Psychiatrische Spitex: Qualität sichtbar machen

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Von Jennifer Heinstadt und Scharona Märki

Die Qualitätssicherung in der psychiatrischen Spitex ist ein wichtiges Thema für Betroffene, ihre Angehörigen und die Pflegekräfte, die sie unterstützen. Im Gegensatz zur stationären Versorgung fehlen in der ambulanten psychiatrischen Pflege bislang etablierte Qualitätsindikatoren. Doch warum sind diese überhaupt notwendig? Ohne klare Indikatoren lässt sich die Qualität der psychiatrischen Pflege nicht objektiv beurteilen oder gezielt verbessern. Indikatoren machen die Qualität der Pflegeleistungen messbar und ermöglichen kontinuierliche Optimierungen.

Dieser Blog-Beitrag fasst den Stand des Wissens zur Qualitätssicherung in der psychiatrischen Spitex zusammen und zeigt, wie die Qualität besser gemessen werden kann werden kann.

Was bedeutet gute Qualität in der psychiatrischen Spitex?

Das Donabedian-Modell bildet eine gute Grundlage, um die Qualität in der psychiatrischen Pflege zu messen. Das Modell verbindet die Dimensionen Struktur, Prozesse und Outcome miteinander (Helios Bildungszentrum Aue, 2021, S. 26–35). Im Kontext der Pflegequalität lässt sich das Modell wie folgt einordnen: Pflegequalität ist ein mehrdimensionales Konstrukt: Strukturelle Aspekte wie die Qualifikation des Personals, prozessuale Indikatoren wie die Pflegedokumentation der individuellen Pflegekontakte und ergebnisorientierte Faktoren wie die Patient:innenzufriedenheit geben zusammen ein Gesamtbild der Pflegequalität. Die drei Dimensionen sind somit miteinander verbunden, können jedoch auch einzeln betrachtet und bewertet werden, da sie nicht zwingend in einer festen Reihenfolge aufeinander aufbauen. Das Modell kann einen Teil der Qualitätsmessung abdecken, für die besonderen Anforderungen der psychiatrischen Spitex sind jedoch zusätzliche Ansätze nötig (Gerlach, 2001, S. 7–8).

Abbildung 1: Eigene Darstellung in Anlehnung an Donabedian-Modell; (Donabedian, 2005, S. 691–729)

Die Patientenperspektive zählt

Die Wahrnehmung der Pflegequalität unterscheidet sich oft zwischen Pflegekräften und Patient:innen. Pflegekräfte bewerten ihre Arbeit häufig positiver als die Betroffenen selbst. Für Patient:innen sind vor allem Respekt, Autonomie und Sicherheit entscheidend (Alsyouf et al., 2018, S. 234; von Peter et al., 2023, S. 57).

In der psychiatrischen Versorgung ist die Einbindung der Patient:innensicht jedoch nicht immer einfach, da die Krankheitseinsicht bei gewissen psychischen Erkrankungen eingeschränkt ist. Das bedeutet, dass Pflegefachpersonen zwischen Schutz und Selbstbestimmung abwägen müssen. Laut Chiovitti, (2011, S. 88) besteht ein ethisches Dilemma zwischen Patient:innensicherheit und Autonomie, besonders in Krisensituationen. Wenn das Urteilsvermögen der Patient:innen aufgrund einer Krise oder psychischen Störung beeinträchtigt ist, stehen psychiatrische Fachkräfte oft vor der Herausforderung, Entscheidungen über die Behandlung ohne das ausdrückliche Einverständnis der Patient:innen treffen zu müssen (Katir et al., 2023, S. 864). Dabei müssen Schutzmassnahmen so gestaltet werden, dass sie die Autonomie der Patient:innen möglichst wahren.

Innovative Ansätze für die Qualitätssicherung

Um die Qualität verbessern zu können, muss sie jedoch zuerst sichtbar gemacht werden. Dies könnte z.B. mit Hilfe der folgenden Ansätze gelingen:

  • Empirische Beobachtungen: Diese Methode hilft, die Diskrepanz zwischen Standards und gelebter Praxis zu identifizieren.
  • Dreidimensionale Modelle: Diese integrieren Perspektiven von Patient:innen, Pflegekräften und weiteren Stakeholdern.
  • Erlebnisbasierte Indikatoren: Wie fühlt sich Pflege für die Betroffenen an? Die Antwort darauf ist entscheidend für eine nutzerzentrierte Qualitätssicherung.

