Behandlung zu Hause statt im Spital – Das innovative Konzept «Hospital at Home»

Quelle: Adobe Stock

Von Linda Vinci

Sich zu Hause statt im Krankenhaus behandeln zu lassen, ist inzwischen auch in der Schweiz möglich. Das innovative Konzept “Hospital at Home” bietet Patient:innen die Möglichkeit, Behandlungen in der vertrauten Umgebung des eigenen Zuhauses zu erhalten. Dieses Modell verspricht zahlreiche Vorteile für Patient:innen sowie für das Gesundheitssystem.

Was bedeutet “Hospital at Home”?

Nach der Diagnose im Spital oder bei der Hausärzt:in erhalten Patient:innen mit bestimmten akuten Erkrankungen, die üblicherweise stationär im Spital behandelt werden, die Option, sich zu Hause behandeln zu lassen – vorausgesetzt, der Wohnort liegt nicht zu weit vom Spital entfernt (z. B. maximal 15 Minuten Fahrzeit). Ärzt:innen und Pflegefachkräfte führen jeden Tag Visiten durch. Bei Bedarf können die Patient:innen auch über Telemedizin überwacht werden. Bildgebende Verfahren und Blutentnahmen sind ebenfalls im häuslichen Umfeld möglich. Das «Hospital at Home»-Modell eignet sich zum Beispiel für Erkrankungen wie exazerbierte chronisch obstruktive Lungenerkrankung (COPD), Nierenbeckenentzündung oder plötzliche Verschlechterung einer Herzinsuffizienz [1]. Es gibt drei Varianten dieses Modells: Patient:innen können 1) direkt aus der Notaufnahme eines Spitals in das «Hospital at Home»-Programm aufgenommen werden, 2) frühzeitig aus dem stationären Aufenthalt entlassen und zu Hause weiterbehandelt werden oder 3) von Hausärzt:innen ins Programm überwiesen werden [2].

Wo steht das «Hospital at Home»-Modell in der Schweiz?

Während das «Hospital at Home»-Konzept in Ländern wie Norwegen, Japan und Australien bereits etabliert ist, laufen in der Schweiz derzeit die ersten Pilotprojekte. Dazu gehören das Projekt «Hospital at Home» der Klinik Arlesheim in Basel, das Projekt «Visit – Spital Zollikerberg Zuhause®» des Spitals Zollikerberg in Zürich, das Projekt «Hospital @ Home» der Hospital at Home AG in Kooperation mit der Klinik Hirslanden und der Klinik Im Park ebenfalls in Zürich oder das Projekt «spital@home» des Unternehmens we4you in Einsiedeln. Im Rahmen einer Forschungskooperation der ZHAW, USB, UZH, UNIBAS und FHNW wird derzeit die Pilotstudie «Hospital at Home» durchgeführt, die untersucht, wie der Übertritt von Patient:innen aus dem Spital nach Hause durch den Einsatz von Telemedizin und Technologie reibungslos gestaltet werden kann.

Ausserdem wurde Ende 2023 der Dachverband «Swiss Hospital at Home Society» gegründet, um dieses Versorgungsmodell in der Schweiz weiter zu etablieren und die politischen Rahmenbedingungen dafür zu schaffen.

Die Vorteile von «Hospital at Home»

Das Konzept «Hospital at Home» bietet verschiedene Vorteile für Patient:innen sowie für das Gesundheitssystem. Internationale Studien zeigen, dass die Behandlung zu Hause die gleiche Qualität und Sicherheit wie eine stationäre Behandlung im Spital bieten kann und zudem die Erfahrungen der Patient:innen verbessert [3]. Die Patient:innen fühlen sich in ihrer vertrauten Umgebung wohler und weniger gestresst. Viele berichten von einer höheren Lebensqualität und Zufriedenheit, was vor allem darauf zurückzuführen ist, dass sie in ihrem eigenem Zimmer und Bett sind, weniger Lärm ausgesetzt sind, mehr Kontakt zu Familie und Freunden haben und die Möglichkeit haben, vertrautes Essen zu geniessen [3–5]. Darüber hinaus könnte durch das «Hospital at Home»-Modell das Risiko von Spitalinfektionen, Stürzen oder körperlichem Verfall, die bei einem stationären Spitalaufenthalt auftreten können, reduziert werden (die Mobilität ist zu Hause höher) [3]. Studien zeigen auch, dass «Hospital at Home» zu einer tieferen Sterblichkeit, weniger Wiedereinweisungen und tieferen Kosten führen kann [5–7]. Zudem werden durch die Verlagerung geeigneter Fälle in das häusliche Umfeld Spitalbetten für schwerere Fälle freigehalten, Wartezeiten für stationäre Behandlungen verkürzt und so das Gesundheitssystem entlastet.

