Viele Schweizer Spitäler schreiben Verluste, einige müssen vom Staat gerettet werden. Der traditionelle Herbstanlass des WIG am 5. November stand unter dem Thema «Spitäler am finanziellen Abgrund – Chronische Unterfinanzierung oder überfällige Strukturbereinigung?» und beleuchtete die Hintergründe und mögliche Lösungen der Spital-Krise. Drei Vorträge von Vertreterinnen und Vertretern der Spitäler, der Versicherer und aus der Politik zeigten jedoch, wie weit die Positionen auseinanderliegen.
Aushungern der Spitäler
Roland Wespi, Geschäftsleiter des Verbands der Zürcher Krankenhäuser VZK, machte in seinem Vortrag die nicht kostendeckenden Tarife für die finanziellen Schwierigkeiten bei den Spitälern verantwortlich. Die Unterfinanzierung sei vor allem im ambulanten Bereich ein Problem und führe zu einem «Aushungern der Spitäler». Ausserdem setze sie Anreize, viele Eingriffe weiterhin stationär statt ambulant durchzuführen. Höhere ambulante Tarife würden zu einem deutlichen Schub für die Ambulantisierung führen und so nicht nur die finanzielle Situation der Spitäler verbessern, sondern auch zu tieferen Gesundheitsausgaben führen.
Wir haben keine Tarifkrise
Vollständig kostendeckende Tarife würden für die Prämienzahlenden höhere Krankenversicherungsprämien bedeuten, entgegnete Eliane Kreuzer, Geschäftsführerin von HSK AG, einer der drei Einkaufsgemeinschaften der Krankenversicherer. Sie forderte eine Kantons-, Silo- und Finanzierungsübergreifende Koordination der Spitäler. Dieser Ansatz würde die Spezialisierung der Spitäler fördern. Eine solche habe aber in den letzten Jahren nicht stattgefunden.
Ist eine nationale Spitalplanung die Lösung?
Bei der fehlenden Spezialisierung setzte auch der dritte Redner an. Patrick Hässig, Nationalrat für die Grünliberale Partei, möchte mit seinem Vorstoss dem Bund mehr Kompetenzen bei der Spitalplanung geben. Zwar sei die Spitaldichte in der Schweiz hoch, aber das eigentliche Problem sei nicht die Anzahl Spitäler, sondern deren fehlende Spezialisierung. Bei vielen Operationen wäre eine Konzentration auf wenige, dafür erfahrene Spitäler sinnvoll. Die fehlende Spezialisierung sei die Folge von zu wenig kantonsübergreifender Koordination der Spitalkapazitäten, was wiederum teilweise auf die Mehrfachrolle der Kantone als Spital-Eigentümer, -Planer und -Finanzierer zurückzuführen sei. Zwar will auch Hässig die Spitalplanung weiterhin den Kantonen überlassen, aber für den Fall, dass diese sich nicht über die Kantonsgrenzen hinaus abstimmen können, soll dem Bund die finale Entscheidungskompetenz eingeräumt werden. Hässig erhofft sich dadurch nicht nur tiefere Gesundheitsausgaben, sondern auch eine höhere Behandlungsqualität.
Engagierte Diskussion
Ob am Ende eine überregionale Planung von Spitalkapazitäten oder bessere Anreize aufgrund kostendeckender ambulanter Tarife die Krise der Spitäler wird beenden können, bleibt offen. Das zahlreich erschienene Publikum am WIG-Herbstanlass engagierte sich nach den Vorträgen in einer lebhaften Diskussion, die im Rahmen des anschliessenden Aperos weitergeführt wurde.
Dr. Michael Stucki ist Wissenschaftlicher Mitarbeiter im Team Gesundheitsökonomische Forschung am WIG.