Mehr Leistungen, bessere Gesundheit? Einblicke aus der Schweizer Gesundheitsbefragung

Von Rebecca Duewell

Auch für 2026 ist es wieder der Fall: Die Krankenkassenprämien werden im Durchschnitt um 4,4 Prozent ansteigen. Der Bundesrat nennt als Hauptgründe die alternde Bevölkerung, neue Behandlungsmöglichkeiten, eine steigende Nachfrage nach Gesundheitsleistungen sowie Tariferhöhungen.

Wir konsumieren also immer mehr Leistungen. Was steckt dahinter? Und führt der höhere Leistungsbezug tatsächlich zu einer gesünderen Bevölkerung?

Der Gesundheitszustand der Schweizer Bevölkerung: Eine positive Entwicklung

Zuerst ein historischer Blick: Der selbst wahrgenommene Gesundheitszustand der Schweizer Bevölkerung hat sich über die letzten 30 Jahre tendenziell verbessert oder zumindest stabilisiert.

Aus den Daten der Schweizerischen Gesundheitsbefragung (SGB) geht hervor, dass der Anteil der Personen mit sehr gutem oder gutem Gesundheitszustand altersübergreifend hoch ist und stabil bleibt, wobei jüngere Personen die höchsten Werte aufweisen (siehe Abbildung 1).

Was ist die SGB? Die Schweizerische Gesundheitsbefragung (SGB) ist eine repräsentative Erhebung des Bundesamts für Statistik, die seit 1992 alle fünf Jahre durchgeführt wird. Sie erfasst unter anderem den Gesundheitszustand, das Gesundheitsverhalten, und die Inanspruchnahme von Gesundheitsleistungen der Schweizer Wohnbevölkerung ab 15 Jahren.

Gleichzeitig sind die Anteile der Personen in einem schlechten oder sehr schlechten Gesundheitszustand insgesamt niedrig. Der Höchstwert lag 1992 bei 8,3 Prozent bei den über 75-Jährigen. Der Höchstwert für 2022 lag bei 5,9% bei den über 75-jährigen. Nur die Altersgruppe 45-54 Jahre weist einen Anstieg an Personen mit einem schlechten oder sehr schlechten Gesundheitszustand auf, von 3,5% im Jahr 1992 auf 4,0% im Jahr 2022. Dies deutet auf eine tendenziell positive Einschätzung des eigenen Gesundheitszustands hin.

Abbildung 1: Selbsteinschätzung des Gesundheitszustands in der Schweiz (1992–2022): Anteil der Altersgruppen, die ihre Gesundheit als „sehr gut“ oder „gut“ bewerten. Die übrigen Einschätzungen (mittelmässig, schlecht, sehr schlecht) sind hier nicht dargestellt. Quelle: BFS, eigene Darstellung.

Bessere Gesundheit, aber mehr Arztbesuche – Ein Paradox?

Gleichzeitig zeigen die Daten der SGB einen Anstieg der Inanspruchnahme von Arztkonsultationen – und zwar in allen Altersgruppen. Der Anteil Personen ohne Arztbesuch ist zwischen 1997 und 2022 in jeder Altersgruppe deutlich gesunken (siehe Abbildung 2). Gleichzeitig stieg der Anteil mit fünf oder mehr Konsultationen pro Jahr in den meisten Altersgruppen an. Bei jungen Erwachsenen (15-24 Jahre) beispielsweise von 19,6% auf 27,2% (siehe Abbildung 3).

Abbildung 2: Anteil der Altersgruppen ohne Arztkonsultation in den letzten 12 Monaten vor der Befragung. Quelle: BFS, eigene Darstellung.
Abbildung 3: Anteil der Altersgruppen mit mindestens fünf Arztkonsultationen in den letzten 12 Monaten. Quelle: BFS, eigene Darstellung.

Es stellt sich also die Frage: wie hängen diese beiden Erkenntnisse zusammen? Führt die zusätzliche Inanspruchnahme zu mehr Gesundheit? Oder haben wir es mit einem Paradox zu tun, wenn trotz besserer Gesundheit mehr Leistungen konsumiert werden?

Die Wahrheit: Wir wissen zu wenig

Hier zeigt sich das Kernproblem: Trotz steigender Ausgaben und Inanspruchnahme von Gesundheitsleistungen fehlt es an fundiertem Wissen darüber, ob dieser erhöhte Ressourceneinsatz tatsächlich zu besseren Gesundheitsergebnissen führt.

Die beschriebenen Entwicklungen werfen grundlegende Fragen auf. Handelt es sich um eine sinnvolle Ausweitung präventiver und kurativer Massnahmen, die langfristig Kosten spart und Lebensqualität erhöht? Oder beobachten wir eine ineffiziente „Medikalisierung“ des Alltags?

Um das Schweizer Gesundheitssystem zukunftsfähig und finanzierbar zu gestalten, braucht es dringend fundierte Forschung: Welche Leistungen tragen nachweislich zur Verbesserung des Gesundheitszustands bei? Wie können wir sicherstellen, dass steigende Ausgaben auch in messbarer Gesundheit münden?

Diskutieren Sie mit uns!

Diese und weitere Fragen rund um die Zukunft des Schweizer Gesundheitswesens diskutieren wir am WIG-Herbstanlass 2025 zum Thema «Zu hohe Ansprüche – zu viele Erwartungen? Die Bevölkerung als Kostentreiber im Gesundheitswesen?». Wir laden Sie herzlich ein, gemeinsam mit Expertinnen und Experten über die aktuellen Herausforderungen und mögliche Lösungsansätze zu debattieren.

Datum: Dienstag, 4. November 2025
Zeit: 18.00 Uhr Aula ZHAW (Gebäude SW),
Ort: St.-Georgen-Platz 2, 8400 Winterthur
Anmeldung: Obligatorische Anmeldung über folgenden Link: Anmeldung

Rebecca Duewell ist wissenschaftliche Assistentin im Team Gesundheitsökonomische Forschung am WIG.

Quellen:

Schweizer Radio und Fernsehen (SRF), 23. September 2025: Erneuter Anstieg – So stark steigen die Krankenkassenprämien 2026 in Ihrer Gemeinde
Online verfügbar unter: https://www.srf.ch/news/schweiz/erneuter-anstieg-so-stark-steigen-die-krankenkassenpraemien-2026-in-ihrer-gemeinde

Bundesamt für Statistik (BFS): Schweizerische Gesundheitsbefragung (SGB) – Ergebnisse und Publikationen
Online verfügbar unter: https://www.bfs.admin.ch/bfs/de/home/statistiken/gesundheit/erhebungen/sgb/ergebnisse-publikationen.html


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