Rettet unser Kinderspital! Eine Lernsimulation, die Managemententscheidungen im Gesundheitswesen spielerisch erlebbar macht

Quelle: AdobeStock.com

Von Sina Berger

Es war ein Dienstagmorgen. Vier Gruppen mit je vier Studierenden sassen vor ihren Laptops und diskutierten. «Meine Betten sind voll, der Warteraum wird immer voller – ich brauche dringend mehr Pflegepersonal!», sagte eine der Studierenden. Ein anderer antwortete: «Ich habe leider kein Pflegepersonal, das dir aushelfen könnte, aber ich könnte einen Patienten oder eine Patientin aufnehmen. Wäre es eine Option, jemanden zu mir zu verlegen?» «Macht, was ihr für richtig haltet», entgegnete die dritte Person in der Gruppe. «Ich konzentriere mich darauf, meine Station unter Kontrolle zu behalten. Ich werde mir eine temporäre Pflegekraft besorgen.» Die vierte Person sass schweigend vor ihrem Laptop und managte allein ihre Bettenstation.

Was nach einer strategischen Diskussion im Spital klingt, war Teil eines innovativen Serious Games, das wir im Masterprogramm Health Economics und Healthcare Management mit unseren Masterstudierenden gespielt haben. Zwei intensive Stunden, in denen sie nicht nur Managemententscheidungen trafen, sondern auch hautnah erlebten, wie komplex und vernetzt das Gesundheitswesen funktioniert.

Quelle: Eigene Aufnahme

Vom Silodenken zum Systemblick – Warum dieses Spiel wichtig ist

Mit der stetig zunehmenden medizinischen Spezialisierung der Spitäler nehmen auch die Komplexität und Fragmentierung der einzelnen Disziplinen zu. Dieser Umstand fördert zugleich das Denken und Handeln in einem vorgegebenen Rahmen und in gebundenen Abläufen (sog. Silos). Für eine wirklich effiziente und patientenorientierte Arbeitsweise ist jedoch ein vernetztes, systemisches Denken erforderlich. Genau an dieser Stelle setzt das Serious Game an, das im Rahmen des Flagship-Innosuisse-Projekts «SHIFT – Smart Hospital: Integrated Framework, Tools and Solutions» von der ZHAW und KPMG entwickelt wurde.

Die Simulation bietet Fach- und Führungskräften im Gesundheitswesen die Möglichkeit, auf spielerische Weise zu erlernen, wie sich ihre Entscheidungen auf die Mitarbeiterzufriedenheit, Kosten und Behandlungsqualität auswirken.

Ein entscheidender Vorteil der Simulation: Sie schafft einen Safe Space, in dem ausprobiert und erlebt werden darf. Ähnlich wie eine Landkarte hilft sie, eine komplexe Welt verständlich zu machen. Und das Beste: Die Auswirkungen der eigenen Entscheidungen werden unmittelbar sichtbar, was einen nachhaltigen Lerneffekt schafft.

Das Spielprinzip – Ein Kinderspital im Ausnahmezustand

In Vierergruppen übernahmen die Teilnehmenden die Rolle der Stationsleitungen eines Kinderspitals. Jede:r managte eine eigene Station – aber alle zusammen bildeten ein gesamtes Spital. Das Ziel: die optimale Balance zwischen Kosteneffizienz, Behandlungsqualität und Mitarbeiterzufriedenheit zu finden. Und natürlich, so viele Sterne wie möglich zu sammeln, um am Ende als Gewinner:in hervorzugehen – und vor allem, um keinen Ärger von der Spitaldirektorin zu bekommen.

Doch das war leichter gesagt als getan. Mal strömten viele Patient:innen gleichzeitig in eine Station, die dann überlastet war, mal fehlten Ressourcen, um alle optimal zu versorgen. Dann gab es aber auch wieder ruhigere Phasen. Eine Studentin sagte: «Ach, das ist ja genau wie bei mir beim täglichen Schaffen.»

Nach jedem Spieldurchgang reflektierten die Gruppen ihre Strategie: Was lief gut? Wo gab es Verbesserungsbedarf? Warum schnitten einige Stationen kostentechnisch besser ab? Weshalb war die Behandlungsqualität unterschiedlich, und welche Faktoren beeinflussten diese Kennzahlen?

Was gelernt wurde – Erkenntnisse aus der Simulation

Die Simulation verdeutlichte, dass Einzeloptimierungen nicht ausreichen – nachhaltige Verbesserungen entstehen nur durch systemisches Denken und das Aufbrechen von Silos. Komplexe Systeme erfordern vernetztes Handeln, da jede Entscheidung das Gesamtsystem beeinflusst. Die Studierenden erkannten, dass datenbasierte Entscheidungen eine essenzielle Grundlage für vorausschauende Planung und Transparenz sind. Zudem wurde deutlich, dass Anreizsysteme und Incentivierungen unser Verhalten massgeblich steuern und wir oft in den Strukturen des Systems gefangen sind. Besonders betont wurde die Bedeutung von Kommunikation und Zusammenarbeit – Silodenken behindert den Erfolg, während eine koordinierte und ganzheitliche Herangehensweise die besten Ergebnisse liefert.

Diese Erkenntnis spiegelte sich auch im Spiel wider: Im zweiten Durchgang arbeiteten die Studierenden gezielt zusammen, optimierten ihre Absprachen und sammelten deutlich mehr Sterne (=Punkte).

Quelle: Eigene Aufnahme

Die Stimmen der Studierenden – was sie sagen

Die schriftliche Evaluation des Spiels zeigte beeindruckende Ergebnisse:

  • Alle gaben an, dass sie neue Erkenntnisse über Managemententscheidungen in Spitälern gewonnen haben.
  • 86% der Teilnehmenden stimmen zu, dass sie die gelernten Konzepte in ihrem Arbeitsalltag anwenden können.
  • Alle Studierenden fanden die Simulation motivierender als klassischen Frontalunterricht.
  • 78% sehen ein Selbststudium nicht als gleichwertige Alternative zur Simulation.

Serious Games sind eine innovative Lernmethode. Sie ermöglichen es uns, Managemententscheidungen risikofrei zu testen, Zusammenhänge zu verstehen und gemeinsam bessere Lösungen zu entwickeln. Also, wer ist bereit, unser Kinderspital zu retten?

Erleben Sie das Serious Game selbst und retten Sie das Kinderspital!

Wer sich intensiver mit systemischem Denken im Gesundheitswesen auseinandersetzen möchte, kann am 12. Mai 2025 in Zürich am Workshop «Vom Silodenken zum Systemblick» teilnehmen. Jetzt anmelden und erleben, wie spielerisches Lernen das Verständnis für das Gesundheitsmanagement revolutioniert! Mehr Infos unter: https://dh-academy.ch/micro-teachings/detail/vom-silodenken-zum-systemblick

Sina Berger ist wissenschaftliche Mitarbeiterin im Team Management im Gesundheitswesen am WIG.


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