
In der Schweiz und auch in anderen Ländern sind die Gesundheitsausgaben in den letzten Jahrzehnten deutlich angestiegen. Es stellt sich die Frage, ob dieser Anstieg gerechtfertigt und nachhaltig ist, und ob unser Gesundheitssystem effizient organisiert ist. Diese Frage wird daher in Politik und Wissenschaft zunehmend diskutiert. Doch was bedeutet «Effizienz» im Gesundheitswesen eigentlich? Und wie wird sie in der wissenschaftlichen Literatur gemessen? Eine kürzlich publizierte Scoping Review untersucht, wie der Begriff in der Forschung verwendet wird.
Ein Begriff, viele Definitionen
In unserer Studie [1] analysierten wir 389 publizierte Arbeiten, die sich mit Effizienz im Gesundheitswesen befassen. Eine erste zentrale Erkenntnis dabei war, dass der Begriff zwar oft verwendet, aber nur selten eindeutig definiert wird. So fehlt in 77% aller Studien eine explizite Definition, was die Autor:innen unter «Effizienz» genau verstehen.
Grundsätzlich lassen sich zwei Arten von Effizienz unterscheiden:
- Produktive Effizienz: Hier ist das Ziel, einen gegebenen Output mit minimalem Ressourceneinsatz zu erzielen (oder mit gegebenen Ressourcen den grösstmöglichen Output zu erreichen).
- Allokative Effizienz: Hier steht die optimale Verteilung der Ressourcen im Vordergrund, um den grösstmöglichen (gesellschaftlichen) Nutzen zu erreichen.
In unserer Studie zeigt sich, dass sich fast alle eingeschlossenen Studien auf produktive Effizienz konzentrieren. Besonders häufig untersucht wird die sogenannt «technische Effizienz», bei der die Anzahl der Inputs (wie beispielsweise Personal oder Spitalbetten) mit der Anzahl der Outputs (z.B. Konsultationen, Impfungen, Eingriffe) verglichen wird.
Wie wird Effizienz im Gesundheitswesen quantifiziert?
Die häufigste Methode zur Quantifizierung von Effizienz im Gesundheitswesen ist die sogenannte Data Envelopment Analysis, eine statistische Methode um verschiedene Organisationseinheiten wie beispielsweise Spitäler oder Praxen miteinander zu vergleichen. Diese Methode kommt in 74% der untersuchten Studien zum Einsatz und hat vor allem in den letzten Jahrzehnten die bisher genutzten Methoden zum Teil verdrängt. Die übrigen Studien nutzen beispielsweise Stochastische Grenzanalysen oder klassische Effizienzindikatoren wie die Aufenthaltsdauer im Spital.
Ein entscheidender Faktor: die Berücksichtigung der Behandlungsqualität
Ein zentrales Ergebnis der Studie ist, dass nur wenige Studien Elemente der Behandlungsqualität oder Gesundheitsoutcomes in ihre Effizienzberechnungen einfliessen lassen. Dies ist zumindest teilweise sicher der erschwerten Datenlage geschuldet: So werden Qualität oder Outcomes in rund 70% der Studien thematisiert, sie sind jedoch nur in rund 30% aller Studien Teil der Effizienzberechnung.
Dies bedeutet, dass beispielsweise untersucht wird, welches Spital mit gegebenen Inputs die meisten Patienten behandeln kann, das Ergebnis dieser Behandlungen aber für den Effizienzvergleich zwischen den Spitälern keine Rolle spielt. Ein so als effizient bezeichnetes Spital entspricht jedoch nicht unbedingt dem Idealbild der effizienten Gesundheitsversorgung, welches sich die Gesellschaft und die Politik wünscht.
Ein zentrales Fazit unserer Studie ist daher, dass wir bei unseren Forschungsarbeiten stets bemüht sein sollten, unser Effizienzverständnis und dessen Grenzen möglichst explizit auszuformulieren. Nur so können wir sicherstellen, dass die Übertragung von Forschungsresultaten in die Politik und die Praxis mit der notwendigen Sorgfalt geschieht und die Komplexität der reellen Gesundheitsversorgung berücksichtig wird.
Mélanie Lötscher-Stamm ist wissenschaftliche Mitarbeiterin im Team Gesundheitsökonomische Forschung am WIG.
[1] Lötscher-Stamm, M., & Lenzin, G. (2024). Definition and understanding of “efficiency” in healthcare provision research: a scoping review. Frontiers in Public Health, 12, doi:1439788.