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Von Alexander Parmak und Benjamin Dietiker, Dozent: Dr. Michael Stucki
Die Schweiz verfügt über ein sehr gutes Gesundheitswesen und ist für ihre moderne medizinische Infrastruktur, innovative Forschung und gut ausgebildetes Personal bekannt. Doch diese hohe Qualität hat ihren Preis. Jahr für Jahr steigen die Kosten im Gesundheitssektor, ein Trend, der sich besonders drastisch bei den Medikamentenausgaben zeigt. Gemäss Arzneimittelreport 2024 der Helsana machen die Medikamente erstmals den grössten Kostenblock der Grundversicherung mit über CHF 9 Mrd. aus. Aktuelle Zahlen der Swica bestätigen diesen Trend. In den letzten sechs Jahren trugen die Medikamente zu 30% des Kostenwachstums in der Grundversicherung bei.
Prostatakrebs ist bei Männern die am häufigsten diagnostizierte Krebsart. Die Behandlungsmöglichkeiten haben sich in den letzten Jahren aufgrund innovativer Medikamentenentwicklungen deutlich erweitert. Besonders in der fortgeschrittenen Phase des Prostatakrebses, bei dem der Tumor resistent gegen herkömmliche Hormontherapien wird, sind neue Medikamente erforderlich. Diese zielgerichteten Therapien und Immuntherapien haben die Behandlungsmöglichkeiten deutlich verbessert, aber auch zu einem deutlichen Anstieg der Kosten geführt.
Brustkrebs ist die häufigste Krebserkrankung bei Frauen und eine der führenden Ursachen krebsbedingter Todesfälle weltweit. Moderne zielgerichtete Therapien und Immuntherapien bieten neue Hoffnung, indem sie spezifische Mechanismen des Tumorwachstums hemmen. Diese Fortschritte haben die Überlebenschancen und Lebensqualität vieler Betroffener verbessert, gehen jedoch auch mit steigenden Behandlungskosten einher.
Im Blogbeitrag schauen wir uns die Entwicklung der Preise der gängigsten Medikamente gegen Brust- und Prostatakrebs im Zeitraum von 2013-2023 in der Schweiz an. Dabei werden die Preisentwicklungen sowohl für neuere als auch ältere Medikamente in der Grundversicherung verglichen.
Wie sind wir vorgegangen?
Wir haben für unsere Datenanalyse die Spezialitätenliste ausgewertet und weitere Informationen aus Pharmawiki, Compendium und dem Bundesamt für Gesundheit verwendet.
Was ist die Spezialitätenliste (SL)? Die SL des Bundesamts für Gesundheit (BAG) listet alle Medikamente auf, die von den Krankenversicherern im Rahmen der obligatorischen Krankenpflegeversicherung (OKP) übernommen werden. Bei dieser Untersuchung wurden die öffentlich zugänglichen Daten der Spezialitätenliste über den Zeitraum von 2013-2023 ausgewertet und die Preisentwicklung von Krebsmedikamenten analysiert. Unser Fokus lag dabei auf den Medikamentenpreisen für Brust- und Prostatakrebs. Wir haben die Preisentwicklungen der jeweils gängigsten Wirkstoffe für beide Krankheiten untersucht. Dabei wurden die Publikumspreise aus der Spezialitätenliste im Juni des jeweiligen Jahres mit den kleinsten verfügbaren Verpackungen der Wirkstoffe analysiert. Wenn mehrere Arzneimittel mit dem gleichen Wirkstoff auf dem Markt waren, haben wir für die Analyse den Median-Preis verwendet.
