In der Ära der digitalen Transformation sollten wir alle Prozesse und Traditionen kritisch hinterfragen. Vor 25 Jahren galt es als fortschrittlich, Röntgenbilder auf CDs zu brennen, um sie Patientinnen mitzugeben. Heutzutage stehen uns jedoch weitaus bessere Möglichkeiten zur Verfügung, Daten online auszutauschen – auch wenn diese noch nicht überall genutzt werden.
Doch wie sieht es mit Präsenzveranstaltungen wie Lehre und Konferenzen aus? Hätten wir sie nicht längst als veraltet abschreiben sollen? Schauen wir uns das genauer an.
Der Hype: Wir sind online!
Seien wir ehrlich: Denken Sie an das Jahr 2019 zurück und überlegen Sie, wie viele Online-Meetings Sie damals hatten und wie oft Sie an Tele-Konferenzen teilgenommen haben. Wahrscheinlich war diese Zahl nahezu null. Wie so oft musste äusserer Druck dafür sorgen, dass viele von uns erstmals Online-Treffen ausprobierten. Die Corona-Pandemie erreichte, was riesige Marketingbudgets zuvor nicht geschafft hatten: Videokonferenz-Tools wie Zoom wurden innerhalb kürzester Zeit zum Standard. Nicht nur für einen 1-zu-1-Austausch, sondern auch für grössere Veranstaltungen wie Vorlesungen und Kongresse.
Die Vorteile lagen auf der Hand:
– Keine Reisezeit und -kosten: Die Teilnahme erfolgt bequem von zu Hause aus.
– Dichter gepackter Kalender: Mehrere Veranstaltungen können direkt hintereinander besucht werden.
– Aufzeichnungen für spätere Betrachtung: Wer nicht live dabei sein kann, kann sich die Aufnahme in doppelter Geschwindigkeit anschauen.
– Und das Beste: Bequeme Kleidung! Man kann in Jogginghosen an den Veranstaltungen teilnehmen.
Die Kehrseite der Medaille
Trotz der offensichtlichen Vorteile gibt es auch Nachteile. Aus hygienischen und effizienztechnischen Gründen schien die Online-Kommunikation perfekt zu sein. Doch ein Gesetz der Komplexitätsforschung zeigt sich immer wieder: Es gibt keine einfachen Antworten auf komplexe Fragen. Auf die Frage «Wie gestaltet man Veranstaltungen am besten?» die Antwort «immer online!» zu geben ist unterkomplex und dadurch falsch.
Gerade beim Thema Vorlesungen haben wir das sehr schnell festgestellt. Die Studierenden, die bei uns den MSc Healthcare Management während der Pandemie absolviert haben, haben sehr schnell die Nachteile am eigenen Leib gespürt. Ein Studium ist viel mehr als einer Person zuhören die vorne steht und Wissen vermitteln will. Die weichen Faktoren in der Klasse sind mindestens so wichtig. So sind ein integraler Bestandteil eines jeden Studiums auch der Austausch der Studierenden untereinander, das soziale Teilen und dadurch Reflektieren der Erkenntnisse, die Ausübung der eigenen sozialen Kompetenzen. Die Forschung beschäftigt sich intensiv mit den Vor- und Nachteilen von Online-Veranstaltungen. Spannend finde ich zu lesen, was eine Studie der FH Oberösterreich mittels Elektroenzephalographie (EEG) herausgefunden hat. Online-Konferenzen machen müde! Ich weiss also nun, warum meine Studierenden gerne die Kameras ausschalten bei meinen Webinaren…
All diese Erkenntnisse haben auch etwas Beruhigendes für die Zukunft. Wenn eine online-KI einen Dozenten und seine Lehrveranstaltung ersetzen könnte, wäre das aus Kosteneffizienzgründen toll, aber mein Job wäre auch ernsthaft gefährdet. Doch so einfach ist die Substitution nicht. Lehrpersonen und physische Klassen werden auch in Zukunft gefragt sein. Natürlich unter sinnvoller Nutzung moderner digitaler Mittel.
Was ist die Lösung für zukünftige Events?
Bei jeder Planung einer Vorlesung oder eines Anlasses in unserem Haus stellt sich die Frage: Online oder vor Ort organisieren? Online, weil dann mehr Leute sich den Termin einrichten können? Dafür jedoch akzeptieren, dass es keinen sozialen Austausch geben wird und der Termin weniger verbindlich wird? (No-Shows-Quoten von 20% sind keine Seltenheit.)
Interessanterweise ist die goldene Mitte in dem Fall gar nicht so hilfreich, wie man denken würde. Denn ein Hybridevent lässt häufig beide Seiten etwas unbefriedigt zurück. Wenn man vor Ort ist denkt man sich «ich hätte auch das bequem von daheim aus haben können und hätte viel Zeit gespart». Und als Online-Teilnehmer fragt man sich, was man alles vor Ort hinter der Kamera verpasst hat und ob man nicht bei einer Teilnahme vor Ort spannende Menschen kennen gelernt hätte.
Und so werden wir in Zukunft, auch bei modernen Themen wie Digital Health, weiterhin auf altmodische vor-Ort-Veranstaltungen Wert legen. Denn auch ich, als grosser Freund von AR- und VR-Technologie, sage mir: Ein echtes statt ein virtuelles Bierchen zu trinken und dabei neue Leute kennen zu lernen, ist weiterhin der Goldstandard bei der Organisation von Events.
Wer Lust hat auf physische und nicht-physische Events, hier einige Daten zum Vormerken:
- Der WIG Herbstanlass findet am 5.11.2024 in Winterthur statt.
- Der 5. ZHAW Digital Health Lab Day findet am 3.9.2024 statt.
- Für alle anderen wichtigen Events im Bereich Healthcare verweisen wir gerne auf den Report unseres Partners Health-Trends. Sie haben einen übersichtlichen Jahres-Eventkalender erstellt: Healthcare Events Report 2024
Prof. Dr. Alfred Angerer ist Leiter der Fachstelle Management im Gesundheitswesen am WIG.