In der Grundversicherung werden inhaltsgleiche Medikamente zu unterschiedlichen Preisen abgerechnet. Ein Grund dafür sind unterschiedliche Zulassungsinhaber für Original- und Generikamedikamente. Ausserdem sind die Preise pro Tablette bei grösseren Packungen tiefer als bei kleineren Packungen. Würden konsequent die günstigsten Medikamente bezogen, liesse sich bei festen und oral eingenommenen Medikamenten 450 Mio. Franken pro Jahr einsparen. Das entspricht mehr als 10% der entsprechenden Medikamentenkosten in der Grundversicherung.
Das stetige Kostenwachstum im Gesundheitswesen hat in den letzten Jahren zu einer regen Diskussion darüber geführt, wie diese Entwicklung gebremst werden kann. Medikamente machen rund einen Viertel der Kosten in der Grundversicherung aus. In diesem Beitrag möchte ich einen spezifischen Aspekt zum Einsparpotential bei Medikamenten beleuchten.
Grosse Preisunterschiede
Fast alle Medikamente, die von der Grundversicherung bezahlt werden, finden sich auf der sogenannten Spezialitätenliste (SL). Bei genauer Betrachtung der 10’000 Positionen fällt auf, dass viele Medikamente mit derselben Wirkstoffkombination und Dosierung zu unterschiedlichen Preisen aufgeführt sind.
Ein Grund dafür ist, dass es bei vielen gleichartigen Medikamenten (d.h. gleiche Wirkstoffkombination, Dosierung und Einnahmeform) mehrere Zulassungsinhaber gibt. Deren Medikamente können zu unterschiedlichen Preisen abgerechnet werden. Häufige Ursache dafür ist der gleichzeitige Verkauf von zuvor Patent-geschützten Originalmedikamenten und Generika. Abbildung 1 zeigt das Beispiel des Medikaments mit dem Wirkstoff Letrozolum, das unter den Namen Femara und Letrozol läuft (Dosierung 2.5 mg, 30 Stück). Dieses wurde erstmals von Novartis zugelassen und kann zu einem Preis von 3.91 CHF pro Tablette abgerechnet werden. Das gleiche Medikament mit der gleichen Packungsgrösse von Mylan kostet pro Tablette nur 2.46 CHF.
Ein zweiter Grund sind die unterschiedlichen Packungsgrössen gleicher Medikamente. Der Preis einer einzelnen Tablette ist dabei in der Regel bei grösseren Packungen tiefer als bei kleineren Packungen. Das Beispiel in Abbildung 2 zeigt die Preise pro Tablette für das Medikament mit dem Wirkstoff Omeprazolum (Dosierung 40 mg), des Zulassungsinhabers Drossapharm AG. Diese liegen je nach Packungsgrösse zwischen 0.79 und 2.02 CHF pro Tablette.
Rund eine halbe Milliarde Franken Sparpotential
Es stellt sich nun die Frage, wie gross die Einsparungen wären, wenn:
- bei unterschiedlichen Zulassungsinhabern nur die günstigste Packung bezogen würde.
- bei unterschiedlichen Packungsgrössen nur die grösste Packung bezogen würde.
Wir haben das Sparpotential für die festen und oral eingenommenen Medikamente berechnet. Diese machen etwa zwei Drittel aller SL-Positionen aus und sind für etwa die Hälfte der Medikamentenausgaben in der Grundversicherung verantwortlich.* Neben den beiden oben erwähnten Spareffekten (unterschiedliche Packungsgrössen und unterschiedliche Zulassungsinhaber) ist auch ein dritter Effekt von Medikamenten mit unterschiedlichen Zulassungsinhabern und unterschiedlichen Packungsgrössen möglich.
Die aufsummierten Einsparungen für alle drei Effekte liegen für das Jahr 2022 bei rund 450 Mio. CHF (siehe Abbildung 3). Dieses Sparpotential entspricht 11.5% der Ausgaben für feste und oral eingenommene Medikamente in der Grundversicherung.
Wie tief hängt diese Frucht tatsächlich?
Doch wie einfach lässt sich dieses Potential realisieren? Der Bezug der jeweils grössten Packung eines Medikaments zur Erzielung des tiefsten Preises pro Tablette ist in vielen Situationen nicht zweckmässig (z.B. bei unbekannter Therapiedauer). Die Nutzung einer einzelnen Packung für mehrere Personen ist momentan zudem genauso wenig möglich wie die Abrechnung einzelner Tabletten über die Grundversicherung. Das sind jedoch vor allem juristische Hürden, die in naher Zukunft übersprungen werden könnten. Durch die Medikamentenabgabe über Blisterprodukte ist es aber schon heute möglich unter Wahrung der Sicherheitsvorschriften des Heilmittelgesetzes Tabletten einzeln abzugeben.
Der Bezug des Medikaments des jeweils günstigsten Zulassungsinhabers ist bei genügend grosser Verfügbarkeit eine einfache, bereits heute umsetzbare Massnahme, die etwa 177 Mio. CHF Einsparungen pro Jahr zur Folge hätte. «Geng söfu», wie man in Bern zu sagen pflegt.
Dr. Christoph Thommen ist wissenschaftlicher Mitarbeiter, Dozent und Co-Leitung im Team Gesundheitsökonomische Forschung am WIG.
* Zu den Berechnungen: Diese basieren auf der letzten Spezialitätenliste des Jahres 2022 und der im Jahr 2022 über die Grundversicherung abgerechneten Positionen. Das Sparpotential ergibt sich jeweils aus der Differenz des Publikumspreises pro Tablette des abgerechneten Medikaments und des günstigsten gleichartigen Medikaments (gleiche Wirkstoffzusammensetzung, gleiche Dosis, gleiche Einnahmeform). Bei den Berechnungen wurde die eingeschränkte Verfügbarkeit gewisser Medikamente mit Hilfe der Daten von drugshortage.ch berücksichtigt. Ebenso berücksichtigt wurden Doppelzählungen durch Medikamente, die von mehreren Effekten betroffen sind.