Bestehende Brustkrebsmedikamente werden in 10 Jahren um bis zu 57 % günstiger
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In Abbildung 1 sehen wir den Median der Brustkrebsmedikamentenpreise mit Wirkstoffen, welche bereits vor dem Jahr 2013 auf dem Markt waren. Der Median wurde ermittelt, weil es zu diesem Zeitpunkt mehrere Packungen mit dem gleichen Wirkstoff gab. Die wichtigsten Wirkstoffe in der Brustkrebsbekämpfung waren bis zu diesem Zeitpunkt Trastuzumabum, Exemestanum, Tamoxifen, Capecitabinum, Letrozol, Anastrozol, Paclitaxel und Doxorubicin. Unsere Analyse in diesem Diagramm fokussierte sich darauf, zu schauen, wie sich die Preise der bestehenden Wirkstoffe in den letzten 10 Jahren (bis 2023) verändert haben. Die Prozentzahlen des Liniendiagramms auf der rechten Seite zeigen die Publikumspreise in jenem Jahr in Prozent der Publikumspreise des Jahres 2013. Eine Prozentzahl von 71.7% bedeutet, dass es über die Jahre hinweg bis Juni 2023 eine Preisreduktion von 28.3% gab. Hier sieht man klar eine Tendenz zu einer Preisreduktion. Jedes Medikament mit den jeweiligen Wirkstoffen ist mit der Zeit günstiger geworden. Die Preisspanne reicht von CHF 25.35 bis CHF 1’126.65 pro Packung.
Die Untersuchung von Letrozol Filmtabletten 2.5mg mit einer Verpackung von 30 Stück (grün markiert), einem Medikament, welches zur Behandlung von Brustkrebs bei Frauen nach der Menopause eingesetzt wird und den Wirkstoff Letrozol enthält, zeigt, dass der Preis im ersten Untersuchungsjahr 2013 bei CHF 96 lag. Der aktuelle Preis dieses Medikamentes liegt bei CHF 82.95 Das entspricht einer Preisreduktion von 13.6%.
Preise von neuen Brustkrebsmedikamenten gehen in den ersten Jahren um bis zu 30% zurück
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Die wichtigsten Wirkstoffe gegen Brustkrebs, die in den letzten 10 Jahren für den Markt zugelassen wurden, sind Pertuzumabum, Sacituzumabum, Alpelisibum, Abemaciclibum, Talazoparibum, Palbociclibum und Trastuzumabum Emtansinum. In Abbildung 2 sind alle Wirkstoffe inkl. den Medikamentennamen und der kleinstmöglichen Verpackung aufgeführt, die im Zeitraum von 2013-2023 auf den Markt kamen. Grundsätzlich kann man feststellen, dass auch hier alle Wirkstoffe eine Preisreduktion erhalten haben und (fast) jedes Jahr günstiger geworden sind. Verzenios enthält den Wirkstoff Abemaciclibum und wird zur Behandlung von Brustkrebs bei postmenopausalen Frauen eingesetzt. An diesem Beispiel sehen wir, dass der Preis zwischen dem Jahr der Aufnahme in die SL (2019) und 2023 um 12.5% zurückging.
Medikamente für die Behandlung von Prostatakrebs: eine Packung kann über CHF 3’000.- kosten
Gemäss SL gehört Xtandi (Wirkstoff Enzalutamid), das bei metastasiertem kastrationsresistentem Prostatakrebs eingesetzt wird, zu den neuesten und teuersten Medikamenten. Ähnlich ist der Preis für Zytiga (Wirkstoff Abirateroni acetas), ein weiteres Medikament, das bei der Behandlung von Prostatakrebs in Kombination mit einer Hormontherapie eingesetzt wird. Trotz der hohen Kosten sind diese Medikamente oft lebensrettend, da sie den Krankheitsverlauf signifikant verzögern können.
