle: Stucki et al. 2024.

Frühgeborene und Kinder mit angeborenen Lungen- oder Herzkrankheiten haben ein erhöhtes Risiko für eine stationäre Behandlung wegen RSV. Wir konnten mit unseren Daten zwar zeigen, dass das auch in der Schweiz der Fall ist. Allerdings war der überwiegende Teil der wegen RSV hospitalisierten Säuglinge gesund. Über 90% wiesen keine bekannten Risikofaktoren für eine RSV-Hospitalisierung auf.

Neue Möglichkeiten zur Prävention von RSV

Unsere Studie zeigt, dass eine wirksame Prävention von RSV-Infektionen zu einer Entlastung der Spitäler führen würde. Lange Zeit waren jedoch keine Impfstoffe auf dem Markt, und zum Schutz vor Infektionen bei Neugeborenen mit Risikofaktoren stand nur der monoklonale Antikörper Palivizumab zur Verfügung. Vor Kurzem wurde ein Impfstoff für Personen über 60 Jahren und Schwangere zugelassen. Für Säuglinge gibt es zwar keine Impfstoffe, aber dank dem neuen monoklonalen Antikörper Nirsevimab steht ab diesem Monat auch für diese besonders von RSV betroffene Gruppe ein Mittel für die Prävention zur Verfügung. Es wird sich schon in den kommenden Monaten zeigen, welche Auswirkungen dieser neue Wirkstoff auf die RSV-Fallzahlen in Schweizer Spitälern haben wird.

Die Studie wurde durch Sanofi und AstraZeneca finanziert.

Michael Stucki ist wissenschaftlicher Mitarbeiter im Team Gesundheitsökonomische Forschung am WIG.

Stucki, M., Lenzin, G., Agyeman, P. K., Posfay-Barbe, K. M., Ritz, N., Trück, J., Fallegger, A., Oberle, S. G., Martyn, O. & Wieser, S. (2024). Inpatient burden of respiratory syncytial virus (RSV) in Switzerland, 2003 to 2021: an analysis of administrative data. Eurosurveillance, 29(39), 2400119.


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