Vielversprechende Massnahmen für gesunde und sichere Arbeitsplätze: ein Blick nach Europa

Quelle: Adobe Stock.com

Von Cécile Grobet

Berufsunfälle und Berufskrankheiten sind nicht nur ein Risiko für die individuelle Gesundheit der Arbeitnehmenden, sondern können auch erhebliche wirtschaftliche und soziale Auswirkungen auf Unternehmen und die Gesellschaft insgesamt haben. Aus diesem Grund ist die Prävention dieser Risiken von entscheidender Bedeutung. Im Rahmen einer Studie im Auftrag der Eidgenössischen Koordinationskommission für Arbeitssicherheit (EKAS) haben wir vom Winterthurer Institut für Gesundheitsökonomie vielversprechende Präventionsmassnahmen und -programme in verschiedenen europäischen Ländern identifiziert und analysiert.

Warum diese Studie und wo liegt die Schweiz?

In vergleichenden Statistiken der EUROSTAT weist die Schweiz überdurchschnittlich viele Berufsunfälle auf. Aufgrund unterschiedlicher Melde- und Erfassungsverfahren sowie Berufsunfalldefinitionen sind diese Zahlen aber nicht direkt mit denen der EU-Länder vergleichbar. Bei einem besser geeigneten Vergleich zwischen Ländern, bei dem das Schweizer Meldesystem für alle Länder simuliert wird, liegt die Schweiz dann auch im Mittelfeld. Ziel der Studie war es daher, Länder zu untersuchen, die in der Prävention von Berufsunfällen besonders erfolgreich sind. Dabei haben wir diejenigen Länder ausgewählt, die in den Jahren 2015-2019 eine niedrigere Häufigkeit von tödlichen und nicht-tödlichen Berufsunfällen aufwiesen als die Schweiz. Zudem haben wir alle Nachbarländer in die Studie eingeschlossen.

Wie sind wir vorgegangen?

Die Untersuchung umfasste eine gründliche Internetrecherche und Literatursuche, um Informationen zu gesetzlichen Rahmenbedingungen, Inspektionen, Meldeverfahren von Berufsunfällen und Berufskrankheiten sowie zu Präventionsmassnahmen zu sammeln.

Ein Blick auf erfolgreiche Ansätze

Insgesamt haben wir 13 europäische Länder analysiert, wobei wir eine grosse Vielfalt von Massnahmen zur Prävention von Berufsunfällen und Berufskrankheiten identifiziert haben. In allen untersuchten Ländern sind umfassende Risikobewertungen zentral für die Präventionsarbeit. In einigen Ländern ist die Ernennung von Sicherheits- und Gesundheitsverantwortlichen in Unternehmen vorgeschrieben. Alle Länder legen besonderen Wert darauf, kleine und mittlere Unternehmen bei präventiven Massnahmen zu unterstützen, denn sie gelten als Schlüsselakteure im Bereich der Prävention. Basierend auf der wissenschaftlichen Literatur lässt sich zusammenfassend sagen, dass eine Kombination aus evidenzbasierten, zielgruppenspezifischen Interventionen, sowie der Förderung eines starken Sicherheitsklimas wesentlich zur Verbesserung der Arbeitssicherheit und des Gesundheitsschutzes beitragen kann.

Unterschiede in der Präventionsarbeit

Eine wichtige Erkenntnis dieser Studie ist, wie sich die Prävention von Berufsunfällen und Berufskrankheiten zwischen den europäischen Regionen unterscheidet. Besonders in den nordischen Ländern zeichnen sich umfassende Gesetze aus, die von staatlichen Stellen effektiv durchgesetzt werden. Dadurch ist der Bedarf an einzelnen, unabhängigen Präventionsprogrammen geringer. Sicherheitsbeauftragte und betriebliche Gesundheitsdienste sind feste Bestandteile der Arbeitswelt. Kombiniert mit der nordischen Kultur, die bereits Empfehlungen oftmals als verbindlich ansieht, ermöglicht dies eine effiziente Umsetzung der Präventionsarbeit. Auch in einigen mitteleuropäischen Ländern ist es Vorschrift, Verantwortliche für Arbeitssicherheit und Gesundheitsschutz in Unternehmen zu benennen. Es werden vermehrt Kampagnen und einzelne, individuelle Massnahmen (z.B. gegen Stress, Rückenschmerzen, etc.) durchgeführt und unterstützendes Material und Konzepte sowie Online-Tools für die Bewertung von Berufsrisiken zur Verfügung gestellt. In den südlichen europäischen Ländern und in Polen besteht noch Nachholbedarf in der Präventionsarbeit, was teilweise auf wirtschaftliche Herausforderungen und kulturelle Unterschiede zurückzuführen ist. Die niedrige Anzahl von Berufsunfällen könnte darauf zurückzuführen sein, dass sie statistisch untererfasst werden.

Diskussion mit Stakeholdern

Die Studie zeigt, dass es in Europa einige vielversprechende Ansätze zur Prävention von Berufsunfällen und Berufskrankheiten gibt, von denen Unternehmen und Arbeitnehmende gleichermassen profitieren können. Interessierte Vertreter der Mitgliedergruppen der EKAS aus Arbeitsinspektorat, Wirtschaft, Versicherungen und Arbeitnehmenden wurden zu einem Workshop eingeladen, um die Ergebnisse der Studie zu diskutieren und gemeinsam die vielversprechendsten Massnahmen zu identifizieren. Diese sollen nun in einem Folgeprojekt vertieft werden, damit nach Möglichkeit Massnahmen für die Schweiz abgeleitet werden können.

Cécile Grobet ist wissenschaftliche Mitarbeiterin und Stv. Teamleitung im Team HTA und Gesundheitsökonomische Evaluationen.


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