
Von Linda Vinci und Diego Salinas Gallegos
Migräne betrifft weltweit über eine Milliarde Menschen und gehört zu den führenden Ursachen für krankheitsbedingte Beeinträchtigungen. Etwa jede siebte erwachsene Person leidet unter Migräne, wobei Frauen doppelt so häufig betroffen sind wie Männer. Lange Zeit standen für die vorbeugende Behandlung nur Medikamente zur Verfügung, die ursprünglich für andere Erkrankungen entwickelt wurden – wie Betablocker, Antidepressiva oder Antiepileptika. Seit 2018 hat sich die Behandlungslandschaft jedoch grundlegend verändert: Mit den CGRP-Hemmern steht erstmals eine speziell für Migräne entwickelte Medikamentenklasse zur Verfügung. In diesem Blogbeitrag werfen wir einen Blick auf diese Behandlungsmöglichkeiten.
Was sind CGRP-Hemmer?
CGRP (Calcitonin Gene-Related Peptide) ist ein Botenstoff, der eine zentrale Rolle in der Entstehung von Migräneattacken spielt. Er ist an der Schmerzübertragung und an der Entstehung von Entzündungen beteiligt. Die neuen Medikamente zielen darauf ab, diese Prozesse zu blockieren. Es gibt zwei Hauptkategorien: Zum einen die CGRP- Antikörper, zu denen Erenumab, Eptinezumab, Fremanezumab und Galcanezumab gehören. Die Medikamente werden entweder unter die Haut gespritzt oder über eine Infusion verabreicht. Zum anderen gibt es die sogenannten Gepants – kleine Moleküle wie Atogepant und Rimegepant. Diese haben den Vorteil, dass sie als Tabletten eingenommen werden.
Vorteile gegenüber herkömmlichen Medikamenten
Die neuen CGRP-Hemmer bieten mehrere entscheidende Vorteile. Studien zeigen, dass sie bei ähnlicher Wirksamkeit deutlich besser verträglich sind als ältere Präventivmedikamente. In klinischen Studien brachen weniger als 5% der Teilnehmenden die Behandlung aufgrund von Nebenwirkungen ab. Die CGRP-Antikörper haben zudem kaum Wechselwirkungen mit anderen Medikamenten und können auch bei Patient:innen mit Leber- oder Nierenerkrankungen eingesetzt werden. Zudem verursachen Gepants keine Gefässverengung und können daher auch bei Patient:innen mit kardiovaskulären Erkrankungen verwendet werden. Eine Übersichtsstudie zeigte, dass alle CGRP-Hemmer die Anzahl monatlicher Migränetage signifikant reduzierten – im Durchschnitt um etwa 1 bis 2.5 Tage pro Monat.
Stand in der Schweiz
In der Schweiz wurde Erenumab als erster CGRP-Hemmer im Jahr 2018 zugelassen. Die weiteren CGRP-Antikörper folgten in den Jahren 2019 und 2021, die Gepants 2023 und 2024. Derzeit werden alle CGRP-Hemmer befristet über die obligatorische Krankenpflegeversicherung vergütet. Allerdings ist die Kostenübernahme an bestimmte Bedingungen geknüpft. In der Regel müssen Patient:innen zunächst mindestens zwei herkömmliche Präventivmedikamente ohne ausreichenden Erfolg ausprobiert haben, bevor CGRP-Hemmer verordnet werden können. Diese Einschränkung ist hauptsächlich auf die höheren Kosten der neuen Medikamente zurückzuführen. Gesundheitsökonomische Analysen deuten darauf hin, dass die Behandlungen bei chronischer Migräne, insbesondere nach Versagen anderer Therapien, kostenwirksam sein können. Allerdings sind sie möglicherweise nicht kostenwirksam als Erstlinientherapie oder bei episodischer Migräne.
Fazit
Die CGRP-Hemmer stellen einen bedeutenden Durchbruch in der Migränebehandlung dar. Sie bieten eine wirksame und gut verträgliche Option für Patient:innen, die mit herkömmlichen Medikamenten keine ausreichende Besserung erreichen oder die Medikamente nicht vertragen. Diese innovativen Therapien ermöglichen vielen Betroffenen erstmals eine Verbesserung ihrer Lebensqualität. Die kommenden Jahre werden zeigen, wie sich die Erstattungspolitik entwickelt und ob diese Medikamente auch als Erstlinientherapie zugänglich werden.
Linda Vinci und Diego Salinas Gallegos sind wissenschaftliche Mitarbeitende im Team HTA und Gesundheitsökonomische Evaluationen am WIG.
Referenzen:
- Burch R, Rittenberg E. New treatments for migraine: CGRP monoclonal antibodies, gepants, and ditans. BMJ. 2025;390:e085564. doi: 10.1136/bmj-2025-085564
- Haghdoost F, Puledda F, Garcia-Azorin D, et al. Evaluating the efficacy of CGRP mAbs and gepants for the preventive treatment of migraine: A systematic review and network meta-analysis of phase 3 randomised controlled trials. Cephalalgia. 2023;43(4):1-14. doi: 10.1177/03331024231159366