Auf dem Weg zur mess- und erlebbaren Qualität

Ein entscheidender Punkt ist die Validierung der Qualitätsindikatoren. Dabei sollten nicht nur statistische Analysen oder die Befragungen von Expert:innen eine Rolle spielen, sondern auch Patient:innenerfahrungen mitberücksichtigt werden. So kann sichergestellt werden, dass die Pflegequalität nicht nur messbar ist, sondern auch für Patient:innen erlebbar.

Fazit: Pflegequalität als gemeinsame Verantwortung

Die Sicherung der Pflegequalität in der psychiatrischen Spitex erfordert innovative Ansätze und die Einbindung aller Beteiligten. Die Perspektiven von Patient:innen, Pflegekräften und anderen Stakeholdern sollten in den Entwicklungsprozess einfliessen. Gleichzeitig ist es wichtig, die Indikatoren regelmässig zu überprüfen und anzupassen, um mit den Bedürfnissen der Patient:innen und den Entwicklungen im Gesundheitswesen Schritt zu halten.

Die Qualitätssicherung in der psychiatrischen Spitex steht vor grossen Herausforderungen – doch sie bietet auch die Chance, die Versorgung nachhaltig zu verbessern. Denn eines steht fest: Pflegequalität ist mehr als eine Zahl, sie ist ein Versprechen.

Die Autoren sind Studierende im Masterstudiengang Health Economics and Healthcare Management der Zürcher Hochschule für Angewandte Wissenschaften (ZHAW). (Master in Business Administration – Major Health Economics and Healthcare Management, o. J.)

Zitierte Literatur

Alsyouf, W. S., Hamdan-Mansour, A. M., Hamaideh, S. H., & Alnadi, K. M. (2018). Nurses’ and Patients’ Perceptions of the Quality of Psychiatric Nursing Care in Jordan. Research and Theory for Nursing Practice, 32(2), 226–238. https://doi.org/10.1891/1541-6577.32.2.226

Chiovitti, R. F. (2011). Theory of protective empowering for balancing patient safety and choices. Nursing Ethics, 18(1), 88–101. https://doi.org/10.1177/0969733010386169

Chisholm, M., Howard, P. B., Boyd, M. A., Clement, J. A., Hendrix, M. J., & Reiss-Brennan, B. (1997). Quality indicators for primary mental health within managed care: A public health focus. Archives of Psychiatric Nursing, 11(4), 167–181. https://doi.org/10.1016/s0883-9417(97)80024-6

Gerlach. (2001). Struktur-, Prozess- und Ergebnisqualität. In Qualitätsförderung in Praxis und Klinik (2001. Aufl.). Thieme Verlag. https://doi.org/10.1055/b-0034-11011

Helios Bildungszentrum Aue (Regisseur). (2021, März 17). Qualitätsdimensionen im Gesundheitswesen nach Avedis Donabedian einfach erklärt [Video recording]. https://www.youtube.com/watch?v=cHwp8rFuOqM

Katir, I., Korchi, A., Bencharfa, Z., Belbachir, S., & Ouanass, A. (2023). Consent in emergency psychiatry: A literature review. European Psychiatry, 66(Suppl 1), S864. https://doi.org/10.1192/j.eurpsy.2023.1829

Master in Business Administration – Major Health Economics and Healthcare Management. (o. J.). ZHAW School of Management and Law. Abgerufen 15. Januar 2025, von https://www.zhaw.ch/de/sml/studium/master/business-administration-health-economics-and-healthcare

von Peter, S., Jänchen, P., Göppert, L., Beeker, T., Ziegenhagen, J., Glück, R. K., Krispin, H., Pfennig, A., Heinze, M., Schwarz, J., & Ignatyev, Y. (2023). [Experience-based items of quality in psychiatric treatment: A first multivariate construct]. Zeitschrift fur Evidenz, Fortbildung und Qualitat im Gesundheitswesen, 176, 51–60. https://doi.org/10.1016/j.zefq.2022.12.002


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