Rund eine halbe Million Menschen in der Schweiz leiden an Diabetes und haben ein erhöhtes Risiko für Hypoglykämie. Hypoglykämie ist eine häufig auftretende Nebenwirkung der Insulintherapie sowohl bei Typ 1 als auch bei Typ 2 Diabetes, die die Erreichung einer optimalen glykämischen Kontrolle behindert. Sie stellt eine bedeutende Herausforderung für die öffentliche Gesundheit dar. Sie wirkt sich negativ auf die Lebensqualität von Menschen mit Diabetes aus und hat erhebliche wirtschaftliche Auswirkungen. Die Angst vor wiederkehrenden Hypoglykämie-Ereignissen führt oft dazu, dass Menschen ihre Insulindosis reduzieren, was zu einer schlechten glykämischen Kontrolle und einem erhöhten Risiko für schwerwiegende langfristige Komplikationen führen kann.
Unsere kürzlich publizierte Studie quantifiziert die Belastung von Hypoglykämie bei Erwachsenen mit insulinpflichtigem Diabetes in der Schweiz und zeigt die erheblichen Auswirkungen von Hypoglykämie auf die Inanspruchnahme von Gesundheitsleistungen, die direkten medizinischen Kosten und die Produktivitätsverluste. Für die Schätzung der Krankheitslast von Hypoglykämie haben wir ein gesundheitsökonomisches Modell entwickelt.
In welchen Leistungsbereichen werden die Hypoglykämie-Ereignisse behandelt?
Im Jahr 2017 gab es in der Schweiz 91’347 Erwachsene mit insulinpflichtigem Diabetes. Davon hatten schätzungsweise 24’742 Typ 1 Diabetes mit 1’753’982 Hypoglykämie-Ereignissen, während 66’605 Patient:innen unter Typ 2 Diabetes litten und 1’044’369 Hypoglykämie-Ereignisse hatten. Etwa 9% der Hypoglykämie-Ereignisse erforderten eine medizinische Versorgung, wobei 66% bei Patient:innen mit Typ 2 Diabetes auftraten und 95% nicht-schwere Ereignisse waren. Von den schweren Ereignissen, die eine medizinische Versorgung erforderten, wurden 72% ambulant und 27% im Spital behandelt. Abbildung 1 zeigt die Anzahl Hypoglykämie-Ereignisse für Typ 1 und Typ 2 Diabetes nach Schweregrad und medizinischer Behandlung.
Abbildung 1 Jährliche Anzahl von Hypoglykämie-Ereignissen nach Schweregrad und Art der erforderlichen medizinischen Leistung
Hypoglykämie kostet pro Jahr 71 Millionen Franken
Der Kostenanteil der direkten medizinischen Kosten lag bei 79% und derjenige der Produktionsverluste aufgrund von Absentismus bei 21%. Die direkten medizinischen Kosten unterschieden sich zwischen Altersgruppen als auch in Bezug auf Diabetes-Typ and Schweregrad. Auf die Altersgruppe der 18- bis 64-Jährigen entfiel die Hälfte der medizinischen Kosten und alle Produktionsverluste. Obwohl schwere Hypoglykämien häufiger medizinische Versorgung erforderten, waren nicht-schwere Ereignisse aufgrund ihrer hohen Anzahl ein erheblicher Kostenfaktor bei Hypoglykämien. Sie machten nämlich fast 81% der medizinischen Kosten und 42% der Produktionsverluste aus.
Unsere Studie zeigt auch, dass Hypoglykämie-Ereignisse bei Patient:innen mit Typ 2 Diabetes die Kosten nicht nur aufgrund ihrer hohen Anzahl, sondern auch aufgrund ihrer höheren Inanspruchnahme medizinischer Leistungen dominieren. Dies könnte auf die besseren Selbstmanagementfähigkeiten von Patient:innen mit Typ 1 Diabetes zurückzuführen sein, die meist jünger und weniger von Komorbiditäten betroffen sind. Bei beiden Diabetestypen machten ambulante Behandlungen und zusätzliche Blutzuckerselbstmessungen aufgrund von Hypoglykämie-Ereignissen einen hohen Anteil der medizinischen Kosten aus.
Prävention von Ereignissen ist wichtig
Die Umsetzung von Strategien zur Verbesserung der Patientenschulung, zur Unterstützung des Selbstmanagements und zur Optimierung der Insulintherapie kann dazu beitragen, die wirtschaftlichen Auswirkungen von Hypoglykämien zu minimieren und gleichzeitig das allgemeine Wohlbefinden von Menschen mit Diabetes zu verbessern. Weitere Forschungsarbeiten und eine kontinuierliche Überwachung sind erforderlich, um die Wirksamkeit dieser Massnahmen zu bewerten und die Gesundheitspolitik in Bezug auf das Diabetesmanagement in der Schweiz zu verbessern.
Die Studie kann hier heruntergeladen werden.
Christina Tzogiou ist wissenschaftliche Mitarbeiterin im Team HTA und gesundheitsökonomische Evaluationen.