Bezahlung für die Teilnahme an klinischen Studien: Ethische Überlegungen zu gerechten Entschädigungen und möglichen Fehlanreizen

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Von Louisa Cakir

Bei klinischen Studien können Zahlungen an Probanden geleistet werden. Inwiefern diese gesetzlich zulässig sind, unterscheidet sich nach Land und Kontext. In der Schweiz ist es üblich und erlaubt, gesunde Personen für ihre Teilnahme an klinischen Studien zu vergüten. Das Humanforschungsgesetz verbietet es allerdings, dass Personen mit einem erwarteten direkten Nutzen ein Entgelt für ihre Teilnahme an einer Studie erhalten. Zudem ist es in der Schweiz und auch im Ausland üblich, dass die Vergütungen durch die zuständigen Ethikkommissionen vorgängig geprüft werden.

Bei den ethischen Überlegungen, die durch die Ethikkommissionen angestellt und in der Bioethik diskutiert werden, werden sowohl Punkte, die für als auch Punkte, die gegen eine Vergütung sprechen, angebracht. Die Zahlungen können einerseits als erwünscht und legitim betrachtet werden. Andererseits besteht aber theoretisch auch die Gefahr, dass diese zu Fehlanreizen führen. Bei den Abwägungen sind die Art und Höhe des Betrages entscheidend.

Zahlungen, die allfällige Ausgaben begleichen sollen, die die Probandin ansonsten selbst übernehmen würde (zum Beispiel für Anreise oder Verpflegung) werden als legitim und gerecht betrachtet und sind nur wenig polarisierend. Schliesslich sollte niemand, der zu Forschung und medizinischem Fortschritt beitragen möchte, einen finanziellen Nachteil daraus erlangen.

Auch bei einer Kompensationszahlung für die durch die Teilnehmer investierte Zeit und auf sich genommene Lasten (wie z.B. unangenehme medizinische Untersuchungen) kann die Gerechtigkeit als Argument angebracht werden. In diesem Fall wird die Teilnahme als eine Arbeit betrachtet, welche dementsprechend auch entlohnt werden muss. Ohne Entlohnung könnte man die Teilnahme auch als Ausbeutung verstehen. So wird eine angemessene Entlohnung auch oft durch die Ethikkommissionen bewilligt.

In der Bioethik-Literatur wird hier jedoch manchmal auch ein Gegenargument erwähnt. Nämlich, dass der gleiche Betrag auf verschiedene sozioökonomische Gruppe verschieden wirkt. Ein Betrag, der für einen Banker im Gegensatz zu seinem normalen Einkommen tief ist, kann für einen Geringverdiener wiederum ein finanzieller Anreiz darstellen. Das kann dazu führen, dass auch die als gerecht verstandene Entlohnung bewirkt, dass sich gewisse gesellschaftliche Gruppen eher den mit der Teilnahme an einer Studie verbundenen Risiken aussetzen als andere.

Dies wiederum würde dem Prinzip der Gerechtigkeit widersprechen. Die mit der Forschung verbundenen Risiken sollten über die verschiedenen Gesellschaftsgruppen gleich verteilt sein. Dies wäre jedoch nicht der Fall, wenn eine Gesellschaftsgruppe überproportional die Bürden der Forschung tragen würde. Manchmal wird deshalb angebracht, dass eine verhältnismässig tiefe Entlohnung bestimmt werden soll, sodass die Teilnahme an einer Studie nicht als finanzieller Anreiz betrachtet werden kann. Weil alle Probandinnen die gleiche «Arbeit» erledigen, wird eine einkommensabhängige Entlohnung für verschiedene Gesellschaftsgruppen nicht als Lösung betrachtet.  

Schlussendlich kann es aber unter Umständen auch sein, dass die Bezahlung für die Studienteilnahme ein finanzieller Anreiz darstellen soll, um die Anwerbe- und Haltungsquoten zu verbessern. In diesem Fall würde der Betrag höher ausfallen als es bei einer normalen Kompensationszahlung üblich wäre. In der Schweiz wird dies durch die Ethikkommissionen kritisch betrachtet.  

Das Problem solcher finanziellen Anreize ist, dass sie die unabhängige Entscheidung einer Person und somit die Freiwilligkeit untergraben könnten. So ist es theoretisch möglich, dass Personen durch die finanziellen Anreize Risiken falsch einschätzen oder unberücksichtigt lassen, und somit eine Entscheidung treffen, die sie sonst nicht getroffen hätten. Zudem ist es denkbar, dass finanzielle Anreize dazu führen könnten, dass Probandinnen Forscher über ihre Eignung zur Studienteilnahme absichtlich täuschen. Eine solche Täuschung könnte nicht nur gesundheitliche Folgen für die Probandin mit sich bringen, sondern auch die Resultate der Forschung verfälschen.

Doch sind solche Überlegungen durch die Teilnehmer auch in der Realität zu finden? Zum Punkt, dass finanzielle Anreize dazu führen könnten, dass Risiken unterschätzt oder unberücksichtigt gelassen werden, zeigt sich bisher interessanterweise eher das Gegenteil. So scheint es, dass finanzielle Anreize sogar eher die Risikowahrnehmung der Probandinnen erhöhen. Die Forschung dazu ist jedoch begrenzt. Auch zur Überprüfung der These, dass finanzielle Anreize zu Täuschung führen könnten, ist mehr Forschung nötig, die untersucht, ob solche Erwägungen auch in der Realität stattfinden.

Louisa Cakir ist wissenschaftliche Mitarbeiterin im Team Gesundheitsökonomische Forschung am WIG.

Quellen:

  • Gelinas, L., Largent, E., Cohen, I., Kornetsky, S., Bierer, B., & Lynch, H. (2018). A Framework for Ethical Payment to Research Participants. The New England journal of medicine. 378. DOI: 10.1056/nejmsb1710591.
  • Manriquez Roa, T. & Biller-Andorno, N. (2022). Financial incentives for participants in health research: when are they ethical? Swiss Medical Weekly, 152(11-12). DOI: 10.4414/smw.2022.w30166
  • Swissethics (2016). Finanzielle Zuwendungen an Patienten für die Teilnahme an Forschungsprojekten: Ein ethisch begründeter Leitfaden. https://swissethics.ch/assets/pos_papiere_leitfaden/entschaedigungen_pkl_d.pdf (Abgerufen am 11.06.2024)

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