Von Ibrahim Salah
In vielen Bereichen des Schweizer Gesundheitswesens gilt: Gleicher Preis für gleiche Leistung. Im Rettungswesen aber gibt es unzählige Tarife für dieselben Leistungen. Z.B. kostet ein Krankenwageneinsatz je nach Region bzw. Kanton unterschiedlich viel. Bereits im Jahr 2014 kritisierte der Preisüberwacher in (s)einer Studie (Iseli, 2014) diesen Umstand. Notfalltransporte kommen bei den teuersten Institutionen z. B. einen 2 mal so grossen Betrag wie die günstigsten (Iseli, 2014). Auch nach der Veröffentlichung des Online-Artikels von Swissinfo.ch im Jahr 2018 sind keine Fortschritte erkennbar. Es kommt vor, dass Patient:innen ihre Krankenwagenrechnungen in Raten abzahlen aufgrund der hohen Beträge. Wie sieht die Situation zehn Jahre nach der Publikation der Preisüberwacher-Studie aus?
Diese Frage hat eine Gruppe von Masterstudierenden der ZHAW School of Management and Law dazu veranlasst, am 28. Oktober 2024 eine Podiumsdiskussion zu diesem Thema zu organisieren. Zusammen mit Vertreterinnen und Vertretern der Rettungs- und Versicherungsbranche sowie mit dem Preisüberwacher haben wir über die Ursachen gesprochen und mögliche Lösungsansätze diskutiert.
Kein Handlungsbedarf
Markus Gnägi, Leiter Amtstarife und HTA von santésuisse, wendet sich per Videobotschaft ans Publikum. Er betont die geltenden rechtlichen Grundlagen. Er sagt, die Kosten von «Transport», also z. B. eine Verlegung oder den Transport einer Patientin resp. eines Patienten, der keine akute Notfallversorgung benötigt, und «Rettung» ergo bei einem medizinischen Notfall – zu Lasten der obligatorischen Krankenpflegeversicherung (OKP) – haben sich in den letzten 10 Jahren nahezu verdoppelt. Santésuisse erachtet die Begriffe «Transport» und «Rettung» als zielführend und sieht keine Notwendigkeit, diese zwei Begriffe anzupassen. Denn die aktuellen Rahmenbedingungen bilden für die Vergütung der Leistungen «Transport» und «Rettung» eine ausreichende Grundlage dar, um Tarifverträge auszuhandeln.
Ein Ferrari ohne Räder
Roberto Cianella präsentiert als Vorstandsmitglied des Interverbands für Rettungswesen (IVR) mit seinem «accento ticinese» – wie er selbst sagt – die Argumente des IVR. Demnach erwartet die Schweizer Bevölkerung innert 15 Minuten eine hochwertige notfallmedizinische Versorgung. Aber «Tarif ist nicht gleich Kosten» wie die Rettungsbranche dem Publikum erklärt. Die aktuellen Tarife decken die verursachten Einsatzkosten nicht und die Unterscheidung von «Transport» und «Rettung» sei nicht mehr zeitgemäss. Je nach Anwendungsmodell der Versicherung kommt dies die Patientinnen und Patienten nämlich teuer zu stehen. Denn bei einer «Rettung» werden pro Kalenderjahr maximal CHF 5’000 übernommen, wohingegen bei einem «Transport» gerade einmal ein Zehntel davon, also maximal CHF 500 pro Kalenderjahr von der Krankenkasse vergütet werden. Wenn sich dieser Umstand in Zukunft nicht ändert, sei die präklinische Versorgung zu Lasten der OKP wie ein Ferrari ohne Räder, schliesst der IVR bildlich.
Ein stabiles Fundament bauen
Der Preisüberwacher, Stefan Meierhans, betont nochmals, dass sich die Situation seit seiner Studie nicht grundlegend verändert hat und empfiehlt die Erarbeitung einer nationalen Tarifstruktur. Denn es existieren bekannterweise (zu) hohe Preisunterschiede für dieselbe Leistung. Der Preisüberwacher erläutert nochmals die KVG-Tarifgrundsätze und erwähnt zugleich die Schwierigkeiten im Bereich der Bodenrettung. Ein oft vorgeschobenes Argument sind die mangelnden Kosten- und Leistungsdaten und deren uneinheitliche methodische Erfassung. Deshalb zeichnet der Preisüberwacher als Fazit ein schiefes Fundament und formuliert daher die Erwartung an die Rettungsbranche, die Kosten- und Leistungserfassung zu verbessern und zu vereinheitlichen – damit das Fundament nicht mehr schief steht.
Transparenz als Grundlage für nachhaltige Veränderungen
Claudia Ludwig, Vertreterin der HSK-Einkaufsgemeinschaft, bringt ihre Perspektive in die Diskussion ein. Sie unterstreicht die Bedeutung von transparenten Daten und einheitlichen Strukturen, um langfristige Veränderungen zu ermöglichen. Hier sind Bund und insbesondere die Rettungsbranche gefragt, die dringend benötigten Grundlagen dafür zu schaffen. Ein erster Schritt wurde gerade im Bereich des Unfallversicherungsgesetzes (UVG) gemacht. Optimistisch stimmt die HSK, dass ein engagierter, respektvoller Austausch unter allen Beteiligten möglich ist. Das klare gemeinsam Ziel steht fest: Eine bessere Basis für die Zukunft zu schaffen.
Lösungsorientierte Diskussion
Angesichts der aktuell laufenden Erarbeitung einer einheitlichen Tarifstruktur im Bereich des UVG zwischen dem IVR und der Medizinaltarif-Kommission zeigen sich alle Akteure interessiert und bereit, aus diesen Erfahrungen ein ähnliches Vorgehen zu Gunsten einer einheitlicheren Tarifgestaltung im Bereich der OKP zu wählen und durchzuführen. Es bleibt zu hoffen, dass dafür nicht noch weitere 10 Jahre verstreichen.
Ibrahim Salah ist Rettungssanitäter und Msc. Student an der ZHAW im Masterstudiengang Business Administration – Major Health Economics and Healthcare Management
Literatur
Iseli, S. (2014). Gesamtschweizerischer Tarifvergleich 2014 im Bereich Bodenrettung. Eidgenössisches Departement für Wirtschaft, Bildung und Forschung WBF. Preisüberwachung PUE. Abgerufen von https://www.preisueberwacher.admin.ch/pue/de/home/dokumentation/publikationen/studien—analysen/2015.html
Swissinfo. (2018, April 20). Wer bezahlt die Ambulanz in der Schweiz?. Abgerufen von https://www.swissinfo.ch/ger/gesellschaft/krankenversicherung_wer-bezahlt-die-ambulanz-in-der-schweiz/44059256