Erste Ergebnisse des Pilotprojekts «Visit – Spital Zollikerberg Zuhause®» zeigen, dass das Konzept auch in der Schweiz gut funktioniert. Die Patient:innen scheinen schneller zu genesen, müssen seltener ins Spital zurückkehren und sind mit dem Angebot äusserst zufrieden [8].

Welche Herausforderungen gibt es?

Momentan ist das «Hospital at Home»-Modell auf bestimmte Patient:innengruppen und Krankheitsbilder beschränkt. Viele potenziell geeignete Patient:innen werden ausgeschlossen, weshalb weitere Forschungen notwendig sind, um den Anwendungsbereich zu erweitern [3]. In ländlichen Gebieten könnte die Umsetzung eine Herausforderung darstellen, da die Fahrzeiten für Ärzt:innen und Pflegepersonal oft zu lang sind und im Notfall die schnelle Anreise zum Spital nicht gewährleistet werden kann [3]. Zudem erfordert die Umsetzung von «Hospital at Home» eine digitalisierte Infrastruktur sowie geeignete häusliche Bedingungen, wie zum Beispiel eine funktionierende Klimaanlage oder Heizung [3]. Für eine erfolgreiche Verbreitung von «Hospital at Home» wäre es wichtig, eine standardisierte Ausbildung für das Personal zu entwickeln, das diese Behandlungsform anbietet [3]. Zudem ist die Kostenübernahme in der Schweiz noch nicht geklärt, was die flächendeckende Einführung dieses Modells erschwert.

Fazit

«Hospital at Home» scheint ein vielversprechender Ansatz zu sein, um die Gesundheitsversorgung effizienter zu gestalten. Allerdings ist der Anwendungsbereich momentan auf bestimmte Patient:innengruppen und Krankheitsbilder beschränkt. Zudem fehlen in der Schweiz noch die notwendigen Rahmenbedingungen, um dieses Modell zu etablieren.

Referenzen:

1 Hospital at Home AG. Hospital at Home. https://hospitalathome.ch (accessed 6 September 2024)
2 Leong MQ, Lim CW, Lai YF. Comparison of Hospital-at-Home models: a systematic review of reviews. BMJ Open. 2021;11:e043285. doi: 10.1136/bmjopen-2020-043285
3 Ouchi K, Liu S, Tonellato D, et al. Home hospital as a disposition for older adults from the emergency department: Benefits and opportunities. J Am Coll Emerg Physicians Open. 2021;2:e12517. doi: 10.1002/emp2.12517
4 Qaddoura A, Yazdan-Ashoori P, Kabali C, et al. Efficacy of Hospital at Home in Patients with Heart Failure: A Systematic Review and Meta-Analysis. PLOS ONE. 2015;10:e0129282. doi: 10.1371/journal.pone.0129282
5 Caplan GA, Sulaiman NS, Mangin DA, et al. A meta-analysis of “hospital in the home”. Med J Aust. 2012;197:512–9. doi: 10.5694/mja12.10480
6 Echevarria C, Brewin K, Horobin H, et al. Early Supported Discharge/Hospital At Home For Acute Exacerbation of Chronic Obstructive Pulmonary Disease: A Review and Meta-Analysis. COPD J Chronic Obstr Pulm Dis. 2016;13:523–33. doi: 10.3109/15412555.2015.1067885
7 Arsenault-Lapierre G, Henein M, Gaid D, et al. Hospital-at-Home Interventions vs In-Hospital Stay for Patients With Chronic Disease Who Present to the Emergency Department. JAMA Netw Open. 2021;4:e2111568. doi: 10.1001/jamanetworkopen.2021.11568
8 Spital Zollikerberg. Medienmitteilung «Visit – Spital Zollikerberg Zuhause®»: Kürzere Behandlungsdauer und hohe Patientenzufriedenheit. Zollikerberg 2023.


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