In Abbildung 3 werden die gängigsten Wirkstoffe zur Behandlung von Prostatakrebs über einen Zeitraum von 2013 bis 2023 analysiert und dargestellt. Dabei wurden die Wirkstoffe Apalutamidum, Abirateroni acetats, Bicalutamidum, Cabazitaxel, Degarelixum, Dutasteridum, Enzalutamidum und Tamsulosini hydrochloridum untersucht. Im Jahr 2013 lag der höchste Preis pro Packung bei CHF 5‘540.80 (Cabazitaxelum) und der tiefste Preis pro Packung bei CHF 15.65 (Tamsulosini hydrochloridum). Der Preis von Cabazitaxelum blieb lange konstant, bevor dieser ab 2021 gesenkt wurde und schliesslich bei CHF 2‘960.05 im Jahr 2023 lag. Das entspricht einer Preissenkung von rund 47% über den betrachteten Zeitraum. Im gleichen Zeitraum verzeichnete das günstigste Medikament mit dem Wirkstoff Tamsulosin hydrochloridum eine Preisreduktion von ca. 8%.
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Was in Abbildung 3 nicht ersichtlich ist, ist das Aufnahmejahr der älteren Medikamente, respektive der Wirkstoffe in die SL. Bicalutamidium (1996), Dutasteridum (2003) sowie Tamsulosin hydrochloridum (2005) sind ältere Wirkstoffe, bei denen der Packungspreis zwischen CHF 14.35 (Tamsulosin hydrochloridum) und CHF 113.45 (Bicalutamidium) im Jahr 2023 lag. Bei den neueren Medikamenten mit den Wirkstoffen Abirateroni acetas (2012), Apalutamidum (2020), Cabazitaxelum (2012) sowie Enzalutamidum (2014) lagen die Packungspreise 2023 zwischen CHF 1‘046.15 (Abirateroni acetas) und CHF 3‘327.45 (Apalutamidum, Enzalutamidum) und damit deutlich höher als diejenigen der älteren Wirkstoffe.
Diese Preissenkungen widerspiegeln die Tatsache, dass es für einige der Medikamente in der Zwischenzeit generische Alternativen gibt oder dass Preisnachlässe durch Verhandlungen mit den pharmazeutischen Herstellern erzielt werden konnten.
Limitationen
Bei der Analyse von Medikamentenpreisen ist zu berücksichtigen, dass nicht alle Arzneimittel in den gleichen Krankheitsstadien eingesetzt werden. Dies führt zu einer erheblichen Variabilität, die die Preisstruktur verzerren kann und die Interpretation der Daten erschwert. Zudem wurde in dieser Betrachtung nicht untersucht, ob der therapeutische Nutzen der Medikamente ihre Kosten rechtfertigt. Insbesondere bei lebensrettenden Medikamenten gestaltet sich die Festlegung eines angemessenen Preises als komplex. Darüber hinaus beeinflussen zahlreiche weitere Faktoren wie der Patentschutz und die Verfügbarkeit von Generika die Preisgestaltung.
Fazit
Grundsätzlich zeigt unsere Untersuchung, dass die Preise vieler Arzneimittel zur Behandlung von Prostata- und Brustkrebs in den letzten zehn Jahren tendenziell gesunken sind. Jedoch kann sowohl bei Prostata- als auch bei Brustkrebsmedikamenten festgehalten werden, dass das Preisniveau bei den neueren und innovativen Medikamenten deutlich höher ist als bei den älteren Medikamenten. Es ist jedoch zu berücksichtigen, dass die Preisgestaltung von einer Vielzahl von Faktoren beeinflusst wird, wie bereits in den Limitationen dargelegt wurde. Unsere Analyse ergab, dass die Einstiegspreise vor allem bei den neueren Medikamenten zunächst hoch waren, jedoch im Laufe der Zeit gesenkt wurden. Inwieweit die hohen Preise für neue Medikamente auch zum Kostenwachstum im Gesundheitswesen beitragen, konnte in dieser Analyse nicht aufgezeigt werden. Dazu müssten nebst den Preisen für alle Arzneimittel auch die konsumierten Mengen bekannt sein.
Alexander Parmak und Benjamin Dietiker, beide Studierende in MSc BA Health Economics and Healthcare Management an der ZHAW, haben diesen Blog-Beitrag im Rahmen des Moduls «Projects in Healthcare» verfasst.