Von Flurina Meier
Stellen Sie sich vor, wir würden etwas Neues ausprobieren: Es wird eine Zucker-Steuer auf Softdrinks eingeführt. Allerdings bezahlt nicht der Konsument die Steuer, sondern der Hersteller. Die Steuer steigt mit dem Zuckergehalt des Getränks. Was würde Ihrer Meinung nach passieren?
Dieses Vorgehen wurde in England bereits ausprobiert und evaluiert. Die Einführung einer solchen «Produzenten-Zucker-Steuer» führte zu einer Verminderung des Zuckeranteils in fast allen Softdrinks bei gleichbleibenden Preisen für die Kundinnen und Kunden und bewirkte, dass
- der Zuckerverzehr über Süssgetränke um 22% abnahm
- und gleichzeitig 10% mehr Getränke verkauft wurden
Dieses Vorgehen zeigte bessere Resultate, als andere Versuche, wie z.B. die Simulation einer Zucker-Steuer (Preis für zuckerhaltige Getränke +20%) oder das Umräumen der Softdrinks mit viel Zucker in die unteren Regale.
Ein weiterer Vorteil der Produzenten-Zucker-Steuer war, dass auch die Hersteller vom Experiment überzeugt waren. Dies aus drei Gründen:
- die Verkaufszahlen stiegen
- der Bedarf an einer der teuersten Zutaten der Softdrinks – der Zucker – konnte verringert werden
- kein Produzent musste den Schwarzen Peter übernehmen und als Erster den Zuckergehalt alleine senken. So konnte vermieden werden, dass die zuckergewohnten Kunden in die Arme der süsseren Konkurrenten getrieben wurden.
Ein solches Vorgehen hätte eventuell auch das Potential, den Impact der Initiative zur Senkung des Zuckergehalts in Joghurts und Frühstückscerealien des Bundesrates zu verbessern (Initiative). Bundesrat Alain Berset unterzeichnete 2015 zusammen mit zehn Lebensmittelherstellern und -verkäufern die Erklärung von Mailand. Diese setzt auf eine freiwillige Reduktion des Zuckers in diesen scheinbar «gesunden» Lebensmitteln. Das Ziel ist es, bis 2024 den zugesetzten Zucker in Joghurts um 10% und in Frühstückscerealien um 15% zu senken. Unterdessen sind weitere vier Firmen hinzugekommen.
Die Evaluation, die 2019 vom EDI präsentiert wurde, zeigte: Der Gehalt an Zucker in Joghurts und Frühstücksmüesli konnte tatsächlich gesenkt werden (zwischen 2016 und 2018: -3.5% Zucker bei Joghurts und -13% Zucker bei Cerealien, Evaluation). Bei Joghurts wurde diese Reduktion insbesondere durch die Einführung von neuen weniger zuckerhaltigen Joghurts erreicht. Bei den etablierten Produkten blieb der Zuckergehalt nahezu gleich.
Zudem wurde bei der Berechnung dieser Effekte der Marktanteil der einzelnen Produkte nicht berücksichtigt. D.h. trotz einer Reduktion des durchschnittlichen Zuckergehalts kann nicht ausgeschlossen werden, dass die tatsächlich konsumierten Joghurts immer noch gleich süss sind wie vor der Unterzeichnung der Erklärung von Mailand.
Es ist anzunehmen, dass die neuen wenig zuckerhaltigen Joghurts vor allem von den wenigen Gesundheitsbewussten gekauft werden, die sowieso bereits auf ihren Zuckerkonsum achten. Die breite Masse der Konsumenten wird – unter diesen Voraussetzungen – wohl kaum auf die weniger zuckerhaltigen Joghurts umsteigen. So wird auch die angestrebte Breitenwirkung und Vermeidung von Diabetes und anderen Krankheiten bei den am stärksten Gefährdeten wohl nie erreicht.
Eine Produzenten-Zucker-Steuer dagegen dürfte ein deutlich wirksameres Instrument sein und eine echte Veränderung bewirken. Ob diese in der Schweiz allerdings im Moment politisch mehrheitsfähig ist?
Flurina Meier ist wissenschaftliche Mitarbeiterin der Fachstelle Versorgungsforschung am WIG.